Ex-Skiläuferin spricht von sexuellem Missbrauch

Symbolbild.
Die ehemalige Abfahrerin Nicola Werdenigg erhebt im "Standard"-Interview schwere Vorwürfe.

Die Fälle Harvey Weinstein und Kevin Spacey haben in den vergangenen Wochen nicht nur die USA, sondern die ganze Welt erschüttert. Nicht zuletzt durch den Fall Peter Pilz sind Diskussionen um sexuellen Missbrauch auch hierzulande entfacht worden. Nun sorgt eine Beichte der ehemaligen Skiläuferin Nicola Werdenigg, vormals Spieß, für Aufregung.

Die mittlerweile 59-jährige Tirolerin erhebt in einem Gespräch mit dem Standard schwere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen die in den 70er Jahren Tätigen im heimischen Skisport. Sie selbst sei mit 16 Jahren von einem Mannschaftskollegen vergewaltigt worden, nachdem sie dieser zuvor gemeinsam mit einem weiteren Mann alkoholisiert hatte. Zu dem Vorfall habe sie lange geschwiegen - aus Scham, aber auch weil sie sich selbst die Schuld am Geschehenen gab.

"Man dachte, das sei normal"

Sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch seien damals nichts Ungewöhnliches gewesen. Die Abfahrts-Staatsmeisterin von 1975 erwähnt Übergriffe durch "Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute". So erinnert sie sich etwa an ein Treffen mit dem Vertreter eines Skiherstellers, zu dem es einige Monate vor ihrem Erfolg bei der Staatsmeisterschaft gekommen war. Bei diesem soll sie unangemessen berührt worden sein.

Die sexuellen Übergriffe seien, so Werdenigg, systematisch gewesen. Wer "nicht mitspielen wollte, brachte seinen Startplatz in Gefahr". So sei eine Kollegin beim Sex heimlich gefilmt worden, das Video dann der gesamten Mannschaft vorgespielt worden sein. Die Blamage konnte die junge Frau nicht ertragen, beendete im zarten Alter ihre Karriere. Jeder wusste über solche Vorfälle Bescheid, doch niemand tat etwas dagegen, da "man dachte, das sei normal."

Der Missbrauch hinterließ aber sehr wohl Spuren bei den Opfern. Zahlreiche Rennläuferinnen seien schwer bulimiekrank gewesen. Sie selbst habe sich "angesteckt" und zehn Jahre unter der Essstörung gelitten.

Bereits im Internat wurden "Menschen gebrochen"

Werdenigg geht noch weiter zurück und spricht von grausamen Erlebnissen in einem Tiroler Skiinternat, wo versucht worden sei, "Menschen zu brechen". Unter anderem habe der Heimleiter zur eigenen Befriedigung einen anderen Schüler auf sie angesetzt. Die damals erst 12-jährige Werdenigg habe eine Vergewaltigung mit einem Tritt verhindern können.

Die heute als Diplomskilehrerin und -führerin tätige Werdenigg, die ihre Karriere 1981 beendet hat, glaubt, dass sich das Frauenbild im Skisport nicht wesentlich geändert habe. Sie selbst habe mit den Vorfällen abgeschlossen, müsse aber über das Erlebte sprechen, um "jungen Menschen Kraft zu geben, sich im Fall der Fälle mitzuteilen".

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