Corinna Milborn: "Pressefreiheit ist nicht einfach da"

Corinna Milborn: "Pressefreiheit ist nicht einfach da"
Die Puls4-Infodirektorin wurde mit dem Preis der ROMY-Jury geehrt. MIlborn im Gespräch über Fake News, ihren Job und warum Journalismus kein Wettlauf der Eitelkeiten sein sollte.

„Gerade wenn man mit Bildern arbeitet, diesen Krieg zu verfolgen, ist wirklich heftig“, sagt Corinna Milborn im KURIER-Gespräch. In dieser „Propagandaschlacht“ verifiziert und gut zu informieren, erfordere hohe Konzentration. „Es ist aber auch eine sehr lohnende Aufgabe gerade, weil das Bedürfnis nach Information so groß ist.“

Für ihren Einsatz gegen Fake News und für seriösen Journalismus bekommt die Puls4-Infodirektorin heuer den Preis der Jury der ROMY. „Journalismus ist nie eine Einzelarbeit und Fernsehen schon gar nicht.“ Deswegen gehöre der Preis auch dem gesamten Team. „Mich freut es wirklich, wenn die Arbeit gesehen wird. Es ist ein Indikator dafür, dass man etwas richtig gemacht hat, in einem Beruf, in dem man sehr viel falsch machen kann und eigentlich täglich darum ringt, das Richtige zu tun.“

Harte Arbeit

Seit Jahren befasst sich die gebürtige Tirolerin mit Fake News, die gerade in unsicheren Zeiten Zulauf finden – und bewusst verbreitet werden. „Teil der russischen Propaganda ist, dass online und in Telegram-Gruppen Verwirrung gestiftet und Zweifel gesät werden. Bei den Leuten bleibt dann hängen: Es könnte ja auch anders gewesen sein. Dem beizukommen, ist extrem schwierig. Da arbeiten wir jeden Tag sehr hart dran.“ Bei Puls4 und dem dazugehörigen Nachrichtensender Puls24 hat man daher eine Kooperation mit den Fact-Checkern von Mimikama gestartet, die Bildmaterial verifizieren, bevor es „on air“ geht.

Durch die Beschäftigung mit Fake News merke man, „warum echter, unabhängiger Journalismus so wichtig ist. Das ist kein Nice-to-have: Das ist grundlegend wichtig, sonst kann Demokratie nicht funktionieren.“ Für Milborn ein Ansporn.

Die fehlende Pressefreiheit in Russland zeige, „was passieren kann, wenn man nachgibt. Pressefreiheit ist etwas, das nicht einfach immer da ist: Wir haben das nicht einmal errungen und es bleibt so. Man muss jeden Tag darum kämpfen, die Wahrheit herauszufinden und so zu berichten, dass sie verständlich ist und dass man etwas damit anfangen kann.“

Corinna Milborn: "Pressefreiheit ist nicht einfach da"

Wettlauf der Eitelkeiten

Auf verständliche Information setzt Milborn auch beim Thema Corona, im Herbst etwa mit einer eigenen Fragestunde zur Impfung. „Von der Politik hat es zu dem Zeitpunkt geheißen: Es hat jetzt jeder alle Informationen, um sich zu entscheiden.“ Dass dem nicht so war, habe sich nach einem Aufruf an das Publikum gezeigt, Fragen einzuschicken: „Es war Wahnsinn: Wir haben 10.000 Nachrichten bekommen.“

Generell müssten Medien ihr Publikum stärker in den Fokus nehmen. „Mir ist extrem wichtig, mir immer wieder in Erinnerung zu rufen, für wen ich Journalismus mache – nämlich nicht für die Kollegen und nicht für die Politik. Sondern für die Leute, die von der Arbeit nach Hause kommen und dann den Fernseher aufdrehen. Ich stelle mir immer die Frage: Was ist für diese Personen notwendig zu wissen?“, so Milborn. „Journalismus sollte nie ein Wettlauf der Eitelkeiten sein. Man läuft leicht Gefahr, dass es nur darum geht, die Geschichte als erster zu haben. Ins Erklären wird dann oft weniger Energie gesteckt, weil das wahre Zielpublikum andere Journalisten sind.“ Aber es gebe immer Leute, die „neu einsteigen, die davor vielleicht kaum Nachrichten konsumiert haben. Diesen Wissensstand muss man auch immer miteinbeziehen.“

Zur umstrittenen Corona-Berichterstattung anderer Privatsender sagt Milborn: „Journalisten haben Standpunkte, von denen aus sie berichten und deswegen ist Medienvielfalt wichtig. Es soll verschiedene Blickwinkel auf das Geschehen geben. Aber was man nicht machen kann, ist, dass man das Geschehen woanders hin zerrt, zu seinem eigenen Standpunkt, indem man es verfälscht.“

Keine Spielereien

Hat sich Milborns Zugang zum Job durch die Krisen verändert? „Ich war in meinem Berufsleben immer mit Krisen beschäftigt“, sagt die 49-Jährige, die u. a. als Menschenrechtsbeobachterin in Guatemala war und dort mit forensischen Teams Massaker untersucht hat. „Eigentlich hat sich der Job selbst nicht verändert, aber es gibt Phasen, da ist er noch wichtiger.“ Gerade jetzt könne man sich „keine Fehler und keine Spielereien leisten.“

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