Seit Herbst 2021 steht Roswitha Stadlober dem ÖSV als Präsidentin vor. Die 59-Jährige scheint Gefallen an dieser Aufgabe gefunden zu haben. "Wenn man als Frau die einmalige Chance bekommt, dieses Amt zu übernehmen, dann muss man mit Herzblut dabei sein. Ich empfinde diese Tätigkeit als große Ehre und als reizvolle Aufgabe und ich habe auch das Gefühl, dass ich sehr gut in dieses Amt hineingewachsen bin."
Vor dem Start der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in in Courchevel und Meribel sprach Stadlober mit dem KURIER über den Stellenwert des Skisports in Österreich, den Konflikt mit FIS-Boss Elias und ihre Vorbildfunktion.
KURIER: Wie zeit- und arbeitsintensiv ist eigentlich Ihre Tätigkeit?
In einem Verband mit so vielen Sportlern, Betreuern und Mitarbeitern wie dem ÖSV ist eigentlich immer etwas los. Ständig kann irgendetwas Unvorhergesehenes passieren. Das habe ich in der Form so nicht erwartet. Die große Herausforderung ist, dass man dann meist sehr rasch reagieren und Entscheidungen treffen sollte.
Was haben Sie sonst lernen müssen in den vergangenen 18 Monaten?
Dass man genau abwägen muss, was man sagt. Sei es in Interviews, aber auch in internen Gesprächen. Ich habe festgestellt: Das, was ich sage, hat Gewicht und wird gehört. Und daher ist es umso wichtiger, seine Worte mit Bedacht zu wählen. Ich habe nämlich schon festgestellt, dass es viele Reaktionen gibt.
Zum Beispiel?
Ich habe in einem Interview irgendwann einmal irrtümlich von acht Millionen Österreichern gesprochen. Da gibt’s dann gleich einige Mails von Leuten, die mich zurechtweisen, dass in Österreich schon 8,8 Millionen Menschen leben. Es gibt auch Leute, die sich die Mühe machen und jeden Tag eine Nachricht schreiben, wie schlecht doch unsere Skifahrerinnen sind.
An den Reaktionen lässt sich aber auch ablesen, welchen Stellenwert der Skisport in Österreich und welches Standing ein Präsident des Skiverbandes hat.
Mit Sicherheit. Ich glaube, dass man auf mich sogar noch etwas genauer schaut. Weil ich eben die erste Frau in diesem Amt bin. Die Leute beobachten mich: Was macht sie, was sagt sie, was hat sie an.
Die Öffentlichkeit schaut auf Ihre Outfits?
Ich bekam auch schon Reaktionen auf die Haube, die ich zuletzt auf hatte. Ob das wohl eh keine echten Fellhaare sind.
Und sind es denn echte Fellhaare?
Ich kann alle beruhigen: Es ist nur ein Kunstfellbommel. Aber daran erkennt man, wie genau bei mir hingeschaut wird. Als ob wir keine anderen Sorgen hätten. Ich stelle aber schon fest, dass ich von viel mehr Menschen angesprochen werde, seit ich Präsidentin bin.
Wenn man sich das anhört, könnte man meinen, der Skisport wäre in Österreich die wichtigste Nebensache der Welt.
Die Marke ÖSV hat nun einmal eine enorme Strahlkraft. Wir sind der erfolgreichste Sportverband in Österreich. Das ist einfach so. Der ÖFB mag vielleicht mehr Mitglieder haben, aber wir sind die Besten. Und wenn da jetzt eine Frau an der Spitze steht, dann ist das eine andere Wahrnehmung.
Wie viel Macht und Einfluss hat eine ÖSV-Präsidentin?
Es ist beim Skiverband gerade einiges im Umbruch. Wir versuchen den Verband zu modernisieren und bespielen neue Themenfelder. Ich habe den Eindruck, dass die Mitarbeiter froh sind, dass wir neue Wege beschreiten. Das war früher möglicherweise anders. Da hätten manche vielleicht auch schon gerne Veränderungen vorangetrieben. Aber das war halt nicht so einfach, weil es womöglich geheißen hat: Das brauchen wir nicht.
Und wie ist es mit dem Einfluss außerhalb des ÖSV?
Ich merke, dass ich einfach kraft des Amtes ein ganz anderes Gewicht habe. Da gehen natürlich gewisse Türen auf. Und ich stelle auch fest, dass ich gehört werde und Gehör finde.
Sind Sie denn eine gute Diplomatin?
Ob ich diplomatisch bin, weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls schon sehr lange im Geschehen und habe viele Erfahrungen gesammelt. Die lehrreichste Zeit waren mit Sicherheit die fünf Jahre im Salzburger Landtag. Da habe ich sehr vieles auf der gesellschaftspolitischen Ebene mitbekommen.
Erlebt man Sie auch einmal bestimmt und laut?
Da muss mir schon etwas sehr gegen den Strich gehen. Ich bin keine, die gleich explodiert, ich höre und schaue mir alles in Ruhe an. Aber wenn mich etwas stört, dann spreche ich das auch deutlich an. Wenn zum Beispiel etwas ungerecht hergeht oder Entscheidungen getroffen werden, die man nicht nachvollziehen kann.
Das ist ein gutes Stichwort: Der ÖSV befindet sich im Rechtsstreit mit FIS-Präsident Johan Eliasch. Wie sehr beschäftigt Sie das?
Ich sehe diese Angelegenheit wirklich sehr gelassen und emotionslos. Wir haben eine Verantwortung gegenüber dem Verband bis hinunter zu den Vereinen. Und wenn uns so jemand wie der Herr Eliasch an die Wand fahren will, dann werden wir uns wehren.
Wie kann man sich Ihr Verhältnis zum FIS-Präsidenten vorstellen? Es gibt kein Verhältnis. Wir grüßen uns, aber wir haben uns nichts zu sagen. Eigentlich ist das kein Zustand, man kann ja sehr wohl etwas juridisch ausfechten und daneben trotzdem miteinander reden. Das wäre für mich ein professioneller Zugang. Aber was soll ich mich groß aufregen. Der Herr Präsident hat auch zu den anderen Verbänden kaum einen Zugang.
Welches Bild gibt Ihrer Meinung nach der Ski-Weltcup ab? Es herrscht augenscheinlich eine große Diskrepanz zwischen Rennen in Österreich und der Schweiz und anderen Destinationen.
Das Schöne ist, dass diese Premium-Produkte des Wintersports auch eigenständig leben können. Und genau dieses Zeichen sollte die FIS ja auch erkennen. In Lake Louise wird vor 50 Zuschauern gefahren, daneben sieht man die Skifeste in Österreich und in der Schweiz – das ist wie Tag und Nacht. Der Wintersport funktioniert in unseren Alpenländern, aber dann wird es leider schon dürftig. Diese Euphorie gibt es sonst nur mehr am Holmenkollen bei den Nordischen und beim Biathlon. Wichtig ist auch, dass man entsprechende Vorbilder und Athleten hat.
Apropos Athleten: Welche Medaillenvorgabe gibt’s von Ihnen für die Ski-WM?
6 bis 8 Medaillen war immer die Standardantwort, ich habe das jetzt aber reduziert auf 4 bis 6 Medaillen. So realistisch muss man in diesem Winter sein. Wobei ich sehr wohl optimistisch bin, die Leistungen sind nicht so schlecht.
Woran liegt es dann? Glauben Sie, dass Läufer in der Skination Österreich einem größeren Druck ausgesetzt sind?
Davon bin ich überzeugt. Und das liegt auch in der Natur der Sache, weil der Skisport in Österreich eben diesen hohen Stellenwert hat. Zugleich denke ich, dass sich unsere Sportler selbst einen sehr großen Druck machen. Diesen Eindruck hatte ich gerade bei den Heimrennen zuletzt in Kitzbühel und Schladming.
Sind Sie eine Präsidentin, die die Nähe zu den Athleten sucht?
Ich versuche schon, sehr nah dran zu sein und mich mit den Sportlern auszutauschen. Vor allem mit den Skiläuferinnen habe ich zuletzt viele Gespräch geführt.
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie mit Ihnen offen reden?
Diesen Eindruck hatte ich schon. Mit wem sollten sie sonst offen reden können, wenn nicht mit mir? Ich bin eine Frau, ich bin keine Trainerin, war aber selbst Rennläuferin und kann mich gut in die Situation versetzen. Und ich habe die Möglichkeit, einzuwirken und Sachen zu lenken. Vielleicht würden sie gewisse Sachen, die sie mir erzählen, einem Trainer in dieser Direktheit nicht sagen. Für so was bin ich auch ja da, da sehe ich meine Verantwortung: Dass ich vorne stehe und ihnen den Rücken freihalte.
Gibt es sonst noch Situationen, in denen es ein Vorteil ist, eine Präsidentin zu sein?
Ich glaube, dass die Gesprächskultur eine andere ist. Es herrscht mit Sicherheit ein anderer Umgangston. Ansonsten ist es im Prinzip egal, ob ein Mann oder eine Frau den Verband führt. Wichtig sind immer Eigenschaften wie Empathie und Authentizität, und man muss Entscheidungen treffen, wenn sie notwendig sind.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie von einigen unterschätzt worden sind?
Das glaube ich schon.
Woran machen Sie das fest?
Ich hatte beim Skiverband in Wahrheit nie die Möglichkeit, zu zeigen, was ich kann. Unter Peter Schröcksnadel war die Rolle der Vizepräsidenten eine andere. Da war man nicht dazu da, Entscheidungen zu treffen oder große Verantwortung zu übernehmen. Das war nett, aber nicht mehr. Deswegen wollte ich ja auch aufhören, weil ich mich nicht beweisen konnte.
Sehen Sie Sich als Vorbild für andere Sportverbände?
Die Frauen sind im Sport mit Sicherheit unterrepräsentiert. Deshalb glaube ich, dass ich in gewisser Weise ein Role Model bin und es eine Signalwirkung hat, dass ich ÖSV-Präsidentin bin. So nach dem Motto: Man kann auch als normale Frau, so eine Position bekleiden und eine Führungsrolle übernehmen. Ich habe keine Millionen, ich bin keine Unternehmerin, aber ich bin mit Leidenschaft dabei. Das ist das Zeichen nach Außen: Wenn man etwas erreichen will, dann kann man das schaffen.
Das klingt sehr danach, als hätten Sie Lust auf eine zweite Amtszeit.
Das entscheiden andere. Natürlich möchte ich gerne länger in diesem Amt bleiben. Mir ist aber bewusst, dass die Zeit begrenzt ist. Es ist heute sicher nicht mehr zeitgemäß, dass jemand so lange am Führungsstuhl sitzt wie Peter Schröcksnadel.
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