ÖSV-Direktor Stecher: "Ein Rennpferd wie Kraft ist nur schwer einzufangen"
Die 69. Vierschanzentournee wird wohl keinen österreichischen Sieger bringen. Dafür ist der Rückstand des besten ÖSV-Springers zur Halbzeit bereits viel zu groß. Und dafür präsentiert sich die Konkurrenz aus Norwegen, Polen und Deutschland gerade viel zu souverän.
Welche Eindrücke hat der Nordische Direktor des ÖSV, Mario Stecher, bei dieser Tournee gewonnen?
Wie fällt Ihr Halbzeit-Fazit aus?
Wir müssen gar nicht lang herumdiskutieren: Wir sind zwar nicht als Favoriten in die Tournee gestartet, aber wir hätten uns schon gedacht, dass wir um das Podium mitkämpfen können. Man sieht zwar Ansätze, dass es für ganz vorne reicht, aber unseren Leuten fehlt im entscheidenden Moment einfach die Konstanz.
Woran kann das liegen?
Man merkt halt, dass dem Großteil unserer Mannschaft die Wettkämpfe abgehen. Die können dann gerade im Wettkampf oft nicht die nötige Lockerheit und Sicherheit entfalten, die aber wichtig sind, um gewinnen zu können. Da haben wir im Augenblick einige Probleme, und das erklärt auch, warum wir nur Philipp Aschenwald unter den ersten zehn haben.
Also haben die Corona-Infektionen die österreichischen Springer doch mehr aus der Bahn geworfen als gedacht.
Ich will mich jetzt nicht auf das Coronavirus hinausreden, aber natürlich hat das unsere Abläufe gestört. Das Wichtigste ist, dass wir den Fokus wieder auf das Skispringen legen. Dann können wir auch wieder befreit aufspringen. Aber die Siege lassen sich nicht erzwingen, die müssen passieren.
Wie schwierig waren die turbulenten Wochen, als ein Springer nach dem anderen an Covid-19 erkrankte, für Sie als Sportdirektor?
Es war auf jeden Fall sehr fordernd und für uns alle eine Ausnahmesituation. Aus heutiger Sicht war es sicher der richtige Weg, teilweise die gesamte Mannschaft aus dem Weltcup zu nehmen. Der Aufwand war brutal, auch finanziell, wenn ich nur daran denke, dass wir unsere Leute aus Russland ausfliegen mussten. Aber das ist halt der Österreichische Skiverband, das sucht Seinesgleichen.
Themenwechsel: Haben Sie eine Erklärung für Stefan Krafts neuerlichen Absturz in Garmisch?
Das ist halt er. Andererseits sieht man daran, warum er so gut ist. Er ist eben durch und durch ein Rennpferd – und so ein Rennpferd ist nur schwer einzufangen. Wenn er wie in Garmisch nach einem etwas schlechteren ersten Durchgang noch ein Schäuferl zulegen will, dann macht er halt gerne ein bisschen zu viel und das endet dann eben so.
Er ist zweifacher Gesamtweltcupsieger, Doppelweltmeister und Skiflug-Weltrekordhalter. Was zeichnet Stefan Kraft in Ihren Augen aus?
Er hat skispringerisch einfach eine extrem gute Basis, und davon kann er zehren. Deshalb ist er so konstant und hat seit Jahren nur wenige Ups and Downs.
Am Bergisel kehrt auch Gregor Schlierenzauer wieder ins Team zurück. Sein letzter Sieg ist inzwischen sechs Jahre her. Trauen Sie ihm zu, dass er wieder gewinnt?
Wenn wir nicht an den Gregor und seine nach wie vor unbestrittene Leistungsfähigkeit glauben würden, dann bräuchte er eh nicht weiterspringen. Er kann das absolut noch einmal schaffen, aber dafür muss er halt bei sich selbst ansetzen. Es geht nur um ihn, das muss er sich eingestehen. Wenn ihm das gelingt, ist er für ganz vorne wieder ein Thema.
Während dieser Tournee gab es auch Forderungen einiger Skispringerinnen, bei der Tournee mitzuspringen. Was halten Sie davon?
Ich glaube, wir tun uns nichts Gutes, wenn wir das Damenskispringen mit dem Herrenskispringen vergleichen. Ich gebe zu bedenken, dass die Frauen bei der Tournee möglicherweise nur ein Beiwagerl sind und öffentlich als zweite Wahl untergehen. Viel geschickter wäre es doch, wenn sie eine eigenständige Tournee mit eigenen Orten haben. Da wäre dann die Aufmerksamkeit für sie sicher viel größer.
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