ÖSV-Bilanz: Über WM-Star Liensberger und eine verrückte Wette
Cortina war für Anton Giger, 57, die erste WM als ÖSV-Sportdirektor. 2019 trat der Salzburger die Nachfolge von Hans Pum an und ist seither beim Skiverband der Verantwortliche für sämtliche olympische Sportarten.
KURIER: Wenn Ihnen vor der WM wer gesagt hätte, dass Österreich fünf Goldmedaillen gewinnen würde, dann ...
Anton Giger: Es gibt ja immer eine Innen- und eine Außensicht. Mit den Rennen, die wir in diesem Winter hatten, wird man nach außen immer etwas vorsichtiger sein. Aber natürlich sucht man immer Wege, wie es möglich sein könnte, Medaillen zu machen. Und wenn wir nicht daran glauben würden, wären wir alle miteinander fehl am Platz. Ich habe ja eine wahnwitzige Wette gemacht.
Nämlich?
Ich habe darauf gewettet, dass wir im Riesentorlauf bei den Damen wie bei den Herren eine Medaille machen. Und jetzt habe ich eine Flasche Champagner gewonnen.
Wobei wahrscheinlich nicht viele auf Medaillen in der österreichischen Problemdisziplin Riesentorlauf gesetzt hätten.
Wir sind zusammengesessen und alle haben gesagt: ,Da wird nichts gehen im Riesentorlauf.’ Meine Antwort war: Wenn wir das von Haus aus aufgeben, dann wird es sicher nichts werden. Also müssen wir uns überlegen, was wir tun können, damit wir vielleicht doch eine Medaille holen. Sieht man das nicht so, braucht man ja gar nicht anzutreten. Die zwei Riesentorlauf-Medaillen sind superschön, aber das darf die Probleme nicht zudecken. Wir müssen mittelfristig da richtig dahinter sein, damit der Riesentorlauf wieder eine Basisdisziplin wird.
Endstand nach 13 Bewerben (Gold/Silber/Bronze)
- Österreich 5/1/2
- Schweiz 3/1/5
- Frankreich 2/1/2
- Norwegen 2/0/1
- USA 1/1/2
Das war Ihre erste WM als Sportdirektor. Wie fällt sonst Ihr Fazit aus?
Bei einer WM hast du im Zeitraffer alles: organisatorische Dinge, die Abstimmung Damen und Herren, Training – das hat super funktioniert, darauf bin ich richtig stolz. Die Schweizer waren die Favoriten auf den Sieg im Medaillenspiegel, dass es hier so geschmiert läuft, hängt sicher auch damit zusammen, dass wir so eine tolle Stimmung im Team haben. Wir haben gezeigt, dass wir ein Team sind. Ein Team Damen und Herren zusammen.
Warum betonen Sie das so?
Weil uns das wichtig ist, dass wir als Mannschaft auftreten. Wenn eine Medaille geholt wird, dann ist die nicht für die Damen oder die Herren, sondern für Österreich. Wir fahren füreinander. Das war vielleicht nicht immer so bewusst, dass man darauf mehr Wert legen sollte. Ich nenne nur ein Beispiel: Matthias Mayer.
Was ist mit ihm?
Ein Typ wie Matthias Mayer ist in dieser Hinsicht ein Traum. Denn er hält die Mannschaft zusammen, das ist ihm extrem viel wert. Sein Kollege gewinnt hier und er steht bei der Siegerehrung und freut sich richtig mit. Ich will das nicht mit früher vergleichen, aber dieser Teamgedanke ist bei dieser WM irrsinnig zu spüren. Und das hat sicher auch dafür gesorgt, dass die ersten Herren-Medaillen auch unser Damenteam gestärkt haben.
Es heißt, das ÖSV-Team habe auch auf dem Materialsektor einen Trumpf.
Was das ist, das darf man nicht sagen. Wir sind zufrieden und glücklich. Nur so viel: Großes Lob an Edi Unterberger (Ex-Servicemann von Marcel Hirscher, Anm.). Er hat sich da was überlegt, und es hat funktioniert.
Die Entwicklung von Katharina Liensberger ist nicht selbstverständlich, wenn man sich ihren Streit mit dem ÖSV im Herbst 2019 in Erinnerung ruft.
Auf die Diskussionen, die wir damals hatten, will ich gar nicht mehr eingehen. Ich habe mich damals intensiv beschäftigt, auch im klaren Bewusstsein, dass das mit ihrer Hartnäckigkeit ja gut ist. Weil sie auch im Training so hartnäckig ist. Und das ist was wert, wenn eine starke Persönlichkeit da ist.
Auch wenn es nicht immer einfach ist?
Das ist egal. Einfache Sachen können eh alle machen.
Für Sie geht es gleich weiter zur Nordischen WM nach Oberstdorf. Wie schwer fällt die Umstellung?
Gar nicht schwer. Es hat ja parallel jetzt auch die Biathlon-Weltmeisterschaft gegeben. Da waren jeden Tag mehrere Telefonate zu führen mit unseren Verantwortlichen. Ich finde den nordischen Bereich überhaupt sehr interessant, in den zehn Jahren, in denen ich unsere Entwicklungsabteilung leitete, habe ich sehr viel gelernt. Davon profitieren auch unsere Alpinen. Es macht grundsätzlich Spaß momentan.
Sie sprechen wahrscheinlich die Entwicklung von Biathletin Lisa Hauser an, die am Sonntag für das erste WM-Gold einer Österreicherin gesorgt hat.
Als Trainer hast du immer im Kopf, was letztlich bei einer guten Entwicklung rauskommen kann. Man ist dann nicht verblüfft, wenn es passiert, sondern sagt: Es ist aufgegangen, was wir geplant haben. Wir haben für jeden Athleten eine Vision.
Was war die Vision bei Lisa Hauser?
Wir sind letztes Frühjahr zusammengesessen und haben evaluiert, wo bei ihr das meiste Potenzial ist. Dann setzt man Maßnahmen und weiß, wenn man die trifft, dann geht es aufs Podest. Das ist die Denkweise, die ich auch von meinen Mitarbeitern einfordere. Dieses Schubladisieren – der wird ja eh nur gut für die Plätze fünf bis zehn – das brauchen wir nicht. Alle unsere Sportler haben Potenzial, bei manchen ist es halt noch nicht aktiviert. Also: Analysieren, Maßnahmen treffen und schauen, dass man es hinbringt.
Apropos hinbringen. Skispringer Gregor Schlierenzauer verpasst zum zweiten Mal in Folge die Nordische Weltmeisterschaft und wird auch in Oberstdorf fehlen. Wo geht seine Reise hin?
Keine Frage, das ist für ihn eine schwierige Situation. Natürlich hat der Gregor die Möglichkeit, wieder zurückzukommen. Wir haben bei vielen großen Sportlern gesehen, dass sie ein Tief haben, das manchmal lange andauert – ich denke da nur an Stephan Eberharter oder auch Franz Klammer. Gregor Schlierenzauer ist ein großartiger Sportler. Es wird an ihm liegen, die Motivation zu finden und noch einen Anlauf zu nehmen. Das ist der Punkt. Das Zeug hat er, das hat er bewiesen.
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