ÖSV-Chefin: "Wer sich nicht impfen lässt, fährt nicht zu Olympia"
Roswitha Stadlober hat gerade viel um die Ohren. Da ein Termin mit dem FIS-Präsidenten, dort ein Small-Talk mit dem Seilbahnchef, dazwischen nahm die neue ÖSV-Präsidentin auch noch eine Video-Grußbotschaft auf.
„Da ich unsere Athletinnen und Athleten vor der Saison nicht mehr persönlich treffen konnte, war es mir wichtig, ihnen eine persönliche Nachricht zu senden. Ich habe ihnen gute Wünsche für die anstehende Saison gesendet und meine Hoffnung ausgedrückt, dass sie ihre Ziele erreichen und gesund bleiben.“
KURIER: Sind Sie eine Präsidentin zum Anfassen?
Roswitha Stadlober: Das bin ich. Ich throne sicher nicht hoch oben. Unsere Sportler und Mitarbeiter sollen wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Aus meiner Erfahrung weiß ich, welche Bedürfnisse vor allem die Sportler haben. Das ist in so einer Position wichtig. Man muss wissen, was an der Basis los ist, damit man im Verband die richtigen Entscheidungen trifft.
Wenn Ihnen im Frühjahr jemand gesagt hätte, dass Sie als ÖSV-Präsidentin zum Weltcupauftakt nach Sölden kommen, dann ...
... dann hätte ich geantwortet, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass man mich dort antreffen wird. Eigentlich wollte ich ja als Vizepräsidentin aufhören, aber wie’s oft ist im Leben: Die Wege haben sich anders entwickelt. Und manchmal ergeben sich Chancen, die man nur einmal bekommt. Mir war klar: Jetzt hast du die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Und wenn du es jetzt nicht machst, dann nie mehr. Dann muss man zugreifen und als Frau auch sagen: Ja, das traue ich mir zu. Wobei ich eines betonen will.
Was denn?
Dass wir uns als Management-Team aufgestellt haben. Die Verantwortung wird von mehreren Schultern getragen. Anders geht das auch nicht. Der ÖSV hat mehr als 300 Mitarbeiter, den kann man nicht allein leiten. Und so wie’s vorher war, das bin ich nicht. Das ist auch nicht mehr zeitgemäß.
Das öffentliche Echo war nach Ihrer Bestellung riesig, fast bizarr. Ist es hierzulande immer noch so ungewöhnlich, dass eine Frau eine Führungsposition bekleidet?
Es ist einfach so, dass 31 Jahre Peter Schröcksnadel den Verband geführt hat. Mit seiner Persönlichkeit und seiner Art. Und ich glaube, dass genau das jetzt der große Schnitt ist. Dass eben manche sagen: Auf das eine Extrem folgt nun das andere – nämlich eine Frau. Offenbar hat man sich das nicht vorstellen können, dass das auch eine Frau macht.
Wie fallen die Reaktionen auf Ihre Bestellung aus?
Ich habe durch die Bank positive Rückmeldungen bekommen. Am Freitag war ich auf dem Gletscher und der Tenor war: Warum erst jetzt eine Frau, warum nicht schon früher? Ich finde, das ist ein schönes Kompliment. Ich denke, dass der Skiverband in dieser Hinsicht eine Vorbildwirkung haben kann. Es ist auch mein Ziel, dass der ÖSV weiblicher wird.
In welchen Bereichen?
Wenn man das Innenleben des Skiverbandes hernimmt, dann arbeiten in der Verwaltung schon sehr viele Frauen. Auch in Leitungspositionen. Im Sport ist es etwas schwieriger, eine höhere Frauenquote zu erreichen. Man muss in dieser Männerwelt auch erst einmal bestehen. Aber was spricht gegen eine Frau in der sportlichen Leitung? In dieser Hinsicht ist sicher noch einiges zu tun. Aber ich werde jede Frau unterstützen, die so einen Weg einschlagen will und die die nötigen Fähigkeiten mitbringt.
Welche Herausforderungen warten sonst noch in den nächsten Jahren?
Nachhaltigkeit wird mit Sicherheit ein zentrales Thema. In allen Bereichen unseres Lebens. Da hat natürlich der ÖSV eine Vorbildfunktion und das erwarten auch die Sponsoren von uns. Eine große Herausforderung ist aber auch, Nachwuchs für den Skisport zu gewinnen.
Hat der ÖSV denn ein Nachwuchsproblem?
Das sehe ich schon so. Wir merken die Rückgänge in den Sportschulen, wir können nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Auch nicht im Flaggschiff Ski alpin. Tatsache ist, dass wir den Breitensport forcieren müssen.
Klingt nach vielen Herausforderungen und einem zeitintensiven Job.
Es ist intensiv, aber ich bin in einem Alter, in dem ich mein Zeitmanagement sehr gut im Griff habe. Und ich mache diese Arbeit einfach gerne. Ich werde natürlich alle Rennen in Österreich besuchen, immer wieder Zeit im Büro in Innsbruck verbringen. Man kann schon sagen: Das ist schon ein ehrenamtlicher Vollzeitjob.
Ist das Ehrenamt noch zeitgemäß?
Mittelfristig muss man sich darüber sicher Gedanken machen. Man muss schauen, ob die Zeit wirklich schon reif ist. Eines darf man nicht vergessen: Das Ehrenamt zieht sich bis ganz hinunter, bis zu den Vereinen. Wenn man dann einen geschäftsführenden Präsidenten an der Spitze hat und in den Landesverbänden bleibt aber weiter das Ehrenamt, dann wird das schwierig zu erklären sein.
Die Olympischen Winterspiele finden in Peking statt. Wie stehen Sie den Spielen in China gegenüber?
Ich sehe es schon eher kritisch, wenngleich die olympische Familie froh sein muss, dass man überhaupt Winterspiele austragen kann. Weil es keine anderen Austragungsorte mehr gibt. Da muss sich die olympische Bewegung etwas überlegen: Wie kann man Olympische Winterspiele wieder so attraktiv gestalten, dass sie auch in der Bevölkerung ankommen. Grundsätzlich ist es aber schon gut, wenn neue Märkte erschlossen werden.
Abschließend das leidige Thema Corona: Nicht alle ÖSV-Athleten sind geimpft. Werden Sie da einwirken?
Wir haben im Österreichischen Skiverband im Hochleistungssport eine Impfquote von mehr als 90 Prozent. Ich will niemanden zu etwas verpflichten, man kann eigentlich nur sensibilisieren, Empfehlungen aussprechen und die möglichen Konsequenzen aufzeigen. Und das heißt zum Beispiel bei Olympia: Wenn jemand ungeimpft nach China will, dann muss er drei Wochen in Quarantäne.
Das kann man doch niemandem zumuten.
Das geht überhaupt nicht. Und das können wir auch nicht verantworten, dass jemand von unseren Athleten dort drei Wochen in Quarantäne ist. Das ist psychisch nicht tragbar. Und deshalb muss jedem bewusst sein, was es heißt, wenn er sich nicht impfen lässt. Dann fährt er nicht zu Olympia. Diese Entscheidung muss dann jeder selbst für sich treffen und auch verantworten.
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