Was nicht ist, muss noch werden. Wenn ein Satz den Eindruck beschreiben soll, den man beim ersten Blick auf Katars Hauptstadt hat, dann ist es dieser. Kräne, Bagger, Gerüste, Bauzäune, aufgerissene Straßen, Staub. Baustellen so weit das Auge reicht. Sofort beim Verlassen des Flughafens bemerkt man: Hier ist einiges im Entstehen.
Vor gut vier Jahrzehnten sah das noch ganz anders aus. Bevor Katar in den Siebziger Jahren die Erdöl- und Erdgasförderung verstaatlicht hat, lebte man hier vom Perlentauchen. Als 1979 mit dem Sheraton das erste Hotel in Doha entstand, gab es sonst nicht viel. Staubstraßen führten zur Altstadt, die kaum aus mehr als dem damals noch kleinen Palast und einem überschaubaren Souk (Markt) bestand.
Heute kann sich das niemand mehr vorstellen. Mittlerweile weiß man in Katar, dass man auf den weltweit drittgrößten Erdgasreserven sitzt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das Königreich eines der reichsten Länder der Welt – und scheut sich nicht, das zu zeigen.
Der alte Souk wurde dem Erdboden gleich gemacht. Dort wo er einmal stand, sind neben einem neuen Markt riesige Hotelbauten, ein Geschäftszentrum, saubere Straßen, stylische U-Bahnstationen – und Baustellen. Moderne Bauten treffen hier am Golf auf eine stark konservative Gesellschaft.
So ist Doha im Laufe der Jahrzehnte gewachsen
Quelle: Google Earth Timelapse (Google, Landsat, Copernicus)
Doha wächst und wächst. Die Blaupause legte Singapur vor. Heute gehört auch Doha zu den schnellstwachsenden Städten der Welt. Leidtragende sind jene Menschen, die dafür extra ins Land geholt werden. Millionen Gastarbeiter sorgen unter teils menschenrechtsunwürdigen Bedingungen dafür, dass die Infrastruktur für die Fußball-WM in einem Jahr – von Stadien, über Hotels bis zur völlig neuen U-Bahn – garantiert ist.
90 Minuten, sechs Stadien
Für die als "Wüsten-WM" abgetane Gastvorstellung wurden sieben Fußball-Stadien neu gebaut. Ein einziges in brauchbarer Größe hat es davor schon gegeben. Die neuen Stadien sind sehr unterschiedlich und gleichen Skulpturen in der Wüste. Das Ras Abu Aboud Stadion besteht aus Containern und kann nach der WM zur Gänze wieder abgebaut und anderorts wieder aufgestellt werden. In einer Autofahrt von 90 Minuten kann man sechs der Spielstätten im Vorbeifahren abklappern.
Ein Stadion kommt dem österreichischen Sportfan bekannt vor: Das Al Janoub Stadion in Al Wakra im Süden der Stadt wurde von der 2016 verstorbenen Zaha Hadid geplant, Architektin etwa der Bergisel-Schanze in Innsbruck. Das Stadion bei Doha erinnert an die Form einer Muschel – eine Reminiszenz an die Perlentaucher-Vergangenheit der Stadt.
Die Innenseite ist einem Boot nachempfunden. Das Stadion ist unter Mitverantwortung der Porr zwischen 2016 und 2019 entstanden. Rund 60 Spiele wurden hier seither schon gespielt. Auch der technische Direktor der österreichischen Baufirma, Peter Haas, hat sich hier schon Spiele angesehen. Die Atmosphäre in dem derzeit 40.000 Zuschauer fassenden Stadion (nach der WM wird auf 20.000 reduziert) sei "sehr gut", sagt der Österreicher. "Anders. Arabisch. Viel Musik", fügt er hinzu.
Klimaanlagen in Stadien
In der untergehenden Nachmittagssonne hat es bei Betreten der Spielstätte rund 30 Grad. Im Inneren des Stadions fühlt es sich zehn Grad kälter an. 24 Grad soll es laut FIFA-Vorgabe im Stadion haben. 19.000 Klimaanlagen sorgen dafür. Dafür wird entsalztes Meerwasser gekühlt und unter den Rängen in Rohren verteilt.
Unter den Sitzen sind kleine Ventilatoren mit Zerstäubern, die die kühle Luft indirekt zu den Zuschauern bringen soll.
"Ein bisschen frisch", sagt Haas, der dem potenziellen Besucher rät, eine Jacke mitzunehmen.
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