WSG-Trainer Silberberger: "Die Spieler sind mir ziemlich wurscht"

Thomas Silberberger ist seit 2013 Trainer von WSG Tirol. Nach dieser Saison verlässt er den Verein.
Der WSG-Langzeitcoach Thomas Silberberger spricht offen über den Druck im Abstiegskampf und erzählt, dass er externe Hilfe in Anspruch genommen hat.

Wenn jemand weiß, wie  der Abstiegskampf funktioniert, dann ist es Thomas Silberberger. Der Langzeitcoach von WSG Tirol bestreitet mit seinem Team gerade seine vierte Qualifikationsrunde und trifft am Samstag auf BW Linz. Dass er mit Saisonende in Wattens einen Schlussstrich zieht, hat auch mit dem Ligamodus und der Punkteteilung zu tun.

„Der Ligamodus hat mich gekillt“, sagt Silberberger.

KURIER: Was macht der Abstiegskampf mit Ihnen als Trainer und als Mensch? 

Thomas Silberberger: Mein Rücktritt ist die Conclusio aus den intensiven Jahren im Abstiegskampf. Ich habe letztes Jahr gemerkt: Ich will das gar nicht mehr, das ist ja null Lebensqualität. Du hast zehn Wochen eine Drucksituation und musst schauen, dass du irgendwie einen Ausgleich bekommst. Sonst wirst du irgendwann narrisch.

Gelingt Ihnen das?

Ich sag’s offen: Ich habe mir externe Hilfe geholt. Ohne dem wäre es nicht gegangen.  Seither habe ich eine andere Sicht der Dinge und kann auch super ausgleichen. Ich bin in diesen Wochen extrem viel allein im Wald unterwegs und schotte mich ganz bewusst ab. Da  habe ich die Kopfhörer auf und bin froh, wenn ich niemanden sehe.

WSG-Trainer Silberberger: "Die Spieler sind mir ziemlich wurscht"

Thomas Silberberger führte WSG Tirol aus der Regionalliga West in die Bundesliga

Und dann denken Sie nicht an den Fußball und den Abstiegskampf?

Das funktioniert nicht, du denkst ja permanent über das nächste Spiel und die Mannschaft nach. Ich führe dann so eine Art Selbstgespräch, das Thema ist immer präsent. Es ist jetzt aber zum Glück nicht so, dass ich nicht schlafen könnte. Und gewisse Dinge lassen einen erden.

Sie sprechen von Ihrem Motorradunfall 2020, bei  dem Sie beinahe Ihr Bein verloren hätten?

Das war mit Abstand die schlimmste Zeit.  Seit damals denke ich anders. Ich war heuer vor dem Qualirunden-Auftakt gegen den WAC wenige Stunden vor dem Anpfiff  im Krankenhaus in Hochzirl, wo ein Freund von mir nach einem schweren Schlaganfall liegt. Das relativiert alles. Der kämpft darum, dass er irgendwie ins Leben zurückkommt und ich muss mich darüber ärgern, ob wir den WAC besiegen oder nicht.

Hilft Ihnen der Erfahrungsschatz von mittlerweile vier Qualirunden?

Das höchste Gut eines Trainers ist die Routine.  Die Mannschaft merkt sofort, ob du ein Trainer bist, der herumflippt oder ob du cool und gelassen auftrittst und  weißt, wovon du redest und was die Spieler brauchen. Meine Mannschaft braucht zum Beispiel jedes Jahr einmal einen komplett diktatorischen Ansatz.

Einen diktatorischen Ansatz?

Sie lechzen direkt danach und kriegen es auch radikal serviert. Da haben wir dann drei  Wochen im Stile von Putin. Wenn du nicht mitziehst, dann raus. Nach drei Wochen weiche ich das wieder auf, und dann funktionieren wir wieder. Das kannst du aber nur einmal in der Saison machen, weil solche Ansätze nur kurzzeitig funktionieren. Ich bin damit gut gefahren.

Wie sehr hat der neue Modus die Situation im Abstiegskampf verändert?

Dieser Modus ist definitiv ein Brandbeschleuniger für Trainerwechsel. Die Lebenszeit für einen Trainer ist dadurch noch kürzer geworden.  Allein an der Art des Fußballs, der in der Qualigruppe gespielt wird, erkannt man, wie groß der Druck ist. Alles ist darauf ausgerichtet, das Spiel zu zerstören. Nicht umsonst hat’s bis jetzt praktisch nur Unentschieden gegeben.

Welchen Druck verspüren Sie persönlich? Und ist es ein Vorteil, dass sie wissen, dass Sie im Sommer den Verein verlassen?

Ich empfinde es in gewisser Weise als Befreiung, dass das Ende in Sicht ist.  Zugleich spüre ich eine große Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern des Vereins. Als ich begonnen habe, war ich der einzige Hauptberufliche, inzwischen hängen da viele Vollzeitmitarbeiter dran. Wir haben einen sozialen Auftrag. Wenn wir die Liga verlassen, dann sind diese Jobs alle weg. Diese Mitarbeiter liegen mir am Herzen. Die Spieler sind mir ziemlich wurscht.

Wie meinen Sie das?

Der Spieler ruft nach dem Abstieg seinen Manager an und zieht ein Haus weiter. Den Spielern ist es scheißegal, was mit dem Verein passiert. Mir ist aber auch klar, dass es mir nie mehr so ergehen wird wie jetzt bei der WSG. Weil ich bei keinem Verein mehr elf Jahre Trainer sein werde. Wenn ich morgen, jetzt nur eine Hausnummer, bei Altach einen Zweijahresvertrag unterschreibe, dann sage ich mir: Ob ich das Ende der zwei Jahre erlebe, oder nicht, ist mir im Grunde scheißegal. Der Verein ist dann nur mein Dienstgeber, der andere Verein, die WSG ist aber in meinem Herzen drinnen.

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