Leonore Gewessler möchte auch in der nächsten Regierung dabei sein
Das Ja von Leonore Gewessler zum Renaturierungsgesetz sorgt in der Koalition für schlechte Stimmung. Die Ministerin glaubt dennoch, dass die Regierung weiter funktioniert.
KURIER: Wie ist derzeit die Stimmung in der türkisgrünen Bundesregierung?
Leonore Gewessler: Wir kommen gerade von einer Plenarwoche, die intensiv war. Wir haben allein in der letzten Woche 60 Gesetzesbeschlüsse auf den Weg gebracht von einem Tierschutzpaket über einen Bonus für heimische Wertschöpfung bei der Sonnenkraft, von Erleichterungen bei Balkonkraftwerken bis hin zum Ausbau der regionalen Stadtbahn in Linz. Lauter Dinge, die unser Land besser machen, die unser Land grüner machen und die wir gemeinsam vorangebracht haben. Und insofern haben wir genau das vor, was die Menschen von uns erwarten, nämlich konstruktiv arbeiten
Der Wirbel um das Renaturierungsgesetz hat die Stimmung nicht getrübt?
Es gibt in der Politik viele Menschen, die a) langjährige Erfahrung und b) professionellen Umgang miteinander haben. Und die wissen, am Ende muss man für Fortschritt konstruktiv zusammenarbeiten. Das war nicht anders, als ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig in Brüssel gegen die Umweltstandards in der Agrarpolitik gestimmt hat, gegen meinen expliziten Widerstand. Das habe ich auch nicht gut gefunden. Aber was ist danach passiert? Wir haben gemeinsam konstruktiv im Sinne dieser Republik weitergearbeitet.
Es ist natürlich schon ein gewisser Unterschied, weil zuletzt hatte Sie der ÖVP-Generalsekretär wegen Ihres Alleingangs beim EU-Renaturierungsgesetz sogar mit Herbert Kickl verglichen.
Es wird Sie wenig überraschen, wenn ich sage, dass ich mit dem Vergleich absolut nichts anfangen kann. Ich weise ihn auch aufs Schärfste zurück. Herbert Kickl ist ein rechter Demagoge, der mit nichts anderem Politik macht, als dass er Probleme groß redet. Es ist null interessiert an Lösungen. Er lebt ja vom Problem. Ich habe eine Entscheidung getroffen im Sinne unserer Umwelt, im Sinne einer guten Zukunft für die Menschen in dem Land. Weil wir Menschen auf eine intakte Natur als Lebensgrundlage angewiesen sind.
Anzeige wegen Amtsmissbrauch
Wie gehen Sie damit um, dass es jetzt eine Anzeige der ÖVP und des Bauernbundes gibt, die Ihnen Amtsmissbrauch vorwerfen?
Ich sehe dem äußerst gelassen entgegen. Ich habe weder ein Verfassungsbruch begangen, geschweige denn einen Amtsmissbrauch. Ich habe das umfassend juristisch prüfen lassen und habe mich versichert, dass eine Zustimmung rechtskonform ist. Im Übrigen habe ich mich auch an die langjährige Praxis in Österreich gehalten. Als Innenminister Gerhard Karner in Brüssel gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens gestimmt hat, hat er das gegen den Widerstand der Grünen gemacht.
Aber er hatte den Kanzler an seiner Seite.
Wir haben in Österreich ein anderes System als in anderen Staaten. Die Ministerinnen und Minister sind allein für ihr Ressort verantwortlich. Das hat Gerhard Karner so gehandhabt, das hat Norbert Totschnig so gehandhabt, das habe ich so gehandhabt. Ich kann mich nicht erinnern, dass bei Norbert Totschnig von Verfassungsbruch geredet worden wäre
Wie gehen Sie persönlich damit um, dass Sie wegen Ihrer Politik immer wieder heftig attackiert werden? Nicht nur vom politischen Gegner.
Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, weil ich mir schon immer für mein Leben vorgestellt habe, dass ich Ministerin werde. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich einen Beitrag leisten will, dass sich in der Klimapolitik, im Naturschutz, in der Umweltpolitik in diesem Land was verändert. Wir haben Jahre und Jahrzehnte in Österreich viel über Umweltschutz, über Klimaschutz geredet. Aber es hat offensichtlich die Grünen gebraucht in der Regierung, dass sich auch was bewegt.
Hat sich unter dieser Regierung etwas bewegt?
Wir sind erstmals nach diesen viereinhalb Jahren grüner Regierungsbeteiligung so weit, dass wir im Klimaschutz sinkende Emissionen haben zwei Jahre hintereinander um mehr als 5 Prozent. Das ist der Pfad, den wir brauchen für unsere Ziel Klimaneutralität 2040. Es war mir immer klar, dass das nicht nur Schönwetter-Entscheidungen werden, dass das nicht nur Dinge sind, für die man nur gelobt wird, sondern auch schwierige Entscheidungen. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, mich berührt es momentan wirklich sehr, wie viele Menschen rückmelden, dass ihnen Naturschutz ein enorm wichtiges Anliegen ist.
Hier geht es zum ausführlichen Gespräch mit Klimaministerin Gewessler
Klimaschutzgesetz bleibt ein Vorhaben
Sie haben für den Klimaschutz in den vergangenen Jahren viele Pflöcke eingeschlagen. Etwa auch das Klimaticket für den öffentlichen Verkehr. Das Klimaschutzgesetz haben Sie aber nicht durchsetzen können.
Ich werde hier nicht locker lassen.
Aber es sind nur noch rund 80 Tage bis zur Wahl, da wird sich nicht mehr viel ausgehen, oder?
Es sind bis zur Wahl nur noch 80 Tage. Deswegen stelle ich die Arbeit aber nicht ein. Ich werde auch beim Klimaschutzgesetz nicht lockerlassen, weil ich der Überzeugung bin, dass das ein ganz, ganz wichtiges Gesetz ist für unsere Republik.
Die ÖVP und Kanzler Karl Nehammer haben angekündigt, dass sie nach der Wahl nur dann in eine Koalition mit den Grünen gehen, wenn Sie nicht mehr dabei sind. Wie stehen Sie zu dieser Ansage?
Ich habe gesagt, ich bewerbe mich um die Verlängerung, weil ich noch viel zu tun habe im Klimaschutzministerium. Und daran hat sich nichts geändert. Darüber hinaus kandidieren wir Grüne als Team. Ich freue mich sehr, dass ich im Team von Werner Kogler auch bei dieser Nationalratswahl kandidieren darf. Und ich werde die nächsten drei Monate um jede einzelne grüne Stimme werben, weil jede einzelne grüne Stimme stärkt das Mandat für die nächsten Regierungsverhandlungen . Und wie gesagt, wenn man Klimaschutz will, wenn man Umweltschutz will, Naturschutz will, dann ist die Stimme bei den Grünen gut aufgehoben.
Sie werden auf jeden Fall in der Politik bleiben? Selbst wenn die Grünen nach der Wahl nicht in eine Regierung kommen?
Ich kandidiere auf der Bundesliste der Grünen auf Platz zwei im Team von Werner Kogler für den nächsten Nationalrat. Es war, wie gesagt, ja auch mein Anspruch, in die Politik zu gehen, damit grüne Politik gemacht wird, die dem Land guttut. Man muss nur an das Klimaticket, an den Klimabonus oder an den Ökostromausbau denken. Und das macht man natürlich am besten in Verantwortung. Und deswegen werde ich auch dafür werben, dass diese Regierungsbeteiligung weitergeht.
Gewessler: Niemals an Rückzug gedacht
Aber nochmals: Falls es für Sie kein Regierungsamt gibt, bleiben sie im Nationalrat weiter politisch aktiv?
Ich habe immer gesagt, ich bleibe länger als eine Legislaturperiode in der Politik. Daran hat sich nichts geändert.
In den fünf Jahren in der Regierung hatten Sie sich trotz der Krisen und der vielfachen Anfeindungen nicht überlegt, aus der Politik auszusteigen?
Nein, keinen einzigen Tag. Ich halte es wirklich für den schönsten Job der Republik, einen Beitrag dazu leisten zu können, dass unsere Kinder, unsere Kindeskinder, in 20, 30, 40 Jahren noch ein gutes Leben in diesem wunderbaren Land haben können.
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