Vizekanzler Kogler: "Da muss man radikale Gedanken fassen"

Vizekanzler Kogler: "Da muss man radikale Gedanken fassen"
Grünen-Chef Werner Kogler spart beim Puls24-Sommergespräch nicht mit Selbstlob und kritisiert "rechtsextremes Geplärre" – auch von Seiten der ÖVP.

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler führt die Grünen auch am 29. September als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl. Dienstagabend war er als erster Kandidat bei den Sommergesprächen des Privatsenders Puls24 und Moderator Meinrad Knapp zu Gast. Das Interview startet mit Small Talk und einem rund zehnminütigen Spaziergang in St. Marx.

Danach gefragt, was das absurdeste Gerüchte sei, das er jemals gehört hätte, meint Kogler etwa: "Mir fällt weder was Gescheites, noch was Blödes ein." Er sei ohnehin einer der Schlechtesten, was Gerüchte anbelange. Eine Eigenschaft, die Kogler und den Grünen in der Causa um EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling zumindest nicht zum Vorteil gereicht haben dürfte.

Verfassungsdienst "keine göttliche, letzte Distanz"

Danach wird es politischer. Die rechtlich umstrittene Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum EU-Renaturierungsgesetz verteidigt Kogler wiederholt: "Der Zweck ist ein super guter und die Mittel sind gut gewählt." Der Verfassungsdienst, der Gewesslers Rechtsansicht deutlich widersprochen hat, sei "auch nicht die göttliche, letzte Instanz", so Kogler.

Harte Kritik übt er an Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die im Zusammenhang mit der Renaturierung von einem "Diktat aus Brüssel" gesprochen hatte. Diese Wortwahl "geht als Europaministerin überhaupt nicht", so Kogler.

Mit Nehammer besser als mit Kurz

Danach wird der Grünen-Chef damit konfrontiert, dass er beim Rücktritt von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Herbst 2021 an dessen Stelle eine "untadelige" Person als Nachfolger forderte. Warum sei der Rücktritt unvermeidbar gewesen? Die ÖVP habe unter "Missbrauch von Steuergeld" eine "interne Fehde" abgewickelt, so Kogler in Bezug auf die türkise Inseratenaffäre.

Die Grünen, das würde auch der Bericht der Pilnacek-Kommission zeigen, hätten hingegen immer die Unabhängigkeit der Justiz geschützt: "Die anderen haben interveniert, wir haben saniert." Ob es mit Nehammer besser funktioniere als mit Kurz? "Ja", antwortet Kogler trocken.

Migration? Kogler kritisiert ÖVP und Ungarn

Kein Kernthema der Grünen ist das aktuelle Top-Thema Migration. Die FPÖ würde von einer "Festung Europa faseln" und sei nicht an Lösungen orientiert. Ja, es gebe Probleme "in Integrationsfragen", kalmiert Kogler und bemüht gängige Metaphern. Jetzt gehe es vor allem darum, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Kirche im Dorf zu lassen. 

"Das gilt auch für andere Rechtspopulisten und für manche in der ÖVP", kritisiert Kogler den Migrationskurs des Koalitionspartners deutlich. Und: "Mit dem ganzen rechtsextremen Geplärre gehen wir in die Gefahr, dass wir zu wenige Pflegekräfte und Facharbeiter kriegen."

Sein Lösungsansatz seien gemeinsame Standards und ein gemeinsamer, EU-weiter Verteilungsschlüssel. Notfalls müsse auch Ungarn aus dem EU-Schengen-Raum ausgeschlossen werden. "Das tatsächliche Problem ist Ungarn. Die nehmen überhaupt keine Anträge entgegen und schicken die Leute weiter", so Kogler.

Kogler "durchaus radikal"

Was wenig überraschen dürfte: Nicht in Migrationsfragen, aber beim Klimaschutz bezeichnet sich Kogler als "durchaus radikal". Denn: "Da muss man weit vorausdenken und relativ radikale Gedanken fassen."

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