Liensberger, Schwarz und Co.: Eine einmalige Ski-WM für den ÖSV

Die stolze Ausbeute von US-Rennläuferin Mikaela Shiffrin
Mit dem Herren-Slalom geht in Cortina der alpine Höhepunkt zu Ende. Österreichs Team überzeugte. Eine Bilanz.

Die WM in Cortina d’Ampezzo ist zwar noch nicht Schnee von gestern, doch schon vor dem letzten Bewerb steht fest: Die österreichischen Skifahrer haben mit ihrer Medaillenausbeute die Erwartungen übertroffen und Rang eins im Medaillenspiegel eingefahren. Wer fiel in Cortina besonders auf und wer unten durch? Wer trat positiv in Erscheinung? Was war negativ? Der KURIER zieht Bilanz.

  • PLUS: Katharina Liensberger

Gerade einmal 23 Jahre jung und schon ein Star im Skizirkus. Mit zwei Mal Gold (Slalom, Parallelbewerb) und Bronze im Riesenslalom war die Vorarlbergerin – neben Lara Gut-Behrami (SUI) – die erfolgreichste Athletin in Cortina.

  • PLUS: Marco Schwarz

Ein richtiges Rennpferd. So nennt ÖSV-Alpinchef Patrick Riml den Kärntner, der es schafft, am Tag X regelmäßig eins A zu sein. Bereits von der WM 2019 in Åre war der Allrounder mit drei Medaillen heimgereist, in Cortina hat er mit Kombi-Gold und Bronze im Riesentorlauf den Auftrag seines Trainers Marko Pfeifer erfüllt, der ihm gesagt hatte. „Bei der Heimfahrt muss es um deinen Hals klimpern.“

  • PLUS: Riesentorlauf

Da soll noch jemand behaupten, der Riesentorlauf wäre die Achillesferse des ÖSV. Ausgerechnet in der schwächsten Disziplin präsentierten sich die Österreicher bärenstark und holten durch Liensberger und Schwarz zwei Bronzemedaillen, mit denen kaum jemand gerechnet hatte.

  • PLUS: Lara Gut-Behrami

Der erste WM-Titel ihrer Karriere verlieh der Tessinerin Flügel. Dem Triumph im Super-G ließ die 29-Jährige noch Bronze in der Abfahrt und die Goldmedaille im Riesentorlauf folgen. Selten hat man die oft mürrische Gut-Behrami so gelöst erlebt wie nach der Siegesfahrt im RTL.

  • PLUS: Vincent Kriechmayr

Man darf den Speedkönig von Cortina nun in einem Atemzug mit dem großen Hermann Maier (1999) und dem legendären Bode Miller (2005) erwähnen. Der Oberösterreicher ist erst der dritte Läufer, der bei einer WM Abfahrt und Super-G (siehe Video oben) gewinnen konnten.

  • PLUS: Romed Baumann

Beim ÖSV war der Tiroler 2019 aussortiert worden und musste sich in den sozialen Netzwerken immer wieder Hohn und Spott gefallen lassen. Beim Deutschen Skiverband erfuhr der Familienvater die Wertschätzung, die er in Österreich vermisst hatte und erlebt in diesem Winter einen zweiten Frühling. Die Silbermedaille im Super-G entschädigt für die schwierigen Jahre und wird Baumann auch über seinen wilden Sturz in der Abfahrt hinwegsehen lassen.

  • PLUS: Kristian Ghedina

Kann es tatsächlich nur einen Kristian Ghedina geben? Der berühmteste Sohn von Cortina war bei dieser Weltmeisterschaft allgegenwärtig, ließ sich aber den Stress niemals anmerken, sondern versprühte zwei Wochen lang gute Laune.

  • PLUS: Die Friseure

Die Wandlung, die viele Journalisten während dieser zwei Wochen genommen haben, war nicht zu übersehen. Als Haarlekins mit voller Lockdown-Mähne waren sie nach Cortina gekommen, mit adrettem Haarschnitt reisten sie wieder ab. Viele ließen während der WM Haare.

  • PLUS: Die Atmosphäre

Die Veranstalter, vor allem aber auch die Cortineser, haben sich eine Goldmedaille verdient, wie sie trotz aller Wirren in diesen Pandemie-Zeiten die WM über die Bühne gebracht haben. Für jedes Problem gab es eine Lösung, nie brach Hektik aus, die wenigen Gäste waren König. Diese Atmosphäre macht Lust auf die Winterspiele 2026, bei denen Cortina Schauplatz einiger Bewerbe sein wird.

  • MINUS: Der Parallelbewerb

Das Prestigeprojekt der FIS war an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Die WM-Premiere war nicht nur unfair, da einer der beiden Kurse deutlich langsamer war, wie jeder Ski-Laie mit freiem Auge erkennen konnte. Die Jury und die Verantwortlichen für die Zeitnehmung kannten offenbar auch die Regeln nicht und kamen erst eine halbe Stunde nach dem Finale auf Intervention des ÖSV darauf, dass Katharina Liensberger ebenfalls Gold gebührt. Manuel Feller: „Das war ein Witz.“

  • MINUS: Die Stimmung

Die riesige, aber verwaiste Stahlrohrtribüne im Ziel der Tofana stimmte wehmütig. Was wäre das erst für ein tolles Skifest gewesen, wenn der übliche Klangteppich aus Kuhglocken, Applaus und Jubelschreien hätte ausgerollt werden dürfen. Die Hoffnung bleibt, dass die WM in Cortina die erste und zugleich letzte WM ohne Publikum war.

  • MINUS: Federica Brignone

Die amtierende Gesamtweltcupsiegerin und Alleskönnerin ging in Cortina leer aus. Im Riesentorlauf kam sie nicht ins Ziel, in der Kombination schied sie als Halbzeitführende aus. Es war ein Flop mit Ansage: In den Wochen vor der WM hatte sich Brignone pausenlos über die fehlenden Fans und die schlechte WM-Stimmung beklagt. Wer mit so einer negativen Einstellung zu einem Großereignis reist, darf sich nicht wundern, wenn es dort kein gutes Ende nimmt.

  • MINUS: Covid-Tests

Die Corona-Tests waren fast schon ein lieb gewonnenes Ritual wie der tägliche Cappuccino in der Früh. Rund um die WM wurde dem Autor dieser Zeilen sieben Mal in der Nase oder im Rachen herumgestochert – das Ergebnis ... stets negativ.

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