Bis vor wenigen Monaten war Felix Gall nur Rad-Insidern ein Begriff. Mittlerweile hat sich der 25-jährige Osttiroler einen Namen gemacht. Seine erste Tour de France beendete Felix Gall heuer sensationell auf dem achten Rang, sein Sieg bei der Königsetappe hat eine historische Dimension. Im Oktober könnte er zu Österreichs Sportler des Jahres gewählt werden.
Was ist nach der Tour alles auf Sie eingeprasselt?
Die ersten zwei Wochen danach waren Vollgas. Es gab sehr viele Termine, ich war ständig unter Strom. Das passt ja, ich war auch richtig gut drauf und habe eigentlich gar nicht gespürt, wie ausgelaugt ich bin. Als es dann ein wenig ruhiger geworden ist und ich in meinen Körper hineingehört habe, da habe ich dann schon gemerkt, dass ich leer bin. Ich war einige Tage ziemlich am Boden. Körperlich, aber vor allem auch mental.
Welche Auswirkungen hatte der Etappensieg auf Ihren Alltag?
Bei mir daheim in Osttirol hat man mich vorher schon gekannt. Aber jetzt werde ich auch angesprochen, wenn ich beim Einkaufen bin. Überall, wo ich in Österreich unterwegs bin, mache ich diese Erfahrungen. Das ist schon ein Unterschied zu vorher.
Wie präsent ist Ihr Sieg auf der Königsetappe?
Es ist in den letzten Wochen so viel passiert, dass ich das alles noch gar nicht richtig verarbeiten konnte. Ich bin im Moment noch nicht soweit, dass ich mich zurücklehne und alles richtig genieße. Das wird vielleicht dann funktionieren, wenn die Saison vorbei ist und ich im Herbst das Rad für einige Wochen in die Ecke stelle. Dann erst werde ich den Kopf richtig frei bekommen.
Bis dahin warten noch die Luxemburg-Tour und die Lombardei-Rundfahrt. Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, sich nun wieder zu motivieren?
Es ist nicht so einfach, dass man wieder den Rhythmus findet. Die letzten Monate haben viel Energie gekostet, die Anspannung fehlt im Moment noch. Ich habe keine Ahnung, in welcher Verfassung ich am Start stehen werde. Mein Ziel wäre es schon, diese erfolgreiche Saison noch würdig abzuschließen. Die Lombardei-Rundfahrt gehört zu den fünf Monumenten des Radsports, dafür findet man schon Motivation.
Sie stehen jetzt als Tour-de-France-Etappensieger anders im Fokus. Was ändert sich für Sie?
Ich bin mir sicher, dass ich mir im Fahrerfeld Respekt verschafft habe. Das macht sich erstaunlicherweise im Positionsfahren im Feld deutlich bemerkbar. Während der Tour war es schon so, dass ich mich im Feld einfacher bewegen konnte. Ich hatte mehr Selbstvertrauen, und das wird auch so akzeptiert. Das heißt nicht, dass ich im Feld Narrenfreiheit hätte und mich aufführen kann, wie ich will. Aber ich werde seit der Tour anders behandelt.
Sie haben das Selbstbewusstsein angesprochen. In ihrer Karriere wurden Sie lange von Selbstzweifeln begleitet. Sind die jetzt verflogen?
Ich hatte große Zweifel, ob ich gut genug bin und ob ich es schaffen würde. Jetzt habe ich gezeigt, was alles in mir steckt und entsprechend groß ist mein Vertrauen. Dass sich Menschen hinterfragen, ist normal. Für mich war es manchmal schwierig einzuschätzen, wie gut ich bin.
Sie waren erst gar nicht für die Tour vorgesehen, wurden dann als Edelhelfer nominiert und nach einer Woche zum Teamkapitän gemacht. Ich war ja auch schon vor der Tour bei einigen Rundfahrten und Rennen als Leader nominiert. Das war jetzt aber eine ganz andere Kategorie. Ich war mir am Anfang auch nicht sicher, ob ich diese Rolle ausfüllen kann. Das hat mir mental zugesetzt. Das Team hat großes Vertrauen in mich gesetzt, das zu spüren, ist extrem wertvoll.
Hat sich Ihr Status verändert im Team?
In unserem Team wurde immer schon darauf geschaut, die Wünsche der Fahrer zu berücksichtigen. Auch ich hatte viele Freiheiten und durfte mitreden, welche Rennen ich fahren will. Als Leader hast du aber noch mehr Mitspracherecht.
Hat sich die Tour mit dem Etappensieg und dem achten Platz in der Gesamtwertung finanziell rentiert?
Das Preisgeld ist vernachlässigbar. Damit macht man keine großen Sprünge. Wenn man die Steuern abzieht, bleiben da vielleicht ein Paar Tausend Euro übrig.
Aber Ihr Marktwert ist nun definitiv gestiegen.
Ich habe beim AG2R Citroën Team einen Vertrag bis 2025. Da sind wir gerade in Gesprächen, dass wir diesen Vertrag auch anpassen.
Weil Sie aktuell als eine der größten Aktien im Radsport gelten.
Es macht natürlich einen Unterschied, wenn ich tatsächlich frei am Fahrermarkt wäre, weil mein Vertrag mit Jahresende ausläuft. Da eröffnen sich dann Möglichkeiten. Aber ich mache mir keine Sorgen, dass wir keine Einigung finden. In Wahrheit reden wir diesbezüglich ja von Luxusproblemen.
Die Erwartungshaltung wird nach dieser Saison steigen. Verspüren Sie Druck?
Den größten Stress mache ich mir eh selbst. Natürlich ist in meinem Kopf die Frage aufgetaucht: Wie geht es nächstes Jahr weiter? Werde ich so etwas wiederholen können?
Wie lautet Ihre Antwort?
Die anderen schaffen es ja auch. Wieso soll mir das nicht auch gelingen? Kann schon sein, dass man dann bei dem einen oder anderen Rennen mit einer Top-Ten-Platzierung nicht mehr so zufrieden ist. Aber ich sehe meine heurigen Leistungen grundsätzlich nicht als Druck, sondern als Motivation.
Ich weiß jetzt, was in mir steckt und zu was ich fähig bin. Gerade für das Training ist das enorm wichtig, weil du dann weißt, warum du alles auf dich nimmst. Ich gehöre jetzt zu den Besten, diese Bestätigung hilft extrem.
Den meisten ihrer Kollegen bleibt ein Etappensieg bei der Tour de France verwehrt.
Das stimmt. Und diesen Etappensieg kann mir auch keiner mehr nehmen. Und es war ja nicht nur irgendeine Tour-Etappe, als Draufgabe habe ich die Königsetappe gewonnen. Das macht es noch einmal schöner.
Das schreit förmlich nach dem nächsten Sieg: Österreich wählt im Oktober den Sportler des Jahres.
Ich muss schon zugeben, dass mir das sehr viel bedeuten würde, wenn ich das gewinnen sollte. Wenn man sich ansieht, wer aller in Österreich diese Trophäe bereits gewonnen hat, wäre das eine große Ehre.
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