Glänzende Winterspiele: Die Gründe für Österreichs Medaillenregen
Ganz egal, was in den kommenden zehn Wettkampftagen noch kommen wird: Österreichs Sportlerinnen und Sportler begeisterten in den ersten sechs Tagen bei den Spielen in China. 13 Medaillen – kein anderes Land war nach 45 von 109 Entscheidungen öfters bei Siegerehrungen. Die Ursachenforschung des KURIER ergab sechs Gründe für die glänzenden Spiele.
Akribische Vorbereitung
In der Vorbereitung auf die Spiele in China wurde nichts dem Zufall überlassen. Nur einige Beispiele: Österreichs Rodler entnahmen bei ihrer Generalprobe im Herbst Eisproben aus dem Olympia-Eiskanal, um mit den Wissenschaftern des Instituts für physikalische Chemie in Innsbruck die perfekten Kufen für Peking zu finden. Die Spuren der Goldmedaille von Snowboarder Benjamin Karl wiederum führen ins Ennstal, wo am Hauser Kaibling die Olympiastrecke fast eins zu eins nachgebaut wurde. Für die Skicrosser wiederum wurden in den vergangenen Tagen in Erl noch einige Passagen des Olympia-Parcours simuliert. Und die Nordischen Kombinierer reisten im vergangenen Sommer trotz Corona in die USA, weil die Sprungschanze in Park City sich auf einer ähnlichen Seehöhe befindet wie der Olympiabakken in Peking (1.700 Meter).
Technologie
Auf dem Materialsektor ist der ÖSV federführend, seit vor einem Jahrzehnt in Innsbruck das Forschungszentrum für Schnee, Ski- und Alpinsport ins Leben gerufen wurde. In einem Tribometer, einer 27 Meter langen Messanlage, die in dieser Dimension weltweit einzigartig ist und 800.000 Euro gekostet hat, können verschiedenste Schnee- und Eisbedingungen simuliert und Ski bzw. Kufen unter Laborbedingungen getestet wurden. In den letzten zwei Jahren wurden dort die chinesischen Verhältnisse nachgestellt. Kein Zufall, dass die Österreicher deshalb einen Wettbewerbsvorteil haben. Dazu ließ der ÖSV eine Schleifmaschine für die Skibeläge nach China schicken.
Ressourcen
Der Skiverband ist finanziell so gut aufgestellt wie noch nie. Die Corona-Krise konnte dem ÖSV nichts anhaben, „wir könnten mehrere Corona-Winter überstehen“, versichert Generalsekretär Christian Scherer dem KURIER. Für den Olympiawinter wurde der Etat noch einmal um knapp zehn Prozent aufgestockt. „Wir haben für den Rennlauf ein Sportbudget von knapp 35 Millionen Euro verabschiedet“, sagt Finanzchef Patrick Ortlieb. Das ist das höchste in der Geschichte des Skiverbandes.
Ausbildungszentren
Das Skigymnasium Stams ist bereits seit Jahrzehnten die österreichische Medaillenschmiede. Aber längst nicht mehr die einzige. Der Großteil von Österreichs Olympiasportlern hat entweder Stams (die Goldmedaillengewinner Johannes Strolz und Alessandro Hämmerle waren sogar Klassenkollegen), die Skihandelsschule Schladming, das Sportgymnasium in Saalfelden oder das Nordische Ausbildungszentrum Eisenerz durchlaufen.
Die Sportpolitik
Bei der Spitzensportförderung ist der ÖSV bei weitem die Nr. 1. So gab es 2021 fast 2,3 Millionen Basisförderung und 1,3 Millionen sogenannte „athletenspezifische Spitzensportförderung“. Zu diesen kamen im Jahr 2020 aus dem Sportministerium zusätzlich mehr als sieben Millionen Euro für Infrastruktur und Technologie. Auch der Rodelverband kann nicht klagen über mangelnde Unterstützung, kam 2021 auf fast 1,6 Millionen an Basisförderung und athletenspezifischer Unterstützung. Zudem gab es 2019 zwei Millionen extra für die Kunstrodelbahn in Bludenz.
Positive Stimmung
Es fällt auf, dass von Österreichs Sportlern kein Jammern zu vernehmen ist. Dabei gäbe es bei diesen Spielen genügend Anlass zu lamentieren: Der extrem eingeschränkte Bewegungsradius aller Beteiligten, die teils absurden Corona-Maßnahmen, die Maskenpflicht, die fehlenden Zuschauer – „wir erleben hier andere Spiele als sonst“, erklärt Peter Mennel. Der Generalsekretär des ÖOC hat mit seinem Team die Sportler in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Workshops auf die speziellen Gegebenheiten in Peking eingeschworen. Nach dem Motto: Wer bereits mit einem negativen Gefühl nach China reist, der hat schon verloren.
Die Stimmung im Team Österreich war von Beginn an sehr positiv. Und mit jeder Medaille wächst die Euphorie. „Wir wollten diese Spiele nie krank jammern“, erklärt Toni Giger, der Sportdirektor des ÖSV. Es sind auch die kleinen Dinge, die bei den Österreichern die olympische Freude erhalten. So hat der ÖSV mehrere Brotbackmaschinen mit nach China genommen, erzählt Giger. „Und wenn jemand von uns in Quarantäne muss, dann kriegt er nicht das chinesische Essen, sondern Verpflegungspakete von uns.“
Kommentare