Aufsteiger WSG Tirol werden die Grenzen aufgezeigt

Aufsteiger WSG Tirol werden die Grenzen aufgezeigt
Die Anfangseuphorie ist verflogen. Nach der Hinrunde hat Wattens weniger Punkte als Absteiger Wacker Innsbruck vor einem Jahr.

"Wir sind in jedem Spiel Außenseiter", lautet ein Lieblingsspruch von WSG Tirol-Trainer Thomas Silberberger. "Wir sind für alle der Fixabsteiger Nummer eins", ein anderer.

In diesen Aussagen schwang immer auch ein wenig Understatement mit. Denn natürlich verfolgt der Aufsteiger aus Wattens intern andere Ziele. Präsidentin Diana Langes-Swarovski macht kein Hehl daraus, dass sie nicht aufgestiegen ist, damit sich der Klub in der unteren Tabellenhälfte einzementiert. "Der Aufstieg war nur ein Etappenziel."

Und auch Trainer Silberberger meinte, angesprochen auf die Visionen des Klubs, vor der Saison im KURIER-Interview: "Dass wir das sind, wofür  der FC Tirol Ende der 1980er-Jahre unter  Ernst Happel gestanden ist: eine Topadresse in Österreich."

Die ambitionierten Zukunftspläne sind das eine, die unzufriedenstellende Gegenwart das andere. Spätestens mit der 0:1-Heimniederlage gegen Hartberg muss festgehalten werden, dass die anfängliche Euphorie einer ersten Ernüchterung gewichen ist und der Aufsteiger vom Alltag eingeholt wurde.

Aufsteiger WSG Tirol werden die Grenzen aufgezeigt

Aufsteiger Wattens konnte das Überraschungsteam Hartberg nicht stoppen.

So gelungen der Saisonstart mit dem 3:1 gegen die Austria war, so schwach waren die jüngsten Darbietungen gegen die Admira (1:3) und gegen Hartberg (0:1). Gegen zwei Teams also, mit denen sich die Wattener eigentlich auf Augenhöhe wähnten. "Wir müssen wieder in die Spur kommen", weiß Trainer Silberberger.

Nach der Hinrunde halten die Wattener bei neun Punkten. Zum Vergleich: Lokalrivale Wacker Innsbruck hatte vor einem Jahr nach elf Runden sogar einen Zähler mehr auf dem Konto. Wohin die Reise des zehnfachen Meisters am Ende führte, ist hinlänglich bekannt. Nicht wenige Experten sind sogar der Ansicht, dass der Kader des FC Wacker in der vergangenen Saison besser gewesen wäre, als der aktuelle von Wattens.


Wo hapert's denn jetzt beim Aufsteiger? Wo ist Not am Mann? Wo Luft nach oben? Ein Zwischenfazit nach elf Runden.

Fehlender Heimvorteil: Es ist kein Geheimnis, dass die WSG Tirol die Heimspiele lieber in Wattens austragen würde, wo der Verein beheimatet ist und auch trainiert. Mit dem Tivolistadion scheinen die Spieler des Aufsteigers noch immer zu fremdeln, nicht von ungefähr hat der Liga-Neuling auswärts mehr Punkte gesammelt als vor eigenem Publikum. "Das sind Spiele auf neutralem Boden", sagt denn auch Trainer Thomas Silberberger. 4188 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Heimspielen der Wattener - das ist verglichen mit Wacker Innsbruck gar nicht einmal so schlecht. Die Innsbrucker hatten vor einem Jahr nach fünf Partien einen Schnitt von 4548 Fans.

Aufsteiger WSG Tirol werden die Grenzen aufgezeigt

4188 Fans besuchten im Schnitt die Heimspiele von WSG Tirol.

Fehlende Cleverness: In den vergangenen Partien wurden dem Aufsteiger immer wieder die Grenzen aufgezeigt. Vor allem das Abwehrverhalten sorgte bei Trainer Silberberger zusehends für Unmut. Immer wieder leisten sich die Wattener bei Standardsituationen einen kollektiven Sekundenschlaf und kassieren vermeidbare Gegentore. Beim 0:1 gegen Hartberg ließ sich WSG Tirol auskontern, obwohl der Coach tagelang eindrücklich vor den Gegenstößen der Steirer gewarnt hatte.

Aufsteiger WSG Tirol werden die Grenzen aufgezeigt

Thomas Silberberger ärgerte sich über die Heimniederlage gegen Hartberg.

Fehlende Kaderdichte: Goalie Ferdinand Oswald, Abwehrchef Ione Cabrera, Mittelfeldantreiber Lukas Grgic, Goalgetter Zlatko Dedic - dieses Quartett ist das Um- und Auf bei WSG Tirol. Ist einer dieser Spieler verletzt oder gerade einmal nicht in Bestform, dann läuft das Wattener Werkl unrund. Verteidiger Cabrera steht nach einer Schulter-OP erst 2020 wieder zur Verfügung, es ist augenscheinlich, dass der spanische Routinier als defensiver Denker und Lenker fehlt.

Obendrein zeigt sich schon jetzt, dass für den einen oder anderen Spieler die Bundesliga wohl eine Nummer zu groß ist. Im Kader von WSG Tirol finden sich etliche Kicker, die bislang kaum oder noch gar nicht zum Einsatz gekommen sind. Bestes Beispiel ist Stürmer Milan Jurdik: Im Match gegen Hartberg wechselte Coach Silberberger in der Schlussphase lieber den baumlangen Defensivmann Michael Svoboda als den tschechischen Angreifer ein.

Es würde nicht wundern, wenn die Wattener sich bereits im Winter von dem einen oder anderen Spieler trennen und selbst noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden.

Fehlende Kaltschnäuzigkeit: Der Aufsteiger hat nun zwei Partien in Folge verloren, die eigentlich nicht verloren hätten werden müssen. Beim 1:3 gegen die Admira waren die Tiroler früh in Führung gegangen und hatten sogar das vorentscheidende 2:0 auf dem Fuß. Auch gegen Hartberg ließ das Team von Thomas Silberberger zu viele Torchancen liegen.

Fehlende Standard-Gefahr:  "Die Standards sind unsere Lebensversicherung", hatte Trainer Silberberger vor dieser Saison gemeint. Die vermeintliche Stärke ist inzwischen zu einer regelrechten Schwachstelle des Liga-Neulings geworden. Wattens kassiert immer wieder Gegentore nach ruhenden Bälle, umgekehrt können die Tiroler aus eigenen Eckbällen und Freistößen kaum einmal Profit schlagen."Die Standards, die uns in den ersten Wochen ausgezeichnet haben, sind mittlerweile Flankentraining für den gegnerischen Torhüter", sagte Silberberger im Sky-Interview.

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