ÖSV-Präsidentin Stadlober: "Wir brauchen Vorbilder wie Hirscher oder Red Bull Salzburg"
Noch muss sie sich Vergleichen mit ihrem Vorvorgänger stellen. Hätte es Peter Schröcksnadel auch so gemacht? Wo wäre er aufgetaucht, wo hätte er mitgemischt? Roswitha Stadlober will zeigen, dass sie anders ist. Das hört man auch aus ihren Antworten heraus. Seit genau zwei Monaten ist sie als ÖSV-Präsidentin im Amt.
Womit waren Sie in den ersten beiden Monaten am meisten beschäftigt?
Neben Medienanfragen habe ich mich vor allem mit den internen Abläufen beschäftigt. Vieles war mir bekannt nach zehn Jahren als Vizepräsidentin, aber lange nicht alles, nicht in der Tiefe.
Wie verstehen Sie Ihren Job als ÖSV-Präsidentin?
Ein Verein hat eine Führung, ein Präsidium. Diesem steht der Obmann oder die Obfrau vor, das bin in diesem Fall ich. Ich habe eine wesentliche Führungsrolle, aber greife operativ sicher nicht so tief ein, wie man das vielleicht gewohnt war. Selbstverstänglich muss ich Entscheidungen treffen. Ich sehe mich aber vor allem auch als Ansprechpartnerin. Ich will nicht oben stehen und nicht wissen, was unten passiert.
Sie haben ja auch schon strukturelle Änderungen vorgenommen. Warum waren manche Neuerungen so dringend, dass sie gleich passieren mussten?
Mein Vorgänger (Karl Schmidhofer, Anm.), der ja leider nur so kurz im Amt war, hat eine notwendige Strukturreform initiiert, von der schon lange gesprochen wurde. Die Statuten, die in den letzten 30 Jahren immer nur leicht adaptiert wurden, mussten zeitgemäß gemacht werden.
Eine Ihrer ersten Tätigkeiten, war es, Petra Kronberger, die zuletzt Frauenbeauftragte war, ein neues Feld zu übergeben. Warum?
Für mich hat der Titel „Frauenbeauftragte“ nie gepasst.
Was hat Sie daran gestört?
Der Begriff hat nie die Tätigkeit widergespiegelt, er schränkt ein. Das Wort ist nicht mehr zeitgemäß. Wir leben in einer offenen, modernen Gesellschaft.
Das Thema (Macht-)Missbrauch im Sport wurde ab 2017 stark thematisiert. Viele haben den ÖSV für seinen Umgang mit der #MeToo-Debatte kritisiert. Ist das Thema für Sie erledigt?
Es ist ja viel gemacht und aufgearbeitet worden. Auch aus dem ist „Optimal Sports“ (eine Initiative zur Prävention von Missbrauch und Fehlverhalten, Anm.) entstanden – die Abteilung, die Petra Kronberger jetzt leitet. Doch es geht um mehr. Wenn jemand den ÖSV verlässt, muss man auch schauen, wie man diesen Abschnitt gut abschließen kann. Unser Ziel ist, dass diese Personen weiterhin motiviert sind, sich in Vereinen engagieren und damit wichtige Multiplikatoren für den Skisport bleiben.
Sprechen Sie über eine konkrete Person?
Nein, das ist allgemein. Und das betrifft auch nicht nur Frauen oder das MeToo-Thema. Die Feedback-Gespräche betreffen Trainer genauso. Den gesamten ÖSV. Mit Nicola Werdenigg haben wir uns natürlich – virtuell – getroffen. Wir haben das gut und offen ausgesprochen. Das war auch ihr wichtig, glaube ich. Wir haben auch angeboten, ihre Vorschläge bei Bedarf in unser Konzept zu übernehmen.
Das klingt versöhnlich. Wobei es ja bei dem Thema nicht um die Person Werdenigg ging, sondern um ein toxisches Klima im Sport. Was entgegnen Sie jemandem, der sagt, der ÖSV sei ein Macho-Verein?
Erstens, dass eine Frau dem Verein jetzt vorsteht. Zweitens, dass ich als Person das nicht lebe. Für mich ist Diversität ganz wichtig. Wir leben in einer Wertegesellschaft. Das sollte auch ein (Sport-)Verband so leben. Im 21. Jahrhundert ist es mehr als notwendig, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren können und dass bestimmte Themen, Wörter und Gesten keinen Platz haben. Mit unserem Dienstvertrag werden die Werte des ÖSV unterschrieben und die sind auch zu leben. Wir haben die Statuten angepasst, haben einen Ethik-Kodex. Da ist schon sehr viel passiert. Wir öffnen uns, das merken auch die Mitarbeiter, sie freuen sich über die neue Transparenz.
Sie haben viel zu tun, viele Termine. Kommen Sie selber noch auf die Ski?
Ich versuche mir die Zeit zu nehmen, um Langlaufen zu gehen. Ich brauch das auch als Ausgleich.
Kinder finden auch in Österreich immer weniger zum Skisport. Sehen Sie das als eine Ihrer Aufgaben, da gegenzusteuern?
Absolut. Der ÖSV hat sehr bewusst in den letzten Jahren begonnen, Aktionen zu setzen. Auch im Osten. Wir haben etwa mit den Kinderschneetagen ein Aktivierungsprogramm, wo österreichweit Jahr für Jahr tausende Kinder für Bewegung im Schnee begeistert werden, Wir denken auch an Freestyle, das Junge natürlich sehr anspricht. Die Big Air Veranstaltungen werden gut angenommen – wie zuletzt in Chur in der Schweiz. Wir könnten uns so etwas auch für Wien vorstellen.
Sind Sie mit der Stadt Wien da schon in Kontakt?
Kontakt gibt es schon, zunächst muss aber einmal die FIS zustimmen, dass es überhaupt einen Bewerb gibt. Mit Wien gab es immer wieder Überlegungen (Parallelbewerb bei der Gloriette, Langlauf im Stadion). Das ist leider aus verschiedenen Gründen bisher gescheitert. Aber das verfolgen wir weiter. Wien hat ein großes Einzugsgebiet, Big Air einen großen Showcharakter.
Show und Event ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist Nachwuchsarbeit. Da ist gerade im Bereich Freestyle noch viel zu tun.
Das wächst natürlich auch aus Zellen heraus. Es gibt tolle Parks etwa in Flachau, Stubai, St. Anton.
...die aus Initiative der Skigebiete entstehen.
Ja klar. Aber zum Beispiel in Flachau wird ja dann auch immer wieder dort trainiert. Natürlich ist klar, dass der ÖSV nicht alles machen kann. Da komme ich zu den Eltern: An ihnen liegt es, die Kinder zu unterstützen und auch hinzufahren, wenn man nicht die Möglichkeit vor der Haustür hat. Eine andere Möglichkeit sind Vereine, die gute Nachwuchsarbeit leisten. Außerdem braucht es gute Vorbilder. Wie Marcel Hirscher oder jetzt zum Beispiel Red Bull Salzburg.
Also sehen Sie das Vorbilder-Kreieren als eine der Aufgaben des Skiverbandes?
Ja. Dann sehen junge Menschen „da will ich hin“. Viele, die ich frage, wie sie zu der Sportart gefunden haben, sagen entweder über die Eltern, über Vorbilder oder weil sie bei (Groß-)Veranstaltungen den Sport miterleben konnten. Die Schule ist dabei auch nicht zu unterschätzen. Es gibt Kinder in Wien, die ohne Schulskikurs überhaupt nicht auf den Schnee kommen.
Für Eltern ist die finanzielle Hürde allerdings oft entscheidend groß. Skipässe werden jährlich teurer. Wie kann man diese Eltern unterstützen, den Kindern auf die Ski zu verhelfen?
Das ist ein wichtiger Punkt. Übrigens auch bei den Schulskikursen. Da unterstützt der ÖSV zum Beispiel mit einer Versicherung von 1€. Das ist leistbar. Mir ist schon klar, dass es da nur um den Fall des Falles geht, aber das ist auch wichtig. Der Rest liegt bei den Bergbahnen, bei den Gemeinden. Sie können Familien beim Erwerb von Saisonkarten unterstützen. Darauf haben wir keinen Einfluss.
Ihr Vorvorgänger hat sich ja gerne als Visionär bezeichnet. Was ist Ihre Vision? Wo soll der ÖSV 2026 stehen?
Das kann ich bestätigen, Herr Schröcksnadel war sicher ein Visionär. Aber in den 30 Jahren hat sich viel getan, es gab einen Wirtschaftsaufschwung. Vieles hat gut passieren können. Aber natürlich kommt er aus dem Marketing und hat das hervorragend zu nutzen gewusst – und hat uns einen gut bestellten Verband hinterlassen.
Mir persönlich ist die Nachhaltigkeit wichtig. Da können wir uns auch nicht verschließen, auch wenn es schwer ist im Wintersport. Wir haben das bei der Ski-WM in Schladming begonnen, fortgesetzt über Seefeld. Wir arbeiten mit Partnerunternehmen und Sponsoren, die nachhaltig produzieren, beheizen die Zelte mit Pellets, suchen nach alternativen Treibstoffen für Pistenraupen, versuchen alternative Transportmittel einzusetzen. Man sollte sowohl im Kleinen, als auch im Großen denken. Ich persönlich werde im neuen Jahr von Hybrid auf ein eAuto umsteigen. Vielleicht werde ich mehr planen müssen, aber das möchte ich jetzt probieren.
Gletscherrennen und Gletschertrainings werden weiter stattfinden?
Wir ersparen uns durch die Gletschertrainings immerhin viele Flüge. Nach Argentinien, Chile oder Neuseeland. Wir haben Schneedepots auf den Gletschern, die ressourcenschonend sind. Man darf das nicht verteufeln. Aber natürlich ist nach wie vor einiges zu tun.
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