Am Donnerstag beginnt bei der Nordischen WM in Oberstdorf die Medaillenjagd. Es gab Jahre, da sammelten die österreichischen Skispringer und Kombinierer deutlich mehr Medaillen als die Alpinen. Diesmal werden die Nordischen wohl nicht mit den Skifahrer-Kollegen mithalten können, die in Cortina gerade groß abgeräumt haben.
Vor allem die österreichischen Springer waren zuletzt nicht auf der Höhe. In der gesamten Saison reichte es im Einzel nur zu drei Podestplätzen. „Wir wissen, dass wir grundsätzlich mit den Besten mitspringen und mithalten können, aber es wird einen optimalen Sprungverlauf und das nötige Glück brauchen, damit es funktioniert“, sagt Mario Stecher, der Nordische Direktor des ÖSV.
KURIER: Die Erwartungshaltung war vor einer WM auch schon einmal höher.
Mario Stecher: Bei den Skispringern kann man das Wort Wundertüte in den Mund nehmen. Es kann nach ganz vorne reichen, aber an einem anderen Tag kann auch nur ein 15. Platz herausschauen.
Die WM-Starter wurden zuletzt sogar aus dem Weltcup genommen. War das ein letzter Schachzug, um noch in Form zu kommen?
Das macht sicher nicht jede Mannschaft. Aber in unserer Situation war das absolut nachvollziehbar: erstens, weil die Leistungen nicht so waren, wie wir es uns gewünscht hatten. Und zweitens, weil kein Springer von uns im Gesamtweltcup eine Rolle spielt.
Welchen Effekt erhoffen Sie sich durch diese ungewöhnliche Maßnahme?
Ich hoffe und glaube, dass wir jetzt wieder stabiler sind und uns durch den letzten Trainingskurs besser regeneriert haben, vor allem mental. Es ist auf keinen Fall einfach, hier Medaillen zu erringen. Aber es ist sehr wohl realistisch, dass wir um die Medaillen mitspringen. Dass wir Chancen haben, hat man zum Beispiel in den Teamspringen gesehen, da haben wir heuer immerhin zwei gewonnen. Es ist vieles möglich, ich glaube und hoffe, dass wir mit der nötigen Frische zu den Besten aufschließen können und auf Augenhöhe sind.
Augenscheinlich war die fehlende Konstanz der österreichischen Springer. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Wir hatten vom ersten Wochenende an immer wieder Tiefschläge zu verdauen. Wir haben uns gefreut, weil wir mit einem Sieg im Teamspringen in die Saison gestartet sind – und dann hat uns Corona schneidig erwischt.
Praktisch alle Springer der Nationalmannschaft samt Trainer Andreas Widhölzl waren infiziert.
Und das hat auch bei allen Spuren hinterlassen. Ich will das auf keinen Fall als Ausrede verwenden, aber es lässt sich bei vielen Leuten beobachten, die eine Corona-Erkrankung erwischt hat: Die kommen zwar stark zurück, so wie Michael Hayböck bei der Skiflug-WM, aber dann geht es sukzessive bergab. Ich glaube, dass Corona ein Faktor war für die wechselhaften Leistungen. Es war bisher ein sehr schwieriges Jahr, wir müssen hier bei der WM das Ruder herumreißen.
Zumindest haben die ÖSV-Skispringerinnen in diesem Winter schon einige Erfolge gefeiert.
Da gehören wir definitiv zu den Favoriten dazu. Aber auch da haben sich die Kräfteverhältnisse ein bisschen verschoben. Vor sechs, sieben Monaten war das österreichische Team das Nonplusultra, und man hat geglaubt, wir werden alles zerreißen. Wenn man die jüngste Vergangenheit anschaut, dann haben Norwegen und Slowenen zu uns aufgeschlossen.
Die Frauen springen erstmals bei einer WM auch auf der Großschanze. Der richtige Schritt?
Die Großschanze ist völlig zu Recht ins WM-Programm aufgenommen worden. Das Niveau ist inzwischen dermaßen hoch, dass das überhaupt kein Problem ist. Ich bin jetzt trotzdem keiner, der die Frauen gleich zum Skifliegen schicken würde. Da muss man schon aufpassen und behutsam herangehen. Das wird noch einige Zeit dauern.
Auch die Kombinierer fallen in Ihren Verantwortungsbereich: Was kann bzw. darf man von ihnen erwarten?
Wenn man der ÖSV ist und weiß, wie viel Geld in den Sport investiert wird, dann müssen Teammedaillen unser Anspruch sein. Natürlich haben wir Ausfälle. Uns fehlen in Wahrheit mit Franz-Josef Rehrl und Bernhard Gruber unsere stärksten Leute. Klar, Gruber hat schon ein gewisses Alter, aber er war bis zuletzt mit unser Bester.
Gruber bekam nach seinem Comeback wegen akuter Herzprobleme zwei weitere Stents eingesetzt. Wie sehr ging Ihnen das nahe?
Für mich war’s ein großer Schock. Erst haben wir uns noch alle megamäßig über seine Wahnsinnsleistung gefreut, und drei Stunden später kriege ich den Anruf, dass der Berni gerade in das Krankenhaus eingeliefert worden ist. Das war wirklich zach. Ich bin jetzt noch froh, dass wir eine Ärztin dabeihatten.
Eigentlich haben die Ärzte von Anfang an gesagt, dass er nie mehr die Freigabe für den Spitzensport kriegen wird. Es war für alle überraschend, dass er sie dann doch erhalten hat. Für uns als Verband war damit klar: Okay, der Mensch ist gesund, also darf er den Sport ausüben.
Sind dem Verband da auch die Hände gebunden?
Wir sind davon ausgegangen, dass alles passt. Und natürlich ist man dann perplex, wenn das wieder passiert. Aber eines ist auch klar: Wir müssen uns bei solchen Sachen an die Experten halten. Und wenn ein Arzt grünes Licht gibt und sagt, das ist medizinisch vertretbar und der Athlet ist für den Spitzensport tauglich, dann können wir als Verband nicht einfach Nein sagen: Wir würden ihn an der Ausübung seines Berufs hindern, das könnte uns sogar eine Klage einbringen. Das steht uns nicht zu.
Kommentare