Johannes Lamparter: "Mit dem Erfolg ist es wie mit Schokolade"
Mit seinen 22 Jahren ist Johannes Lamparter bereits einer der besten Nordischen Kombinierer der Geschichte. 2021 wurde der Tiroler Doppelweltmeister, im vergangenen Winter gewann er den Gesamtweltcup und startet deshalb am Freitag in Ruka (Finnland) im Gelben Trikot in die Saison.
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Hinter Lamparter liegt zur Abwechslung einmal ein Sommer ohne Hindernisse. Vor zwei Jahren wurde er durch eine Blinddarm-OP und einen Holzsplitter im Auge aus der Bahn geworfen, im Vorjahr störten die Grundausbildung, das Pfeiffersche Drüsenfieber und eine Corona-Infektion die Vorbereitung.
KURIER: Sie wirken sehr entspannt. Täuscht der Eindruck?
Johannes Lamparter: Das war mit Abstand die entspannteste Vorbereitung seit ich im Weltcup dabei bin. In den vergangenen Jahren ist mir immer irgendetwas dazwischen gekommen. Ich hatte immer Stress und Druck, weil ich im Training etwas aufholen musste.
Sie haben sich die Latte mit Ihren Erfolgen selbst hochgelegt. Verspüren Sie großen Druck?
Nein. Ich muss heuer nicht Gesamtweltcupsieger werden, ich habe die große Kristallkugel ja schon daheim. Das macht für mich alles ein wenig entspannter. Ich habe ein großes Ziel schon abgehakt, das ist eine angenehme Ausgangssituation. Aber trotzdem ...
... aber trotzdem?
Trotzdem bin ich ein sehr ehrgeiziger Sportler und will deshalb auch gut performen. Einerseits kann ich extrem stolz auf das sein, was ich schon erreicht habe. Zugleich habe ich in mir den Drang, es noch einmal zu erreichen. Mit dem Erfolg ist es wie mit einer Schokolade?
Das müssen Sie jetzt erklären!
Wenn man eine Tafel Schokolade öffnet und beginnt zu essen, dann will man immer noch ein Stück mehr davon haben. Mit dem Erfolg verhält es sich gleich: Da will man dann auch immer mehr und mehr und das wiederholen, was man schon erreicht hat. Es ist so ein schönes Gefühl, wenn man ganz oben stehen darf. Das ist der Antrieb in mir, dass ich das wieder und wieder spüre. Dafür gebe ich jeden Tag alles. Ich habe alles dafür geopfert, dass ich ganz vorne mitmischen kann.
Andere Sportler fallen nach großen Erfolgen mitunter in ein Motivationsloch.
Bei mir war das nicht so. Ganz im Gegenteil. Erfolg gibt mir mehr Motivation, weiter dran zu bleiben. Und es gibt viele Punkte, wo ich mich noch verbessern kann.
Sie zählen zu den besten Langläufern im Kombinierer-Feld. Bewegen Sie sich heute in der Loipe anders als in der ersten Saison?
Das will ich doch hoffen. Durch jedes einzelne Rennen habe ich an Erfahrung gewonnen. Ich kann heute Rennsituationen anders einschätzen und im Idealfall so lösen, dass ich am Ende ganz vorne bin. Ich bin heute nicht nur körperlich besser beisammen, sondern trete in der Loipe auch anders auf.
Wie drückt sich das aus?
Du lernst zum Beispiel, dass du nicht schon in der ersten Runde deine ganze Energie sinnlos verpulverst. Du hörst auch in deinen Körper hinein und weißt auch, wie viel du investieren kannst.
Sind Sie denn schon jemals richtig „blau“ gegangen und waren körperlich am Ende? In dieser Hinsicht habe ich eine wahnsinnig gute Selbsteinschätzung, was ich drauf habe und wie weit ich gehen kann. Ich spüre das im Körper recht gut, wo mein Tempogefühl umgeht und wo mein Limit liegt. Da bin ich sicher einer der Besten. Und wenn du Erfolge feiern kannst, dann steigt auch das Vertrauen und du weißt einfach, was möglich ist und was du deinem Körper in so einem Rennen zumuten kannst.
Hat die Konkurrenz heute mehr Respekt vor Ihnen?
Ich werde sicher ganz anders wahrgenommen. Wenn du im Langlauffeld das Gelbe Trikot trägst, dann schauen alle auf dich. Ganz egal, wie du drauf bist. Das habe ich letzte Saison gespürt, dass viele Blicke auf mich gerichtet sind. Das wird im ersten Wettkampf auch so sein und ist immer wieder witzig, wenn wir uns das erste Mal alle wiedersehen: Die Top Ten werden sich da gegenseitig beäugen und schauen: Wie ist der beisammen? Hat der etwas drauf?
Erkennt man das?
Natürlich. Ich achte beim Langlauf immer auf die Gegner: Wie atmet der Läufer hinter oder neben mir. Wie ist gerade sein Gesichtsausdruck. Spielt er mir vielleicht nur vor, dass er müde ist. Es gibt nämlich Läufer, die wirklich gute Schauspieler sind.
Themenwechsel: Die FIS hat vor dieser Saison die Fluorwachse verboten. Hat das in der Kombination Auswirkungen?
Wir Athleten haben uns da wenig Gedanken gemacht. Ich kriege aber mit, was dieses Verbot für die Serviceleute bedeutet. Die mussten einen Riesenaufwand betreiben. Und ich bin mir nicht sicher, ob das am Ende wirklich dafür steht.
Was meinen Sie konkret?
Die Serviceleute haben jede einzelne Bürste austauschen müssen, wir haben alle Skisäcke aussortiert, weil da Spuren von Fluor drinnen sein könnten. Nachhaltig ist das nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die kleineren Nationen es leisten können, dass sie ihr ganzes Zeug austauschen.
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