ÖFB-Boss Windtner: "Wir werden mehr schaffen als bei EM 2016"
Nach der Qualifikation ist vor der EURO 2020. Aussichten und Rückblicke des ÖFB-Präsidenten.
KURIER: Wie lautet ihr Resümee dieser Qualifikation?
Leo Windtner: Wir sind mit der glasklaren Zielsetzung gestartet, uns für die EM zu qualifizieren, sprich einen der ersten beiden Plätze zu belegen. Wir wussten, dass Polen der Favorit, der schwierigste Gegner ist, die Spiele gegen Israel einen besonderen Anstrich haben. Was wir auch so erfahren mussten. Der Start war verkorkst.
Haben Sie sich nach den ersten beiden Niederlagen gegen Polen und Israel schon gedacht, verdammt, das könnte zu eng werden?
Wir haben den Glauben an die Mannschaft nicht aufgegeben. Nach dem Israel-Spiel haben wir eine Aufarbeitung betrieben wie nie zuvor. ÖFB, Betreuerteam und die Spieler. Teamchef Franco Foda hat hier erwiesener Maßen für Stabilisierung gesorgt.
Wie hat diese Aufarbeitung ausgesehen?
Drei Tage danach sind wir beinander gesessen, und es wurden direkte Kontakte zu den Spielern gesucht. Ich habe mit Kapitän Julian Baumgartlinger gesprochen. Es war klar: Jetzt geht es ums Eingemachte, scheitern wir in der Qualifikation, ist das ein Rückschritt für den gesamten österreichischen Fußball.
Wäre man gescheitert, hätten Sie als Präsident auch persönliche Konsequenzen ziehen müssen?
Manche Medien haben nach dem Match in Israel gemeint, warum hat er nicht den Herzog genommen, sondern den Foda. Wenn sich eine sportliche Entwicklung aufgrund von echten Fehlentscheidungen ergibt, dann muss man sich selbst wie in einem Unternehmen auch als Chef oder Präsident infrage stellen. Aber in diesem Fall waren wir lediglich einem kurzfristigen Misserfolg ausgeliefert, und da hat der Präsident für Kontinuität und Konstanz zu sorgen.
Was bedeutet die EM-Qualifikation für den ÖFB? Wichtiger als jene von 2016?
Die Qualifikation für 2016 war ein Furioso. Das hat sich in einer unwahrscheinlichen Begeisterung niedergeschlagen. Die Qualifikation für 2020 ist für mich fast noch wertvoller, weil es schwieriger ist, einen Erfolg zu wiederholen. Damit wird jene klare Losung erfüllt, bei den Großereignissen regelmäßig dabei sein wollen. Mit den Frauen, der U-21 und natürlich mit dem A-Team.
Nationalteam qualifiziert sich für Euro
Warum ist die aktuelle Begeisterung nicht so groß wie vor vier Jahren?
Man muss offen sagen, die Enttäuschung aus der EURO 2016 hat nachgewirkt, außerdem die Nichtqualifikation für die WM und der verpatzte Auftakt in der aktuellen Quali.
Bei der EURO 2020 werden die Kosten und Reisestrapazen auch für die Fans größer. Das ist kontraproduktiv...
Das ist ein Spezifikum der Euro 2020, weil wir kein Gastgeberland haben, sondern uns auf Touristik durch Europa begeben. Ich glaube trotzdem, die Fans wissen es zu schätzen, dass wir dabei sind, werden uns nicht im Stich lassen. Wir müssen die Auslosung am 30. November abwarten. Das Glückslos wäre die Gruppe mit München und Budapest.
Oder nach Baku, Aserbaidschans Hauptstadt reisen?
Kein Orakel bitte. Es kommt, wie es kommt – und wir werden das Beste daraus machen. Das heißt: mehr schaffen als 2016.
Ist die EURO in ganz Europa nicht eine Schnapsidee?
Etwas überzogen formuliert. Das war das Steckenpferd von UEFA-Chef Platini. Richtig ist, er erreichte damit eine Flächendeckung in Europa. Aber das Wichtigste im Fußball ist, dass du nie die Fans aus dem Blickwinkel verlierst. Und für die Fans wird es tatsächlich anstrengend.
2016 sind Fehler passiert. Was hat man daraus gelernt?
2016 haben wir es nicht geschafft, vom Qualifikationsmodus in den Turniermodus umzuschalten. Wir haben geglaubt, es sei selbstverständlich, die Euphorie in die EM mitnehmen zu können.
Aber nach den letzten Testspielen schrillten schon die Alarmglocken...
Ja, wir haben geglaubt, den Resetknopf wieder zu finden. Das ist nicht gelungen.
Was wird konkret anders?
Es wird bei der Definition der Vorbereitung beginnen und damit enden, wie man sich gegenüber der Öffentlichkeit präsentiert. Der damalige Teamchef Marcel Koller ist über den Dingen gestanden, daran wurde auch nicht gekratzt. Jetzt werden wir vorsorglich Vorbereitungen treffen, dass sich das in anderen Bahnen bewegt.
Naheliegend, dass das Trainingslager im Burgenland, stattfindet?
Die operativ Verantwortlichen aus Sport und Administration haben einige Szenarien diskutiert und eine Vielzahl an Gesprächen geführt, das Burgenland ist mit Sicherheit ein potenzieller Standort. Eine finale Entscheidung kann es aber aus verständlichen Gründen erst nach der Auslosung in Bukarest geben.
Sie haben einmal gesagt, bis 2017 sollen die Projekte für ein neues Stadion, Trainingszentrum und ÖFB-Hauptsitz auf den Weg gebracht werden. Warum wurde bisher daraus nichts?
Die Antwort ist ganz einfach: Wir haben sowohl auf Bundesebene wie auch auf Wiener Regierungsebene immer wieder durch diverse Wechsel neue Ansprechpartner bekommen, die auch jetzt noch gar nicht da sind, wie z.B der neue Sportminister. Wir haben die Zeit mit Vorgesprächen und Machbarkeitsstudien genützt. Ich bleibe dabei, das Optimale wäre die integrierte Lösung mit Stadion, Trainingszentrum und Headquarter.
Wie beurteilen Sie die klaren Aussagen bzw. Absagen für ein Stadion aus Wien und Niederösterreich?
Man darf nicht alle Aussagen auf die Goldwaage legen, wir bewegen uns ja in einer politischen Diskussion. Wir haben mit allen, auch dem Burgenland, eine aufrechte Gesprächsbasis. Auch Wien denkt noch intensiv nach. Die Idee ist nicht vom Tisch. Wenn ein neuer Sportminister im Amt ist, kommen die Themen auf den Tisch.
Setzen Sie sich ein zeitliches Limit?
Im Jahr 2020 muss es gelingen, eine Richtungsentscheidung herbeizuführen. Wann, wenn nicht im Jahr einer EURO? Die Dringlichkeit beim Trainingszentrum und bei den Räumlichkeiten der Geschäftsstelle ist hoch. Wir haben im ÖFB keine Sitzungsräume und müssen für Meetings in Hotels ausweichen. Wir haben sensationelle Anlagen in Minsk und Skopje gesehen. Das ist in Europa flächendeckend State of the Art.
Die neue Dress wurde auch heftig kritisiert, da man Politisches hinein interpretieren kann. Was meine Sie dazu?
Ich finde das neue Auswärtstrikot flott und dynamisch. Ich halte es für kleinkariert, wenn man hier parteipolitische Analogien ableitet.
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