WKStA bestätigt Anklage gegen Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner

WKStA bestätigt Anklage gegen Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner
Der Prozessbeginn ist der 18. Oktober. Neben Kurz und Kabinettschef Bonelli wird auch Glatz-Kremsner angeklagt. Der Strafrahmen beträgt drei Jahre Haft.

Nachdem Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf der Plattform X (vormals Twitter) behauptet hat, dass eine Anklage wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss wohl kurz bevor stehe, hat das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Freitag offiziell bestätigt. Sebastian Kurz, sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli (ÖVP) und Ex-Casinos-Austria-Generaldirektorin, Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien und einstige Stellvertreterin als ÖVP-Chefin Bettina Glatz-Kremsner sind wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss angeklagt.

Glatz-Kremsner wird zudem vorgeworfen, dass sie "auch bei ihrer Vernehmung als Zeugin im Ermittlungsverfahren der WKStA zur Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der Casinos Austria AG falsch ausgesagt" habe, heißt es in einer Presseaussendung. Den Angeklagten drohen bis zu drei Jahre Haft.

"Die Entscheidung der WKStA, den nunmehr vorliegenden Strafantrag zu erheben, ist zur Kenntnis zu nehmen", hieß es seitens des Rechtsvertreters von Glatz-Kremsner, die vom Wiener Strafverteidiger Lukas Kollmann vertreten wird. "Meine Mandantin ist jedoch sehr zuversichtlich, dass sie ihren Standpunkt gegenüber dem Gericht umfassend darlegen wird können und geht sie von einem positiven Verfahrensausgang aus", meinte Kollmann in einer Stellungnahme.

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Sebastian Kurz

Im Wesentlichen geht es um die Frage, inwieweit er in die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef involviert war. Die Frage, ob er im Vorfeld eingebunden gewesen sei, bejahte Kurz im Ibiza-U-Ausschuss mit dem Zusatz "eingebunden im Sinne von informiert" - eine Falschaussage, so die WKStA. Kurz selbst sei bereits im Sommer 2017 an Schmid herangetreten, um ihn mit der Strukturreform zu beauftragen und ihm mitzuteilen, Schmids Rolle in der Leitung der neuen Beteiligungsgesellschaft zu sehen. Außerdem sei in einem von Kurz unterfertigten Sideletter mit dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ein Nominierungsrecht der ÖVP für den Vorstand der Beteiligungsgesellschaft vereinbart worden.

Auf die Frage nach Wahrnehmungen zur Besetzung des Aufsichtsrates der ÖBAG habe Kurz "tatsachenwidrig" ausgeführt, er wisse, dass es im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Gespräche und gegeben habe, er habe die Entscheidung aber nicht getroffen und die Aufsichtsräte nicht ausgewählt. Anders sieht das die Anklage: In einem Sideletter sei auch für den Aufsichtsrat der ÖBAG ein Nominierungsrecht der ÖVP vereinbart worden. Kurz selbst habe "sich bei vielen Gesprächen zur Besetzung des Aufsichtsrates beteiligt" und aktiv eingebracht und sämtliche von der ÖVP zu benennenden Aufsichtsräte mit ihm selbst "abstimmen" lassen.

Weiters falsch ausgesagt habe Kurz der WKStA zufolge in Bezug auf einen Chat zwischen Strache und dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger, in dem es um eine Vereinbarung geht. Hier gab Kurz laut Akt an, das könne alles sein, er habe keine Ahnung, was die vereinbart hätten, obwohl er gewusst habe, dass es sich um ein Personalpaket betreffend Postenbesetzungen der "FMA Neu" und der ÖBAG sowie deren Beteiligungsunternehmen handelte.

Bernhard Bonelli

Auch Kurz' Vertrautem und ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wird Falschaussage vor dem U-Ausschuss in Bezug auf die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates vorgeworfen. Er habe ausgesagt, darüber informiert worden zu sein, welche Entscheidung getroffen wurde, obwohl er "tatsächlich in den Prozess spätestens ab September 2018 eingebunden war, an mehreren Sitzungen betreffend die Besetzung des ÖBAG Aufsichtsrates teilnahm, diesbezüglich mit Kurz, Löger und Schmid mögliche Kandidaten diskutierte und wusste, dass neben grundsätzlicher fachlicher Eignung die persönliche Loyalität und Verlässlichkeit ein zweites entscheidendes Auswahlkriterium darstellte." Außerdem habe er Kurz eine mögliche Kandidatin vorgeschlagen, und alle späteren Aufsichtsräte mit ihm abgestimmt. Demnach handle es sich auch bei der Aussage, die Bestellung sei eine Entscheidung des Finanzministers gewesen, um eine Falschaussage.

 Falsch ausgesagt habe Bonelli laut WKStA auch, als er angab, sich nicht genau erinnern zu können, ob es zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen über die Bestellung eines Alleinvorstandes gegeben habe. Auch gab Bonelli an, nicht zu wissen, wer betreffend das Kabinett im Finanzministerium die Kabinettsmitglieder ausgesucht hat. Diesbezüglich habe aber er den Prozess organisiert und initiativ Löger kontaktiert, in Sitzungen dessen Vorschläge diskutiert und ihm am Ende des Prozesses mitgeteilt, dass "die von Löger in Aussicht genommene Besetzung von Kurz, Blümel und Melchior (Axel, Anm.) genehmigt sei."

Bettina Glatz-Kremsner

Glatz-Kremsner werden Falschaussagen sowohl im U-Ausschuss als auch vor der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft vorgeworfen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens zur Causa Casag habe sie angegeben, nicht von einem Treffen zwischen Löger und Johann Graf gewusst zu haben - Eine Falschaussage, so die Staatsanwaltschaft. Tatsachenwidrig ausgesagt habe sie auch zur Bestellung Peter Sidlos zum Vorstandsmitglied der Casag. Sie hätte lediglich gewusst, dass er FPÖ-Bezirksrat war, aber keine Wahrnehmung zu einem politischen Hintergrund seiner Bestellung gehabt. Wahrheitswidrig sei auch die Aussage, sie habe keine Unterstützung bei der Bestellung Sidlos zugesagt und nie mit Strache darüber gesprochen. Diesem hätte sie jedoch mitgeteilt "Unterstützung sehr gerne und aus Überzeugung."

Weiters gab Glatz-Kremsner an, keine "Signale" einer Unterstützung einer Bewerbung ihrerseits zur CEO der Casag aus dem Finanzministerium bzw. der ÖVP-Parteispitze erhalten zu haben. Die Anklage wirft ihr vor, genau gewusst zu haben, dass Schmid, Löger und Kurz ihre Bewerbung unterstützten und ihr das auch mitteilten.
 

Prozess gegen Kurz beginnt am 18. Oktober

Der 108-seitige Strafantrag wurde laut WKStA von einem Richter geprüft und bereits am 11. August eingebracht. Der gesamte Akt soll aus mehreren Kisten bestehen, heißt es vom Landesgericht. Prozessbeginn ist der 18. Oktober, weitere Gerichtstermine sind der 20. sowie der 23. Oktober - dann soll das Urteil fallen. 

In ihrem Strafantrag spricht sich die Strafverfolgungsbehörde übrigens explizit gegen ein diversionelles Vorgehen (außergerichtliche Einigung) aus, das beim Delikt der Falschaussage grundsätzlich möglich wäre. Im gegenständlichen Fall komme eine Diversion, mit der Kurz & Co einer Verurteilung - allenfalls gegen Auferlegung einer Geldbuße - einer Verurteilung entgehen würden, "mangels Verantwortungsübernahme und zusätzlich auch aus generalpräventiven Gesichtspunkten nicht in Betracht", meint die WKStA.

Zuständiger Richter ist Michael Radasztics, das wurde dem KURIER vom Landesgericht bestätigt. Er dürfte als Einzelrichter die Stichhaltigkeit der Anklage der WKStA gegen Kurz &Co zu beurteilen haben.  Radasztics, vormals Staatsanwalt, war sieben jahrelang alleine für das Eurofighter-Verfahren zuständig. 2019 wurde ihm der Akt entzogen und an die WKStA übergeben. 

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Richter am Landesgericht bekommen Fälle zufällig zugeteilt. Auch können Zuständigkeiten nicht getauscht werden.  

Vorwurf: Falschaussage zu ÖBAG-Reform

Im Kern geht es bei den Falschaussage-Vorwürfen um die Frage, wie intensiv der Ex-ÖVP-Chef unter Türkis-Blau in die Reform der Staatsholding ÖBIB zur ÖBAG involviert war. Bei seiner Befragung im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2020 hatte Kurz bekanntlich seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt - und sinngemäß von normalen Vorgängen gesprochen. Die WKStA sah darin aber angesichts von Chatverläufen mögliche Falschaussagen.

Die WKStA geht in ihrem Strafantrag davon aus, dass Kurz und die beiden Mitangeklagten unter Wahrheitspflicht nicht nur mit bedingtem Vorsatz, sondern "wissentlich" die Unwahrheit gesagt hätten. In der Aussagepsychologie bestünde "Einigkeit darüber, dass Menschen grundsätzlich nicht ohne Motiv lügen", hält die Anklagebehörde fest. Und weiter: "Fallbezogen liegt ein starkes Motiv für eine vorsätzliche Falschaussage vor."

WkStA sieht Postenschacher

Die vom Gericht zu beurteilenden inkriminierten Aussagen hätten nämlich allesamt einen Bezug "zu einer möglichen von Kurz zu verantwortenden (strafrechtlich per se nicht relevanten) politischen Einflussnahme auf Postenbesetzungen und umfassende und explizite Vereinbarungen zu verpöntem 'Postenschacher'", betont die WKStA. Kurz und seine Bewegung hätten "stets als Markenkern einen 'neuen Stil' ihrer Politik beworben" und offensichtlichen Proporz und Postenschacher kritisiert, "weshalb es für Kurz wesentlich war, dass seine Bewegung in der öffentlichen Wahrnehmung eine andere 'Politik' glaubhaft machen kann".

Folglich habe Kurz im U-Ausschuss auf Fragen nach der Gesetzmäßigkeit von Postenbesetzungen entsprechende, nicht wahrheitsgemäße Antworten gegeben, vermeint die WKStA. Und führt dazu im Antrag auf Bestrafung dann weiter ins Treffen: "Hinzu kommt aber noch die aussagepsychologische Erkenntnis, dass eine Lüge besonders leichtfällt, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Einerseits, wenn sie einer Person oder Institution dient, zu der eine enge Bindung besteht (hier die eigene Partei); andererseits, wenn durch die Lüge keine andere Person unmittelbar geschädigt wird, höchstens eine anonyme Institution, zB der Staat."

Kurz war schon vorher informiert

Bereits am Vormittag hatte Kurz auf der Kurznachrichten-Plattform X, vormals Twitter behauptet, dass eine Anklage gegen ihn kurz bevor stehe und er dies durch Journalisten erfahren habe. Nach gesicherten Informationen der APA aber wurde die Kanzlei von Rechtsanwalt Werner Suppan, der Kurz vertritt, vor Freitagmittag von der Justiz sowohl vom Einbringen des Strafantrags als auch dem Prozesstermin informiert.

Auf X nahm Kurz auch Stellung zu den Vorwürfen. Er wies diese als falsch zurück und freue sich darauf, dass sich die "Anschuldigungen vor Gericht" als "haltlos" herausstellen werden, so Kurz. 

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Wie der KURIER bereits am Mittwoch berichtete, sei ein Erlass des Justizministeriums, ob Kurz nun angeklagt wird oder nicht, am Mittwoch bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingelangt.

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Akt mehrere Monate im Justizministerium

Die WKStA hatte ihre Ermittlungen wegen Falschaussage im U-Ausschuss schon im Jänner 2023 abgeschlossen. Der Akt, der auch Vorwürfe gegen Bonelli und Glatz-Kremsner enthält, wurde anschließend an deren Fachaufsicht, die Oberstaatsanwaltschaft, geschickt. Dann lag der Akt mehrere Monate lang in der zuständigen Sektion im Justizministerium. Der Weisungsrat, der die Ministerin berät, hatte dann im Juni grundsätzlich keine Einwände gegen das Vorhaben der WKStA, aber noch rechtliche Fragen. 

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Zudem wird gegen Sebastian Kurz im Casag-Verfahren und in der Inseraten-Causa wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. 

Die "Falsche Beweisaussage" ist ein strafrechtliches Delikt, das im Paragraph 288 des Strafgesetzbuches geregelt ist. Grundintention der Bestimmung ist es, ein ordentliches und rechtmäßiges Verfahren vor Gericht sicherzustellen - Urteile sollen nicht durch falsche Aussagen verzerrt werden. Gleiches gilt aber auch für Untersuchungsausschüsse und Verfahren vor Disziplinarbehörden.

 Im Wortlaut lautet die entsprechende Bestimmung: "Wer vor Gericht als Zeuge oder, soweit er nicht zugleich Partei ist, als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt oder als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen." In einem späteren Absatz wird dies dann unter anderem auf Untersuchungsausschüsse erweitert.

 Für die Erfüllung des Tatbestandes ist es einerseits nötig, dass der Beschuldigte einerseits tatsächlich objektiv unrichtig ausgesagt hat. Darüber hinaus ist (wie auch bei den meisten anderen Delikten des Strafgesetzbuchs) aber auch ein vorsätzliches Handeln nötig - wer sich also z.B. lediglich falsch erinnert, kann nicht bestraft werden. In der Praxis ist meist genau dieser Vorsatz umstritten, etwa inwieweit die Schilderungen von Zeugen in einer Stresssituation nur subjektiv gefärbt sind oder tatsächlich vorsätzlich falsch.

 Für die Verwirklichung des Delikts ist ein sogenannter "bedingter Vorsatz" erforderlich: Der Beschuldigte muss es also ernstlich für möglich halten und sich damit abgefunden haben, dass er falsch aussagt. Dieser bedingte Vorsatz ist jene Vorsatzform, mit der im Strafrecht die meisten Delikte verwirklicht werden müssen - für manche andere ist darüber hinaus Wissentlichkeit und Absicht erforderlich.

Nicht entscheidend für eine Verurteilung ist es, ob die Falschaussage die Ermittlung des wahren Sachverhalts auch tatsächlich beeinträchtigt oder gar verhindert hat. Mit dem Straftatbestand soll vielmehr das Funktionieren des Justizsystems sichergestellt werden. Dass dessen Wert recht hoch eingestuft wird, zeigt auch die Strafdrohung mit drei Jahren - immerhin wird in einer oft als Zwangslage empfundenen Situation meist zum Eigenschutz oder zum Schutz von Angehörigen oder Freunden falsch ausgesagt.
 

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