LASK-Trainer Ismaël: "Corona hat mir die Augen geöffnet"
Valérien Ismaël hat den besten Punkteschnitt eines Trainers in der Bundesliga-Geschichte. Der erste Meistertitel des LASK seit 1965 schien nahe. Doch das Coronavirus hat das Interesse weg von Tabellen, hin zu Kurven und Infektionszahlen gezogen. Wie der 44-jährige Elsässer, der mit seiner Familie nahe München wohnt, damit umgeht, verrät Valérien Ismaël im KURIER-Interview.
KURIER: LASK gegen Manchester United am 12. März war das bislang letzte Fußballspiel in Österreich. Sie haben nach Spielende gesagt, dass Sie sich Sorgen machen, was jetzt kommt. Hätten Sie sich vorstellen können, dass alles anders wird?
Valérien Ismaël: Ich habe damals gefühlt, dass sich unser Leben auf den Kopf stellen könnte. Aber dass es so schnell geht und so extrem wird? Nein, natürlich nicht!
Wie oft haben Sie sich danach das 0:5 angesehen?
Ganz ehrlich: Der Fokus hat sich komplett verändert. Es ist nur darum gegangen, was passiert, wie ich meine Familie schützen kann und was das für die ganze Welt noch bedeuten wird. Es sind so viele Fragen aufgetaucht, von denen viele noch nicht beantwortet sind, sodass die Spielanalyse schwierig und kurz war.
Wie ist es Ihnen in der Zeit ohne Fußball gegangen?
Ich war fünf Wochen zu Hause – angefühlt haben sie sich wie zwei, weil es so eine intensive Zeit mit meiner Familie war. Die Kinder waren 24 Stunden zu Hause und und wollten natürlich stets bespaßt werden. Da mussten meine Frau und ich auch kreativ sein. Daneben gab es viele Videokonferenzen und Telefonate mit den Spielern. Und ich habe Erfahrungen eingeholt von Kollegen aus England und Deutschland, wo in Kleingruppen schon wieder trainiert wurde.
Ihre französische Heimat ist stark vom Virus betroffen. Sind Verwandte erkrankt?
Zum Glück nicht. Aber es ist schon heftig, wenn du hörst, dass sie bis jetzt kaum raus durften, und dann nur einen Kilometer weg vom Wohnort. Viele meiner Freunde sind Gastronomen – speziell ihnen versuche ich zu helfen. Sie merken: Es ist für mich in der Krise mehr um Menschlichkeit gegangen als um Fußball.
Sie kommen aus Frankreich, leben in Deutschland und arbeiten in Österreich. Haben Sie überlegt, wie sich das Leben verändert, wenn Grenzen geschlossen werden?
Ja, absolut! Corona hat mir die Augen geöffnet. Wir sehen jetzt, wie gut es uns gegangen ist. Wir nehmen so vieles als selbstverständlich an, das jetzt weg ist. Diese Krise ist auch eine Chance, Dankbarkeit für das Leben als freier Mensch zu empfinden.
In Frankreich ist Fußball verboten. In Deutschland und Österreich soll bald wieder gespielt werden. Wie sehen Sie diese Sonderrolle?
Jeder will wieder arbeiten. Man darf nicht vergessen, dass der Fußball für uns ein Job ist. Gesundheit geht vor, das ist klar. Da hat der LASK alles getan, was möglich ist.
Wie empfinden Sie das Training in kleinen Gruppen ohne Zweikämpfe?
Wenn du fünf Mal die Woche geradeaus auf Asphalt läufst, ist die Belastung eine ganz andere als bei Fußball mit Sprüngen und Stopps auf Rasen. Die Spritzigkeit kommt erst zurück. Taktisch geht es um drei Blöcke: Für die Mannschaft, für die Gruppe oder individuell. Man kann schon Details wie die Laufwege im Strafraum oder das Verhalten der Defensive üben. Es geht um Ansätze, damit wir die Abläufe in unserem 3-4-3 beibehalten.
Tut es Ihnen weh, dass Sie nur aus der Distanz coachen dürfen und das übliche Abklatschen oder Umarmen mit Spielern verboten ist?
Wir müssen mit diesen Regelungen leben und das Beste daraus machen. Ich spüre, dass wir einen Umgang ohne Angst pflegen, weil wir jeden Tag testen. Dass sicher niemand in der Gruppe positiv sein kann, gibt ein gutes Gefühl.
Beim Trainingsstart haben Co-Trainer Andreas Wieland und Joao Klauss wegen positiven Tests gefehlt. Gab es auch danach noch Ausfälle?
Nein. Alle folgenden Tests waren negativ. Andi und Joao wurden zur Sicherheit drei Mal negativ getestet, bevor sie wieder dazugestoßen sind.
Es warten viele Spiele in kurzer Zeit. Wie stehen Sie zum Vorschlag der FIFA, fünf statt drei Wechsel zu erlauben?
Ich unterstütze das absolut – aus drei Gründen. Es sinkt das Verletzungsrisiko, wenn zwei zusätzliche, müde gewordene Spieler raus dürfen. Zweitens hebt es die Motivation und Konzentration im gesamten Kader, wenn die Chance auf Einsätze steigt.
Und drittens?
Wir werden viel rotieren müssen. Bei fünf Wechseln kann ich schon vorab mit zwei Spielern, die viele Einsätze hatten, ausmachen, dass jeder eine Hälfte spielen wird. Und trotzdem würde es noch genug Möglichkeiten für taktische Wechsel oder wegen einer Verletzung geben. Unsere Liga sollte das wirklich so beschließen.
Glauben Sie, dass die Saison sportlich zu Ende geht?
Die Situation ist extrem sensibel. Wenn ich sehe, dass in Frankreich abgebrochen wird, wage ich keinen Ausblick für unsere Liga.
Laut ÖFB-Rechtsgutachten würde bei einem Abbruch die aktuelle Tabelle nach dem Grunddurchgang gewertet werden. Der LASK wäre Erster, aber kein offizieller Meister. Könnten Sie sich trotzdem freuen?
Es wäre zumindest fair, weil jeder gegen jeden zwei Mal gespielt hat. Freuen könnte ich mich über das, was wir geleistet haben: Punkterekord, alle Auswärtsspiele gewonnen, sechs Zähler vor dem großen Dominator Salzburg. Ich wünsche mir, dass das nicht in Vergessenheit gerät.
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