Vor dem Wiener Derby: Wie Rapid und Austria zu retten sind
Neuer Trainer da, neuer Investor dort – beide Klubs haben vor dem Klassiker Mut getankt. Für eine bessere Zukunft wird aber mehr nötig sein. Der KURIER blickt voraus.
Es könnte Überraschungen geben. Erstmals seit der Vorbereitung auf das Saisonfinale im Mai (3:0 gegen den LASK) hatte ein Rapid-Trainer eine Woche Zeit, um sich mit dem gesamten Kader auf ein Bundesliga-Spiel vorzubereiten. "Ja, ich glaube, dass wir die Austria überraschen können", sagt Ferdinand Feldhofer vor dem 334. Wiener Derby am Sonntag-Nachmittag (17 Uhr).
Nicht nur, weil jeder Trainer für sein Debüt neue Ideen einbringt, sondern auch, weil die Rapidler für die Austria mehrere Pläne mit unterschiedlichen Details erarbeitet haben: "Die Austria reagiert stark auf den jeweiligen Gegner und passt sich dann gut an."
Austria-Coach Manfred Schmid ist zuversichtlich, die richtige Antwort auf den neuen Mut der Hütteldorfer zu finden: "Wir orientieren uns an unseren Stärken und wollen das Derby unbedingt gewinnen." Während der Sieger zumindest nach 17 Runden einen Platz in den Top 6 sicher hat, würde es für den Verlierer schon eng werden. Noch nie seit der Ligareform 2018 haben es beide Wiener Klubs nach 22 Runden in die Meistergruppe geschafft.
Wie kann es aber für Grün und Violett besser werden? Wie kann Rapid die hohen Anforderungen erfüllen? Und wie schafft es die Austria aus dem riesigen Schuldenloch?
Der KURIER fand jeweils vier Aufgaben, die die beiden Wiener Groß-Klubs zu bewältigen haben.
Nach dem Pragmatiker Kühbauer, der immer alles dafür getan hat, nach den nächsten 90 Spielminuten drei Punkte mehr zu haben, geht es jetzt um die großen Fragen des Fußballs: Wie können alle Teams von der U 8 bis zu den Profis auch ohne grüne Trikots erkennbar sein? Wie können die Fans ins Stadion gelockt werden, ohne falsche Titel-Hoffnungen zu verkaufen? Sportdirektor Barisic traut sich zu, mit Trainer Feldhofer den durchgängigen „Rapid-Stil“ mit Copyright zu kreieren: aktiv, dominant, offensiv und mit noch mehr Qualität aus dem Eigenanbau. Das Beispiel Greiml zeigt, wie schnell Talente zu Publikumslieblingen werden können. So ein Spagat kann aber auch schmerzhaft werden: Ein Rapid-Trainer muss in der Gegenwart liefern – egal, wie groß das Engagement für die Zukunft des Vereins ist.
Nachwuchs in den Aufzug
Zuletzt wurde in Hütteldorf viel in die Talenteförderung investiert. Mittlerweile freut sich Nachwuchschef Schuldes darüber, dass Rapid von allen Vereinen die meisten österreichischen Teamspieler stellt. Allerdings gibt es auf dem Weg zum Stammspieler bei den Profis noch unnötig hohe Hürden: Die Kommunikation war ausbaufähig, der Ballbesitz „oben“ nicht mehr wichtig. Barisic verlangt von Feldhofer, dass die Talente im Aufzug nach oben künftig öfters ankommen und sich etablieren. Wenn der neue Trainer so mutig beim Einbau der Jungen ist, wie es einst Barisic 2013 und 2014 (mit Schaub, Hofmann, Pavelic, Behrendt, Prosenik und Starkl) war, wird der neue Trainer ausreichend Schutz (sprich Geduld) von der Klubspitze bekommen.
Einigkeit im Verein
Seit der Eskalation in dem für alle Beteiligten ungewohnten Präsidentschaftswahlkampf 2019 tun sich auch zwischen „echten Rapidlern“ Gräben auf. Immer noch gibt es Kreise, die nichts lieber hätten als einen Sturz der aktuellen Machthaber. Dementsprechend groß ist das Misstrauen im und rund um den Verein. Präsident Bruckner wird sicher kein blendender Rhetoriker mehr wie seine Vorgänger Edlinger und Krammer. Aber im dritten Amtsjahr muss er auch öffentlich zeigen, dass er es draufhat und gleichzeitig einen kann. Sonst bleibt der Eindruck, dass Bruckner ein wirkungsloser Boss sei, obwohl er während der Pandemie im Hintergrund wertvolle Krisenarbeit geleistet hat.
Die Rapidler sind nur Passagiere, müssen aber trotzdem hoffen, dass die Corona-Krise 2022 endet. Das gesamte Vereinsmodell ist auf Fans und Emotionen aufgebaut. Das lässt sich (unabhängig von Staatshilfe) nicht ewig aufrechterhalten, weil die Bindung verloren geht. Als Beispiel: Zwischen Jänner und April gab es die beste Phase der Ära Kühbauer. Von 16 Spielen wurden nur zwei verloren – gegen Salzburg. Ein Pech, dass diese 16 Spiele null Zuschauer hatten. Der TV-Konsum wird immer eine Ersatzdroge bleiben. Nur wenn Rapid im Stadion begeistern kann, bleibt die Bedeutung als nominell größter Verein spürbar.
Austria: Finanzielles Überleben und durchgängige Philosophie
Finanzielle Sicherheit
Ein Minus von mehr als vier Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr, ein negatives Eigenkapital von mehr als 19 Millionen, Fremdkapital in Höhe von fast 80 Millionen. Nein, die Veilchen sind nicht auf Rosen gebettet, die Korrektur der finanziellen Schieflage könnte noch Jahre dauern. Umso wichtiger wäre nun ein konkreter Finanzplan, den die neue österreichische Investorengruppe in Aussicht stellt. Noch in diesem Jahr sollen alle Details geklärt und ein Vertrag unterschrieben sein. Die Austria braucht dringend Sicherheit für ihr eigenes Überleben.
Wenn ein Schritt in diese Richtung gelingt, kann in mittelfristiger Zukunft wieder ein Doppelpass mit einem internationalen Partner angedacht werden.
Sportlicher Plan
Manfred Schmid fand im Sommer einen ausgedünnten und qualitativ nach unten nivellierten Kader vor. Die Arbeit mit den jungen Talenten nimmt zarte Formen an, der sportliche Auftritt der Veilchen nimmt sich besser als erwartet bzw. befürchtet aus. Freilich: Irgendwann kommt der Moment, in dem finanzielle Mittel auch die Verpflichtung von zwei, drei nötigen routinierteren Spielern wieder ermöglichen können. Für die sportlichen Vorgaben, sprich einen Plan und eine Spielphilosophie, ist Sportdirektor Manuel Ortlechner zuständig, der seit einiger Zeit akribisch daran arbeitet.
Diesbezüglich hat er sich schon mit sämtlichen Trainern in der Akademie, mit Harald Suchard von den Young Violets und mit Manfred Schmid von der Kampfmannschaft öfters ausgetauscht. Zwischen Weihnachten und Neujahr möchte er alle Anregungen und Vorschläge in eine violette Philosophie gießen und mit Beginn des neuen Jahres das „Austria Playbook“ präsentieren. „Wir wissen, welche Historie die Austria hat. Aber wir brauchen eben auch einen Zugang zum modernen Fußball.“
Mehr Demut
Ein neues Denken muss dauerhaft Einzug halten am Verteilerkreis. Nach Meistertitel 2013 und anschließendem Auftritt in der Champions League blähte die Austria ihren Apparat auf und lehnte sich mit einer Selbstgefälligkeit zurück im Glauben, stets auf der obersten europäischen Bühne geigen zu dürfen. Der Fall wurde tief, der Aufprall hart. Wer immer noch fantasiert und träumt, die Austria müsse ständig im europäischen Konzert mitspielen, der sollte einmal der Realität in die Augen schauen. Demut ist die Tugend der Stunde, ebenso harte Arbeit.
Schlanke Strukturen
Bei der Austria sorgen seit jeher weniger die eigenen Fans für Querschüsse als vielmehr die eigenen Gremien, wo im Hintergrund Fäden gezogen und Eigeninteressen verfolgt werden. Für diesen Intrigantenstadl sollte endlich der Schlusspfiff ertönen, zudem sollten die Gremien Aufsichtsrat, Verwaltungsrat und Kuratorium verschlankt werden, damit Entscheidungsprozesse direkter und schneller abgeschlossen werden können.
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