Salzburg ist heute in der Champions League bei Real Sociedad zu Gast. Für den österreichischen Meister geht es in Gruppe D noch um Platz drei, der einen Umstieg in die Europa League bedeuten würde. Macht Salzburg heute zumindest einen Punkt mehr als Benfica (gegen Inter), wäre das Ziel vorzeitig erreicht.
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Das weiß auch Trainer Gerhard Struber, der weiterhin viele Verletzte zu beklagen hat (sieben). Im Sommer genauso unverhofft wie plötzlich auf Salzburgs Trainerbank gelandet, steht der 46-Jährige jetzt im Rampenlicht. Im KURIER-Interview spricht er über die Herausforderungen im Job, die Chancen in der Königsklasse und das aktuelle Weltgeschehen.
KURIER: Ist der Job so, wie Sie erwartet haben, oder hat es Überraschungen gegeben?
Gerhard Struber: Vieles ist so wie erwartet. Salzburg ist ja meine Heimat, ich habe auch beim Klub selbst schon einige Leute von früher gekannt. Gleichzeitig war mir im Sommer aber klar, dass ich einen Kader übernehme, in dem es eine Hypothek an Verletzungen gegeben hat. Die schleppen wir teilweise leider noch den ganzen Herbst über mit. Wenn Sie mich fragen, ob es schwieriger ist, als erwartet, würde ich sagen „ja“. Einfach, da wir nicht die Verfügbarkeit im Kader haben, wie wir sie gerne hätten.
Sportlich hat es im Herbst einige Rückschläge gegeben. Warum ist Salzburg heuer nicht so dominant?
Der Mix aus den erwähnten Verfügbarkeiten in Verbindung mit der naturgemäß engen Taktung mit wenig Trainingszeit – das ist für mich der Hauptgrund. Aber ich will mich nicht beschweren. Nur: Wenn du Spieler immer wieder ins Rennen schickst, die überspielt sind oder eine hohe Belastung haben, dann kommt es zu einer Kettenreaktion: Das zieht nach sich, dass man neue Verletzte bekommt, oder dass man nicht so performt, wie man sich es vorstellt. Dazu kommt, dass wir keine gemeinsame Vorbereitung hatten. Und wir haben eine extrem junge Mannschaft, die voll in der Entwicklung steckt, da gibt es naturgemäß mehr Auf und Abs. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir in einer ganz schwierigen Gruppe in der Champions League auf Platz drei stehen. Und wir sind nach wie vor in Österreich die Nummer eins.
Aber nur knapp …
Ja, in der Liga ist es knapper geworden. Das liegt aber auch daran, dass andere Mannschaften viele Dinge richtig machen. Die Erwartungshaltungen sind riesengroß – verständlich, bei all den Erfolgen, die hier in den letzten Jahren passiert sind.
Es hat taktische Umstellungen gegeben, die Raute ist nicht mehr in Stein gemeißelt. Eine Folge der vielen Ausfälle?
Nein, ich habe einfach geschaut, welche Spieler wie zusammenpassen. In internationalen Spielen hat man schon gesehen, dass man mit der Raute nicht immer alles bespielen und erfolgreich sein kann. Deshalb war mir wichtig, flexibler zu werden.
Wenn Sie sich einen Spieler wünschen dürften, welchen Spielertyp hätten Sie noch gerne im Team?
Wir haben einen unglaublich interessanten Kader, eine super Mischung an Spielern, die genau unseren Stil umsetzen kann. Es geht nun darum, diesen Kader wieder komplett verfügbar und top-fit zu bekommen. Wir haben im Kader alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein.
Zur Champions League: Wie bewerten Sie die Saison in der Königsklasse bislang?
Von der Performance her bekommen wir es gut hin. Wir haben richtig gut losgelegt mit einem verdienten Sieg in Lissabon. Dann war das Spiel gegen Real Sociedad. Mittlerweile weiß jeder, dass diese Mannschaft mit Real Madrid datenmäßig die beste Positionsmannschaft in Spanien ist. Da haben wir uns richtig schwer getan. In den beiden Mailand-Spielen haben wir einen guten Job gemacht. Manchmal braucht es auch ein bisschen Glück, um Punkte mitzunehmen.
Jetzt Real Sociedad und Benfica. Was erwarten Sie?
Dass wir wieder diese mannschaftliche Geschlossenheit unter Beweis stellen. Dass wir mutig sind in unserer Idee. Dass wir hoffentlich auch wieder die Frische in der Mannschaft haben, die wir brauchen, um dort sehr aggressiv agieren zu können. Die Erwartungshaltung ist, dass wir international überwintern. Das ist unser Ziel und daran halten wir fest.
Als Trainer in New York war die Trennung von der Familie ein großes Problem. Dieses Problem haben Sie als Salzburger aktuell nicht. Ist das jetzt Ihr Traumjob?
Es ist einfach eine richtig angenehme Situation, dass ich nach einem langen Arbeitstag am Abend nach Hause komme und mit meiner Familie abendessen kann. Das hört sich vielleicht ein bisschen ungewöhnlich an, aber jeder, der das längere Zeit nicht gehabt hat, wird mich verstehen. Auch mit meinem Sohn einmal gemeinsam in die Akademie zu fahren und ihn zum Training zu bringen oder abzuholen, das ist für mich etwas Besonderes. Und das geht sich jetzt tatsächlich öfters aus. Gleichzeitig trainiere ich eine Mannschaft, die in der Champions League spielt. Diese Gesamtheit macht es schon zu etwas Besonderem und dafür bin ich dankbar.
Haben Sie Vorbilder?
Ja, Jürgen Klopp zum Beispiel, aber ich schätze auch Roberto de Zerbi sehr. Mit ihm bin ich immer wieder im Austausch. Mir taugt sein Spielstil, aber auch seine Herangehensweise. Das sind zwei Trainer, die ihren Mannschaften in England ihren Stempel aufdrücken. Klopp in Liverpool seit Jahren, aber auch De Zerbi, der bei Brighton einen eigenen Stil entwickelt hat. Dort hat man geglaubt, nach Graham Potter kann es nicht weitergehen, aber er hat es auf ein anderes Level gehoben.
Apropos Potter: Sie wurden in der Vergangenheit schon mit Lord Voldemort verglichen, dem Gegenspieler von Harry Potter ...
Mit diesem Vergleich kann ich nicht viel anfangen, ich weiß nicht, warum ich in diese Rolle geschlüpft bin (lacht).
Kriege, Krisen – es passiert gerade viel in der Welt. Mit Oscar Gloukh ist auch einer Ihrer Spieler direkt betroffen. Welche Bedeutung hat Fußball in Zeiten wie diesen?
Wenn wir hier in Österreich täglich die Nachrichten verfolgen, dann ist Fußball einfach eine unglaublich gute Ablenkung. Eine Möglichkeit, um ein Stück weit wegzukommen aus dieser dramatischen Zeit. Wir sind mit unserer Internationalität im Verein direkt konfrontiert mit diesen Dingen. Mit Jungs, die tatsächlich Familie oder Freunde in Krisengebieten haben. Diese Spieler brauchen dann oft ein etwas anderes Verständnis. Denn eines muss man schon betonen: Uns in Österreich geht es wirklich gut. Wir leben in einem sicheren Land, in einer Demokratie, haben Meinungsfreiheit. Das ist ein hohes Gut und wir sollten weiter hart daran arbeiten, das zu schützen.
Was muss passieren, damit Sie Mitte Dezember, nach dem Benfica-Spiel zufrieden bilanzieren können?
Dass man wieder mehr unseren typischen Fußball sieht und dass wir es geschafft haben, international zu überwintern.
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