Die mögliche Anklage gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sorgt weiter für Schlagzeilen. Aktuell liegt sie zur Genehmigung im Justizministerium, nachdem der Weisungsrat sich damit beschäftigt hat. Wir erinnern uns: Im Frühjahr 2021 haben die Neos Anzeige gegen Kurz wegen angeblicher Falschaussage vor dem U-Ausschuss bei der WKStA eingebracht.(In der ursprünglichen Version war zu lesen, dass auch SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer Anzeige eingebracht habe, was er aber zurückweist, Anm.) Damals war Kurz unter anderem dazu befragt worden, ob er bei der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef involviert gewesen sei. Kurz spielte seine Rolle im Ausschuss herunter, wiewohl Whatsapp-Nachrichten zwischen Schmid und ihm nahelegen, dass er mehr wusste, als er vor den Abgeordneten unter Wahrheitspflicht zugab.
Eine Aussage wog dabei besonders schwer.
So wurde Kurz vom Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter gefragt, ob er mit Thomas Schmid darüber gesprochen habe, dass er ÖBAG-Chef werden könnte. Laut Protokoll antwortete Kurz: „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn (Schmid; Anm.) das grundsätzlich interessiert“, und Schmid habe auch als „potenziell qualifizierter Kandidat“ gegolten. Um dieses "Nein" soll es im Folgenden gehen. Kurz hatte nämlich beantragt, die Formulierung aus dem Protokoll zu streichen. Nicht nur, weil er damit möglicherweise eine heikle Unwahrheit ausgesprochen haben könnte, sondern: Das "Nein" an sich sei strittig, wie aus dem Kurz-Umfeld gestreut wird.
Zu Recht? Dem KURIER liegt nun ein Ton-Mitschnitt aus der Ausschuss-Sitzung vor. Bei dem als "Nein" protokollierten "Na" gibt es laut diesem Audiodokument tatsächlich Deutungsspielraum:
War das "Na" ein "Nein" oder ein verschlucktes "Naja"?
Oder ein umgangssprachliches "Na..."? Und wäre das entlastend in puncto Falschaussage?
Im Untersuchungsausschuss ging es darum, in welcher Weise bzw. wie intensiv Kurz in die Umwandlung der Staatsholding ÖBIB in die ÖBAG und die Bestellung des BMF-Generalsekretärs Schmid zum Alleinvorstand sowie in die Auswahl des Aufsichtsrates eingebunden war.
Ein weiterer Streitpunkt dreht sich um die Interpretation des Wortes „eingebunden“ (betreffend die Bestellung von Schmid). Auf die Frage von Kai Jan Krainer, ob er, Kurz, „im Vorfeld eingebunden“ gewesen sei, antwortete der Kanzler, mit „Eingebunden im Sinne von informiert, ja.“
Die Kurz’sche Lesart besagt nun, dass er damit eine Involvierung nicht bestritten habe. Der Verdacht der Gegenseite geht dahin, dass Kurz darüber hinaus sehr wohl Einfluss auf die – formal dem Aufsichtsrat obliegende – Bestellung genommen habe. Was Kurz definitiv bestreitet.
Podcast KURIER-Daily Spezial: Was wir im Tonmitschnitt aus dem U-Ausschuss hören
Die Chats sprechen eine deutlichere Sprache
Unabhängig von "Nein" oder "Na" gibt es jedenfalls Chatnachrichten zwischen Kurz und Schmid, die weit konkreter klangen, als er im U-Ausschuss angab. Das geht aus den Akten der WKStA hervor. Zwei Monate vor Schmids Hearing zum ÖBAG-Chefposten habe er in einer solchen Nachricht signalisiert, dass alles „auf Schiene“ sei. Am 13. März 2019 schreibt Schmid an Kurz, dieser möge ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ machen. Darauf antwortete Kurz mit dem mittlerweile berühmten Satz: "Kriegst eh alles was du willst.“
Wenn es tatsächlich zu einer Anklage kommen sollte, beschränkt sich diese auf den Vorwurf der Falschaussage. Diese hat einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft.
Die sonstigen Ermittlungen, im vom Ibiza-Video ausgelösten Casag-Verfahren bis hin zur Inseraten-Affäre laufen, weiter.
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