Rad-Star Gall vor Vuelta-Premiere: Der Edelhelfer mit Hintergedanken
Felix Gall erfährt gerade am eigenen Leib, wie es einem Helden ergehen kann, der plötzlich keine Heldentaten mehr vollbringt. Zumindest keine, die im ganzen Land Begeisterungsstürme auslösen, so wie es ihm im Sommer 2023 mit dem Sieg bei der Königsetappe der Tour de France und dem achten Rang im Gesamtklassement gelungen war.
Als Tour-de-France-Neuling wohlgemerkt.
Seit dem Sensationscoup, der Felix Gall in den Rang des Sportler des Jahres 2023 aufsteigen ließ und ihm gleichzeitig zu viel Publicity verhalf, richten sich die Augen der Öffentlichkeit vermehrt auf den Osttiroler.
Felix Gall hat seine Unbekümmertheit, die ihn im Vorjahr ausgezeichnet hatte, zwar nicht verloren, aber ihm ist anzumerken, dass er heute mehr in der Pflicht steht.
Hohe Erwartungen
Einerseits bei seinem Team Decathlon AG2R La Mondiale, das den Vertrag des Osttirolers nach der vergangenen Saison finanziell kräftig aufgebessert hat. Andererseits haben sich wohl viele erwartet, dass es in dieser Tonart weitergeht und Felix Gall die nächsten Siege einfährt. „Die Ansprüche sind definitiv gestiegen“, weiß der 26-Jährige.
Vuelta
Die Vuelta bildet wie immer den Abschluss der drei großen Landesrundfahrten. Start ist am Samstag in Lissabon, die Spanien-Rundfahrt endet am 8. September in Madrid. Es warten 3.304,3 Kilometer. Im Vorjahr sicherte sich der US-Amerikaner Sepp Kuss den Gesamtsieg
Weltmeisterschaft
Zürich ist vom 21. bis 29. September Schauplatz der Straßen-WM. Titelverteidiger bei den Herren ist der Niederländer Mathieu van der Poel
Lombardei-Rundfahrt
Das „Rennen der fallenden Blätter“ (12.10.) ist das letzte der sogenannten fünf Monumente, wie die Eintagesklassiker
im Radsport genannt werden
Das geht sogar so weit, dass sein Auftritt bei der Tour de France kritisch hinterfragt wurde. Nur zur Klarstellung: Gall wurde bei der Frankreich-Rundfahrt, die heuer so gut besetzt war wie selten zuvor, 14. und schaffte es bei zwei Bergetappen in die Top Ten.
Viele Radprofis strampeln sich die ganze Karriere ab und dringen trotzdem nie in diese Bereiche des Klassements vor.
Neue Rolle
Felix Gall war heuer bei der Tour de France nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und hatte gerade in der Schlusswoche körperliche Probleme. „Ich war angeschlagen“, berichtet der Radprofi aus Nußdorf-Debant, der deshalb in den letzten Wochen sich und seinen Körper schonte, um für seine erste Vuelta wieder zu Kräften zu kommen.
Bei der dreiwöchigen Spanien-Rundfahrt, die morgen in Lissabon gestartet wird, rückt Gall vorerst ins zweite Glied zurück. Sein australischer Kollege Ben O’Connor geht als Mannschaftskapitän in die Vuelta, für Neuling Gall ist diesmal die Rolle des Edelhelfers vorgesehen.
Große Chance
Das ist keineswegs als Degradierung zu verstehen, diese Rollenverteilung hat vielmehr Kalkül und eröffnet Felix Gall im Idealfall auch einige Chancen. „Ich werde Ben unterstützen, aber mich auf Etappen konzentrieren“, sagt der Österreicher. „Es gibt eine Menge Berge, das kommt mir entgegen.“
Klare Strategie
Das ist auch der klare Hintergedanke seiner Mannschaft. Wenn Gall nicht ums Gesamtklassement mitstreitet, dann eröffnen sich ihm Gelegenheiten, um vergleichsweise unbehelligt in Fluchtgruppen den angepeilten Etappensieg in Angriff zu nehmen. So wie er es schon im Vorjahr bei der Königsetappe der Tour de France vorexerziert hat.
Verglichen mit der Tour de France ist die Konkurrenz überschaubar. Mit Superstar Tadej Pogacar (SLO), dem Dänen Jonas Vingegaard und Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel (BEL) fehlen bei der Vuelta die Top drei der Frankreich-Rundfahrt.
Felix Gall zählt mit Sicherheit zu den besten Kletterern im Starterfeld. Diese Qualitäten sind auch gefragt, denn es stehen gleich acht Bergetappen auf dem Programm.
„Für einen Fahrer wie mich eröffnen sich bei der Vuelta einige Chancen“, weiß der 26-jährige Osttiroler, der erstmals in einem Jahr zwei dreiwöchige Rundfahrten bestreitet. „Ich habe die Gesamtwertung nicht im Kopf, aber ich will es auch nicht ausschließen.“
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