Das große Missverständnis: Warum Struber in Salzburg gescheitert ist
Das Statement von Gerhard Struber nach der jüngsten 1:3-Niederlage beim LASK hatte bereits tief blicken lassen. "Da hat alles gefehlt, was Red Bull Salzburg ausmacht", monierte der Coach des Serienmeisters und aus ihm sprach dabei nicht nur Ärger, sondern vor allem eines: Ratlosigkeit.
48 Stunden später war der 47-Jährige seinen Job los. Die Verantwortlichen von Red Bull Salzburg trauten Gerhard Struber nach den letzten Fehlentwicklungen nicht mehr zu, die sportliche Trendwende zum Guten einzuleiten. Vor allem sahen sie mit ihm die Mission elfter Meistertitel in Serie akut gefährdet, nachdem in den letzten beiden Runden der Vorsprung auf Verfolger Sturm Graz von 5 auf 0 Punkte zusammengeschrumpft ist.
"Die letzten drei Spiele haben uns zum Handeln gezwungen", erklärte Geschäftsführer Stephan Reiter. Im Cup-Semifinale kam trotz Führung gegen Sturm Graz das Aus (3:4), in der Liga verjuxten die Salzburger daheim gegen Rapid einen 1:0-Vorsprung und holten nur einen Punkt, und der Auftritt beim 1:3 in Linz am Freitag war dann ein einziger Offenbarungseid. "Die Mannschaft ist extrem verunsichert aufgetreten", hält Sportdirektor Bernhard Seonbuchner fest.
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Ob dieser Gerhard Struber nicht ein Bauernopfer wäre, wurden Geschäftsführer Reiter und Sportchef Seonbuchner am Montag bei der Pressekonferenz gefragt. "Der Trainer ist für die Performance am Platz verantwortlich", lautete die lapidare Antwort. Tatsächlich war Gerhard Struber kein Bauernopfer, sondern vielmehr ein großes Missverständnis.
Notlösung
Weil Matthias Jaissle wenige Stunden vor Saisonstart dem Ruf des Geldes nach Saudi-Arabien folgte, musste binnen kürzester Zeit ein Trainer her. In Gerhard Struber war zufälligerweise ein Trainer mit Red-Bull-Stallgeruch (Liefering, RB New York) frei, der als erster Salzburg-Trainer obendrein auch noch aus der Region kommt.
Schon damals hatten einige Salzburg-Insider Zweifel an dieser (Not)lösung. Sie erinnerten sich an Strubers Zeit beim Farmteam FC Liefering, wo er sich nicht wirklich für höhere Aufgaben empfohlen hatte. Er sei ein herzensguter Mensch, aber der Aufgabe beim Serienmeister nicht gewachsen, war nach Amtsbeginn in Wals-Siezenheim zu hören.
Schwache Torausbeute
Die Skeptiker sollten recht behalten. Gerhard Strubers Auftreten wirkte von Beginn an gekünstelt. Die Fans, die ein gutes Gespür für Authentizität haben, wurden mit ihm nie wirklich warm, obwohl er aus der Region kommt. "Das war oft weit weg von fair, wie mit ihm umgegangen wurde", sagte Geschäftsführer Reiter.
- Gerhard Struber
Juli 2023 - April 2024, 34 Spiele;
1,94 Punkte/Spiel, wurde beurlaubt. kein Titel - Matthias Jaissle (GER)
Juli 2021 - Juli 2023, 92 Spiele; 2,28, wurde beurlaubt. 2x Meister, 1x Cup-Sieger - Jesse Marsch (USA)
Juli 2019 - Juli 2021, 94 Spiele; 2,18, Abgang zu RB Leipzig (GER)
2x Meister, 2x Cup-Sieger - Marco Rose (GER)
Juli 2017 - Juli 2019, 114 Spiele; 2,35, Abgang zu Gladbach (GER)
2x Meister, 1x Cup-Sieger - Oscar Garcia (ESP)
Dezember 2015 - Juni 2017, 73 Spiele; 2,26, Abgang zu St. Etienne (FRA)
2x Meister, 2x Cup-Sieger - Peter Zeidler (GER)
Juni 2015 - Dezember 2015, 25 Spiele; 1,80, wurde beurlaubt
kein Titel - Adi Hütter
Juni 2014 - Juni 2015, 54 Spiele; 2,09
Rücktritt, 1x Meister, 1x Cup-Sieger - Roger Schmidt (GER)
Juli 2012 - Juli 2014, 99 Spiele; 2,24, Abgang zu Leverkusen (GER)
1x Meister, 1x Cup-Sieger
Doch Gerhard Struber machte sich selbst angreifbar. Er verkündete vollmundig einen "attraktiven und offensiven Fußball", doch Anspruch und Wirklichkeit spielten nicht Doppelpass. Im Herbst hatte der Coach noch zurecht auf die fehlende Vorbereitung und die Verletzungsmisere verwiesen, doch gerade im Frühjahr war vom propagierten Offensivspektakel nichts zu sehen. In den letzten elf Liga-Partien konnten die Salzburger lediglich zwei Mal mehr als einen Treffer erzielen.
Dass der Kader von Salzburg in der Vergangenheit schon einmal besser bestückt war, ist kein Geheimnis. Die Führungsspieler der aktuellen Mannschaft sind allesamt in der Defensive zu finden (Goalie Schlager sowie die Innenverteidiger Pavlovic und Solet), vorne fehlt ein Torjäger, der den Unterschied machen kann.
"Die individuelle Qualität ist da. Es geht darum, das Potenzial auch auf dem Platz sichtbar zu machen", sagt Sportchef Seonbuchner und erklärt die Freistellung von Struber wie folgt: "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir unser Saisonziel, den Meistertitel, erreichen. Und den Klubzielen ordnen wir alles unter."
Als Nachfolger von Gerhard Struber drängte sich eine interne Lösung auf: Onur Cinel wird vom Farmteam Liefering hochgezogen und für die letzten sechs Spiele zum Cheftrainer befördert. "Der Vorteil ist, dass ich die Mannschaft, den Verein und die Spielweise kenne", sagt der 38-jährige Deutsche und kündigt an: "Es ist was da, das rausgekitzelt werden muss."
Onur Cinel ist auch Assistent von Ralf Rangnick beim österreichischen Nationalteam. Das ist auch mit ein Grund, warum er bei den Salzburgern nur bis zum Saisonende auf der Bank sitzen wird - selbst wenn er die Pflicht erfüllt und den Meistertitel holt.
Die Klubverantwortlichen sichten derweil den Trainermarkt und werden - wie üblich - Ausschau nach einem Chefcoach mit Red-Bull-DNA halten. Zwangsläufig fällt da der Name Bo Svensson, der Däne, der bis vor wenigen Monaten Mainz in der deutschen Bundesliga trainiert hatte, war früher schon in Liefering tätig. Und auch dass der ehemalige RB-Leipzig-Assistenzcoach Robert Klauß bei Rapid erfolgreiche Arbeit verrichtet, wird man in Salzburg registriert haben.
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