Corinna Milborn: In der Krise hat sich "jeder mit Politik beschäftigt“
Traditionell vor anderen heimischen TV-Sendern zeigt Puls4 seine „Sommergespräche“ – heuer mit dem Untertitel „Der Weg aus der Krise“. Ab morgen (Montag) führt Infochefin Corinna Milborn durch die Interviews mit den Parteichefs (die genauen Sendetermine finden Sie in der Infobox unten). Die Gespräche finden wie gehabt im Studio statt – und auch wieder vor kleinem Saalpublikum.
KURIER: Gerade zu Beginn der Corona-Krise waren Medien sehr stark gefordert, im Gegensatz zu manch anderen Branchen gab es keine Entschleunigung. Ist jetzt wieder Ruhe eingekehrt?
Corinna Milborn: Bei uns war wirklich das Gegenteil von Entschleunigung der Fall. Das Informationsbedürfnis war sehr groß und es gab viel zu kommunizieren. Wir haben wesentlich mehr gearbeitet als sonst und das unter schwierigeren Bedingungen. Aber es hat schnell gut funktioniert. Jetzt geht es langsam wieder in den Normalbetrieb über, was aber nicht heißt, dass es weniger zu berichten gäbe: Gerade der Ibiza-U-Ausschuss wird jetzt spannend.
Auch die Politik geht wieder in den Normalbetrieb über. Wie wirkt sich das auf die „Sommergespräche“ aus?
Das Timing trifft sich gut. Wir machen unsere „Sommergespräche“ mittlerweile seit drei Jahren vor der Sommerpause und da ist es jetzt praktisch, dass wir aus dem Krisenmodus draußen sind. Dadurch haben wir die Gelegenheit, zurückzuschauen: Was hat gut funktioniert? Wo sind Fehler passiert? Politiker haben Entscheidungen getroffen, die massiv ins Leben von vielen Menschen eingegriffen haben. Anhand dessen kann man gut über den moralischen Kompass der Parteichefs sprechen. Und natürlich stecken wir jetzt in einer Wirtschaftskrise. Da haben die Parteien unterschiedliche Ansichten, wie man da wieder herauskommt.
Skype-Interviews haben den Vorteil, dass man mit Menschen auf der ganzen Welt reden kann, ohne dass sie anreisen müssen. Aber es sind nicht die besseren Gespräche.
Die Interviews können wie gewohnt im Studio geführt werden. Hatten Sie für den Notfall schon eine Videotelefonie-Variante geplant?
Dann hätten wir uns wohl irgendeine Skype-Variante ausgedacht. Aber ich bin froh, dass wir direkte Gespräche führen können. Skype-Interviews haben den Vorteil, dass man mit Menschen auf der ganzen Welt reden kann, ohne dass sie anreisen müssen. Aber es sind nicht die besseren Gespräche. Viele Nuancen fallen weg und man kann körpersprachliche Dinge weniger gut wahrnehmen. Interviewpartner verfallen auch leichter in einen Vortragsmodus. Für ein tiefer gehendes Interview ist es besser, wenn man im gleichen Raum sitzt.
Und wieder mit Publikum?
Genau, der Neustart findet auch in unserem Studio statt – natürlich mit Abstand, so wie es vorgeschrieben ist. Wir wollen auch zeigen, was geht. Zum Beispiel hätten wir in der ganz strengen Phase immer im Studio arbeiten können, haben aber auf Skype gesetzt, um zu vermitteln: Man schränkt jetzt Kontakte ein und wir tun es auch.
Hat sich das Verhältnis der Menschen zur Politik durch die Ausnahmesituation der vergangenen Monate verändert?
Mir kommt vor, viele, die Innenpolitik normalerweise nicht ganz genau verfolgen, sind jetzt extrem nah dran. Das sieht man zum Beispiel in sozialen Netzwerken, die sonst wenig politikgetrieben sind, wie TikTok oder Instagram. Jeder hat sich mit Politik beschäftigt, weil Entscheidungen getroffen wurden, die ganz konkrete Auswirkungen hatten: Darf ich rausgehen? Brauche ich eine Maske?
Und wahrscheinlich haben die meisten noch nie so viele Pressekonferenzen von Politikern gesehen.
Ich glaube, es hat auch noch nie so viele gegeben (lacht). Aber es gab auch sehr viel zu kommunizieren. Ich bin froh, dass wir in einem Land leben, wo das so gehandhabt wurde und sich auch immer alle Politiker Interviews gestellt haben. In Deutschland hat es beispielsweise wesentlich weniger Kommunikation gegeben. Die Bundeskanzlerin hat eine Zeit lang gar keine Interviews gegeben.
Es hat tatsächlich Teile der Bevölkerung gegeben, die Angst hatten oder sich nicht mehr wohlgefühlt haben. Und man hat natürlich auch eine Verantwortung, dass man Leute nicht überfordert.
Jetzt kann man nicht nur mit etwas Abstand die Politik, sondern auch die Arbeit von Medien beobachten. Wie sieht da Ihr Resümee aus?
Ich bin zufrieden damit, wie wir die Phase geschafft haben. Wir haben für uns vorab einige Dinge festgelegt, um nicht in die Falle zu tappen, nur zu verkünden, was die Politik sagt. Wir haben immer auch die Fragen der anderen Journalisten nach den Pressekonferenzen übertragen, haben Analysen gebracht, die Opposition befragt und kritische Interviews geführt. Und wir haben versucht, Betroffenen unterschiedlichster Art möglichst viel Fläche zu geben – vom Pflegepersonal über Ärzten bis zu Unternehmen. Da wollten viele nicht vor der Kamera sprechen, aber wir konnten das anders einbringen.
Die Quoten bei Infosendungen waren bei allen Sendern hoch, manchen war dann aber mitunter zu viel Corona-Krise im Fernsehen.
Da haben wir einen Vorteil durch unseren Nachrichtensender Puls24. Dadurch konnten wir auf Puls4 und ATV auch Unterhaltung bieten, was in dieser Zeit sehr wichtig war, und mussten dort nicht stundenlange Sondersendungen machen. Wer sich informieren wollte, konnte das immer bei Puls24 tun – und aber auch wieder wegschalten. Es hat tatsächlich Teile der Bevölkerung gegeben, die Angst hatten oder sich nicht mehr wohlgefühlt haben. Und man hat natürlich auch eine Verantwortung, dass man Leute nicht überfordert.
Es heißt, dass man aus allen Krisen etwas lernt. Was war es bei Ihnen?
Wir haben natürlich viel bei internen Abläufen gelernt. Persönlich ist es mir so gegangen wie vielen: Man hat sich darauf konzentriert, was wirklich zählt. Der Wegfall der Abendveranstaltungen, die einen großen Teil meines Lebens ausmachen, hat natürlich Gespräche und Information gekostet und ich freue mich, wenn das wieder funktioniert. Aber es hat auch Vorteile, mehr Zeit zu haben.
Die "Sommergespräche" mit den Parteichefs sind ab dem morgigen Montag live bei Puls4 und Puls24 zu sehen
15. Juni:
20.15 Uhr: Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
21.05 Uhr: Norbert Hofer (FPÖ)
22. Juni:
20.15 Uhr: Werner Kogler (Grüne)
21.05 Uhr: Beate Meinl-Reisinger (Neos)
29. Juni:
20.15 Uhr: Sebastian Kurz (ÖVP)
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