College-Sport: Wenn aus Amateuren plötzlich Millionäre werden
Bo Nix, Star-Quarterback der Auburn University hat es vorgemacht. Am 1. Juli postete er ein Foto auf Instagram, auf dem er ein Teegetränk in einer Plastikflasche in die Kamera hält – und sein breitestes Grinsen aufsetzt. Er hat gut Lachen, denn seit Kurzem ist klar, dass er schon in diesem Jahr Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Dollar verdienen wird.
Wenn es einem Athleten im US-College-Sport gerade läuft, dann kann er oder sie sicher sein, dass in Kürze das Telefon klingelt (oder eine neue Direktmessage auf Social Media aufscheint). Denn derzeit sind die Scouts Tausender Marken auf der Suche nach neuen Werbeträgern für ihre Produkte. Weil die Studenten-Sportler seit wenigen Wochen mit der neuen "NIL-Regelung" (Name, Image, Likeness – vergleichbar mit Namens- und Bildrechten) mit Werbung Geld verdienen dürfen, sind sie gefundenes Fressen für die Unternehmen. Und umgekehrt.
In den vergangenen Wochen ist in den USA ein neuer Markt entstanden, von einem "milliardenschweren" Business schreibt die Financial Times. Während viele College Ligen, etwa Football, gerade beginnen, versuchen die Beteiligten – von Athleten, über Sponsoren bis hin zu Anwälten – aus einer Milliardenindustrie schlau zu werden, die sich über Nacht professionalisiert hat.
Mehr als Ausbildung
College Sport in dieser Form existiert in den Vereinigten Staaten seit fast einem Jahrhundert, es ist eine der bestgehüteten Traditionen der US-Kultur. Die Major Leagues der großen Sportarten (NBA, NFL, MLB, NHL) rekrutieren ihre Top-Stars oft aus den College-Ligen. Die Nonprofit-Organisation NCAA (National Collegiate Athletic Association) überblickt mehr als 500.000 Athleten in 24 Sportarten an mehr als 1.000 Universitäten und Colleges im gesamten US-Bundesgebiet.
Doch die NCAA-Ligen sind mehr als nur Ausbildungsligen, sie erfreuen sich massiver Beliebtheit. 14 Milliarden Dollar wurden laut Financial Times allein im Jahr 2019 umgesetzt, die Haupteinnahmequellen sind Übertragungsrechte für TV-Anstalten und Verträge mit Sportartikelherstellern, die ganze Teams oder Universitäten mit ihrer Kleidung ausstatten.
1987 war Nike die erste Firma, die mit der University of Miami eine gesamte Hochschule mit Sportkleidung ausgestattet hat – von Football bis Bodenturnen. Danach wurden Hunderte solcher Verträge abgeschlossen.
Die Top Trainer verdienen Millionenbeträge pro Jahr. Sie sind unter den höchstbezahlten öffentlich Angestellten des Landes. Viele der Turniere im College Sport werden von Zehntausenden Menschen besucht.
Im Fernsehen folgen Hunderttausende. Das March Madness Basketball Turnier brachte allein mehr als eine Milliarde Dollar an TV-Übertragungsgeldern ein. Das Geld verdienen die Trainer, die Universitäten, die Ligen und die NCAA (die es wieder investiert).
Die Athleten – von denen die Besten im ganzen Land bekannt sind und Hunderttausende Follower auf Social Media haben – bekamen bisher nur das Schulgeld und Lebenserhaltungskosten erstattet. Das hat etwa beim Basketball dazu geführt, dass gute Spieler von der High School nicht mehr aufs College, sondern direkt in untere Ligen wechseln, um dort Geld zu verdienen. Ein Beispiel ist etwa Jalen Green, der heuer von NBA-Team Houston Rockets als einer der Topathleten ("#2 Pick") verpflichtet ("gedraftet") wurde.
Sowas ist für die Unis ein Verlustgeschäft. Von den TV- und Sponsorengeldern, die ihnen starke College-Teams sichern, finanzieren sie schließlich ihren Studienbetrieb mit.
Für Pöltl "überfällig"
Im Sommer hat die NCAA nun aber ihre Zahlungspolitik geändert. Einige Bundesstaaten hatten zuvor ihre Gesetze angepasst – mit Juli haben Athleten in zumindest drei Bundesstaaten das Recht auf Bezahlung erhalten. Hinzu kam ein richtungsweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofes, das das Geschäftsmodell der NCAA als "illegal" einstufte.
Mit der Änderung gewannen Studenten-Sportler das Recht, ihre Namens- und Bildrechte zu verkaufen – in jedem College, egal in welchem Bundesstaat. "Ich finde, das war überfällig", sagt Österreichs NBA-Export Jakob Pöltl, der selbst am College von Utah gespielt hat. "Ich sehe keinen Grund, warum diese Athleten, von denen manche wirklich sehr berühmt sind und teilweise schon enormen Einfluss auf die Gesellschaft haben, nicht mit ihrem Namen für eine Marke werben dürfen."
Geht es nach der NCAA, sollen die neuen Bestimmungen ins Bundesgesetz aufgenommen und damit einheitlich geregelt werden. NCAA-Präsident Mark Emmert lobbyiert bei der US-Politik für eine einheitliche Regelung. Demnächst soll im Kongress ein Gesetzesvorschlag vorgelegt werden. Noch sind etliche Einzelheiten nicht geregelt.
Spaltung droht
Die bekanntesten Athleten bemühen sich seit Wochen um Sponsorendeals. Experten vermuten, dass die nun möglichen Verträge allein im ersten Jahr 1,5 Milliarden US-Dollar ausmachen könnten. Top Athleten wie der eingangs erwähnte Footballer Bo Nix, der mittlerweile einen Anwalt hat, der Sponsorenanfragen für ihn regelt, könnten 6,5 Millionen Dollar pro Jahr verdienen. Auch bekannte Namen (und Gesichter) aus anderen bereichen verdienen gut. Eine von ihnen ist etwa die 18-jährige Turnerin Olivia Dunne von der Louisiana State University (LSU), die auf Instagram 1,3 Millionen Follower hat.
Viele andere Studierende brauchen keine Anwälte oder Agenten. Mehr als 80 Prozent der Verträge, die im Rahmen der NIL-Regelung unterschrieben werden, belaufen sich auf weniger als 100 US-Dollar.
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