Das wichtigste Motiv für Katar war es, aus der Anonymität herauskommen. Katar hat Mitte der 1990er-Jahre die regionale Situation analysiert, vor allem den Überfall Iraks auf Kuwait. Man ist zu dem Schluss gekommen, dass fehlende Bekanntheit, fehlende Bündnispartner ein Problem darstellen können – insbesondere in der Nachbarschaft von Iran und Saudi-Arabien. Katar setzt auf verschiedene Strategien, eine davon ist es, ganz viele Sportevents ins Land zu holen.
Negative Öffentlichkeit, insbesondere aus dem Westen, spielt da keine große Rolle?
Nein. Wobei die Katarer tatsächlich schockiert darüber sind, wie negativ die Berichterstattung in einigen westlichen Ländern ist. Sie selbst sehen Katar als äußerst liberales Land, das sehr gut geführt ist und das auf Kritik durchaus reagiert. Und sie sehen sich tatsächlich eher als Teil dieser westlichen Welt, denn als Gegner. Dass Katar jetzt in eine Kategorie mit China und Russland gesteckt wird, finden viele Katarer empörend.
Katar ist ja beim Fußballklub Paris Saint-Germain stark involviert. Ist diese Investition ein politisches Projekt?
Der Emir und sein Vater sind sportbegeistert und vor allem fußballverrückt. Das alleine würde schon als Motiv ausreichen, einen solchen Fußballklub zu kaufen. Darüber hinaus geht es um Investitionen. Es ist ja nicht nur PSG, es sind ja auch noch andere Klubs. Es geht aber auch hier darum, Katar bekannt zu machen. Wenn Sie sich katarische Investitionen anschauen, vor allem diese Investitionen, die sehr gut sichtbar sind und Investitionen im Energiesektor, dann werden Sie feststellen, dass die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat – und damit fünf der mächtigsten Länder weltweit – sehr häufig das Ziel dieser Investitionen sind. Das ist kein Zufall.
Auf diese Weise will Katar auch die eigene Sicherheit gewährleisten. Um das zu verstehen, muss man den Bogen schlagen von der Sportbegeisterung des Emirs zurück zu den geopolitischen Fragen, nämlich den Beziehungen zu den USA, Frankreich, Großbritannien, China und Russland.
Welche Bedeutung hat Katar jetzt in Sachen Energie? Werden wir bei der WM viele europäische Politiker sehen, die sich um Gas bemühen?
Wir sehen das schon in den letzten Monaten. Die Ursache: Russland, Iran und Katar sind die drei Nationen weltweit mit den größten Gasreserven. Katar ist das einzige Land der drei, das nicht mit Sanktionen belegt ist. Und es hat 2017 eine enorme Ausweitung der Gasproduktion angekündigt. Also jeder, der heute Gas braucht, muss sich in irgendeiner Weise mit Katar verständigen. Das hat zu einem enormen Machtzuwachs des Landes geführt – und das wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Katar ist mittlerweile beim Gas fast so mächtig wie Saudi-Arabien beim Öl. Gas wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an Bedeutung zunehmen. Und Katar als wichtigste Gas-Nation wird da dann auch immer wichtiger.
Werden Sie sich Spiele der WM ansehen?
Ja. Jedes, das geht. Ich habe überhaupt keine prinzipiellen Probleme mit der Tatsache, dass die WM in Katar stattfindet. Als Fußballfan finde ich das insgesamt nicht so toll. Mir wäre es lieber gewesen, wenn die WM in einem großen Fußball-Land stattfindet. Ich hätte mir auch gut vorstellen können, dass Katar sich mit Nachbarstaaten gemeinsam bewirbt. Aber jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, werde ich die WM als das annehmen, was sie ist, nämlich ein großes Fest des Fußballs. Und die Tatsache, dass die Araber jetzt eine WM haben, macht mich als Islamwissenschafter ganz froh. Das wird wahrscheinlich nicht so schnell wieder passieren.
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