Goran Djuricin im Interview: "Ich war zu demütig"
Goran „ Gogo“ Djuricin ist seit Montag nicht mehr Rapid-Mitarbeiter. Der Vertrag des Ex-Trainers wurde mit deutlich spürbarer Wertschätzung aufgelöst. Nach einer Woche Urlaub meint der 44-Jährige: „Ich muss mich erst wieder an die Ruhe gewöhnen und merke erst jetzt, wie leer meine Batterien waren.“ Einzelne Medien haben dem Wiener für eine Abrechnung mit Rapid sogar Geld geboten.
Goran Djuricin will lieber einen Rückblick ohne Zorn. Mit Kritik, aber auch Selbstkritik – und wählt dafür den KURIER aus.
KURIER: Rapid war nach Runde eins Erster, Sie waren kritisch. War das eine Vorahnung?
Goran Djuricin: Thomas Hickersberger hat sehr viel Erfahrung mit der Europa League und hat von Anfang an gemeint, dass es mit diesem Kader, den Verletzten und einem Einzug in die Gruppenphase ganz schwierig wird. Mein Zugang ist immer ein sehr positiver, aber leider hat Hicke Recht bekommen.
Hätten Sie weitere Verstärkungen fordern müssen?
Ich habe mich diplomatisieren lassen. Ich habe zu vielem Ja gesagt, weil das Verhältnis zu Sportdirektor Bickel so gut und der gegenseitige Respekt so groß ist. Fredy war wirklich eine große Stütze. Ich konnte den Standpunkt des Vereins nachvollziehen: Wenn wir nachkaufen, die Verletzten zurückkehren und im Play-off ausscheiden, haben wir bald viel zu viele Kaderspieler. Künftig muss ich als Trainer aber egoistischer werden.
Welche Fehler ärgern Sie noch?
Ich war zu demütig. Etwa in der Frage der Rasenqualität, die Didi Kühbauer öffentlich angesprochen hat. Ich war dankbar für diese Chance, habe aber deswegen darauf verzichtet, öfters auf den Tisch zu hauen.
Und dass Sie stur am 4-2-3-1 festgehalten haben ...
... war auch nicht optimal. Die Spieler lieben das 4-2-3-1 mit den Läufen nach innen. Ich wollte es ihnen nicht wegnehmen. Ich war zu selten der Gogo wie in Ebreichsdorf. Dort hatte ich keinen Druck, habe mehr Risiko genommen und es geliebt, für Überraschungen zu sorgen.
Würden Sie im Rückblick wieder Ja zu Rapid sagen?
Absolut. Ich bin trotz allem auf einen guten Punkteschnitt gekommen, war im Cup zwei Mal weiter als die meisten meiner Vorgänger, bin in der Liga Dritter geworden, bin in die Europa League gekommen, habe Strebinger wieder zur Nummer 1 gemacht und Spieler wie Wöber, Ljubicic und Müldür entwickelt. Aber mit mehr Erfahrung wäre meine Performance rund 10 bis 20 Prozent besser gewesen.
Nachfolger Didi Kühbauer hat die körperlichen Probleme angesprochen, aber betont, dass er damit nicht Sie kritisiert. Was ist also schief gelaufen?
Dazu will ich nichts sagen, weil ein Anderer schlecht hingestellt würde. Das werde ich öffentlich nie machen.
Für den Spruch „Unsere Stürmer sind gut, sie treffen halt leider nicht“ wurden Sie verlacht. Wenig später gaben Ihnen Joelinton und Kvilitaia Recht. Wurden die Auswirkungen der Abgänge unterschätzt?
Ja! Die beiden waren Goldes wert. Pavlovic könnte die Lücke schließen, ich kannte ihn leider fast nur verletzt.
Sie wollten das Offensivpressing verbessern. Wie passen da Alar und Knasmüllner dazu?
Alar ist der perfekte Schleicher, aber er braucht einen körperlich starken Angreifer neben sich. Dovedan von Heidenheim wäre die dafür nötige Maschine gewesen, ihn haben wir nicht bekommen. Als Knasmüllner im Derby in der 2. Minute die Top-Chance vergeben hat, war sein Kopf nur noch unten. Aber er kann wie in der Europa League auch ein Top-Spieler sein. Er braucht nur diese Erkenntnis, dass er scheitern darf, deswegen aber noch lange nichts verloren ist.
Wie ist der Abschied von der Mannschaft verlaufen?
Ich war nicht der Einzige, der Tränen vergossen hat. Ein Spieler hat zugegeben, dass sie durch die Umstände nicht mehr die volle Konzentration hatten. Am Ende war es für alle eine Erlösung.
„Rapid-Pfarrer“ Pelczar hat im Standard gemeint, durch den Vertrauensverlust wäre Ihnen „die verständnisvolle Liebe abhanden gekommen“.
Ich weiß nicht, wie ich die letzten Wochen ausgehalten habe. Der Druck von außen und die viele Energie, die mir von der Mannschaft abverlangt wurde, haben mich gehindert, meine Leistungsstärke abzurufen.
War das Derby der Knackpunkt?
Stefan Schwab hat das zu mir gesagt und er könnte Recht haben. Wir hatten bei 0:0 vier 100-prozentige Chancen und dann steht es 0:1 – da ist dann so viel negative Energie reingekommen.
Wie sehr hat Sie die „Gogo raus“-Kampagne der organisierten Fanszene getroffen?
Beim 0:0 gegen den WAC war es kein Problem, weil wir so schlecht waren. Einschneidend war es gegen Steaua. Wir wussten, dass wir gegen einen richtig starken Gegner den klaren Heimsieg brauchen, sind 2:0 vorne – und vor der Pause kommt „Gogo raus“. Ich war sehr enttäuscht, dass die Mannschaft den Fans in diesem Moment so egal war. Da müssten sich viele hinterfragen: Bin ich wirklich so ein guter Fan?
Bickel hat unterschätzt, dass bereits bei Ihrer Vertragsverlängerung der Unmut groß war. Warum hatten Sie so gar keinen Kredit im Umfeld?
Ich vermute, dass das mit der Aussprache in Ried zu tun hat. Ich fand das damals unpassend und habe es auch gezeigt. Am nächsten Tag war ich Cheftrainer. Das war nicht der beste Start, obwohl das Verhältnis zum Chef der Ultras immer in Ordnung war. Noch eine Klarstellung, weil da Gerüchte kursieren: Außerhalb des Stadions gab es nie Probleme mit Fans.
Welchen Wunsch hätten Sie für die Zukunft an die Rapid-Fans?
Die Fans sollten aufhören, so intensiv und auch aggressiv einen Titel zu fordern. Dieser Druck bringt niemanden etwas. Sie müssten realistischer werden, aber ich weiß, dass das von emotionalen Fans sehr viel verlangt ist.
Haben Sie Didi Kühbauer als Ihren Nachfolger erwartet?
Am Anfang hätte ich gedacht, es braucht einen Trainer, der extrem ruhig ist und das auch ausstrahlt. Aber da die Fans viel Einfluss haben, ihn lieben und jetzt Ruhe geben, hilft das sehr. Die großen Vereine wollen Legenden, warum auch immer. Insgesamt sehe ich in Didi die beste Lösung für die Umstände.
Wie gut oder schlecht ist Rapid?
Wenn die Mannschaft gegen den Ball besser wird, ist sie top. Dann kann Rapid Zweiter werden, davon bin ich nach wie vor überzeugt.
Wo sehen Sie Ihre Zukunft?
Ich möchte hospitieren – bei einem Verein mit Doppelbelastung und einem ohne, wegen der unterschiedlichen Trainingssteuerung. Im Winter wäre ich wieder als Cheftrainer bereit.
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