Teuerungswelle erst am Anfang: "Es gibt kein Entrinnen"
Die hohen Energiepreise sind im Warenkorb der Österreicher angekommen, wie eine Berechnung der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria zeigt: Acht von zehn Gütern sind teurer geworden, sie liegen über der jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent. Im März lag die Inflation sogar bei 6,8 Prozent.
Und das ist erst der Anfang, sagt Agenda-Austria-Direktor Franz Schellhorn. Selbst, wenn der Krieg in der Ukraine morgen endet, werde sich das gewohnte Niveau lange nicht einpendeln. "Sogar im Best Case werden wir die hohen Energiepreise noch bis 2023 hinein spüren."
Was soll der Staat jetzt tun?
Subventionen mit der Gießkanne zu verteilen, wäre fatal, sagt Schellhorn. Auch von Preisbremsen hält der Ökonom nichts. Stattdessen solle man die Ärmsten gezielt unterstützen und die Kaufkraft stärken. Sprich: Dass die Preise steigen, sei angesichts der Weltenlage unvermeidlich. Also müsse man dafür sorgen, dass sich die Menschen die hohen Preise leisten können.
Schellhorn sagt, die Regierung müsse "endlich die exorbitant hohen Steuern auf Arbeit auf europäisches Niveau senken". Österreich besteuert Arbeitseinkommen im Schnitt mit 47 Prozent, der EU-Schnitt liegt bei 41.
"Hoffen, dass es gut geht"
Gewerkschafter fordern eine Lohnerhöhung von sechs Prozent als Inflationsausgleich. Das sei legitim, sagt Schellhorn – ihn stört aber, dass netto nur 4,7 Prozent bei den Arbeitern ankommen und der Staat durch die Abgaben stärker mitschneide. Dass Unternehmen das auf die Preise draufschlagen werden, sei "vollkommen klar", aber: "Es gibt kein Entrinnen. Die Lohn-Preis-Spirale wird uns noch lange begleiten."
Schellhorn vermisst eine klare Strategie: "Im Gegensatz zu Deutschland hat man bei uns den Eindruck, die Regierung hofft nur, dass das alles irgendwie gut ausgeht."
Einen ähnlich düsteren Befund hat Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts, eines sozialliberalen Thinktanks. Auch sie sagt, es sei unvermeidlich, dass die hohen Energiepreise nach und nach Bereiche des täglichen Lebens verteuern, bei denen man kaum sparen kann: Heizung, Miete, Essen.
Anstatt mit "Einmalzahlungen herumzudoktern", wie in der Corona-Krise, solle die Regierung bei den Ärmsten langfristig ansetzen, sagt Blaha. Etwa, indem sie Mindestsicherung, Mindestpension und Notstandshilfe erhöht und (den von der SPÖ lange geforderten) Mindestlohn von 1.800 Euro einführt.
Blaha hielte einen Preisdeckel für den Grundbedarf an Strom und Gas sehr wohl für zielführend. Frankreich hat die Teuerung bereits gedeckelt, und Italien fordert eine europaweite Obergrenze.
Stromanbieter würden derzeit "das Geschäft ihres Lebens" machen, sagt Blaha. Sie würden "die Gunst der Stunde nutzen" und durch die Koppelung an den Gaspreis auch den Strompreis für ihre Kunden anheben – dabei seien Energiequellen wie Wasser und Wind ja wohl nicht teurer geworden.
Gewinne abschöpfen
Deshalb brauche es eine Gewinnsteuer: "Gewinne, die Unternehmen auf Kosten der Konsumenten machen, müssen abgeschöpft werden." Blaha erinnert: Die Inflation werde zur Hälfte durch Löhne, zur anderen Hälfte durch Gewinne verursacht. "Wenn wir über die Lohn-Preis-Spirale reden, dann ist das nur die halbe Geschichte. Es gibt auch eine Gewinn-Preis-Spirale."
Agenda-Austria-Direktor Schellhorn geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erhöht, um die Inflation einzubremsen. Dadurch wird mehr gespart, weniger investiert – der Markt also gedrosselt.
Laut Momentum-Chefin Blaha wäre das keine Lösung. Die Inflation sei derzeit nicht vom Markt getrieben, sondern von den Energiepreisen. "Die Folge einer solchen Maßnahme ist immer, dass Menschen ihren Job verlieren. Die Energiepreise bleiben trotzdem hoch", sagt Blaha – und die Menschen könnten sich das Leben noch weniger leisten.
Wie viel teurer wird das Leben?
Lebensmittel werden teurer. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres stieg die Inflation bei Nudeln, Brot und Co. um 4,1 Prozent, wie das WIFO errechnet hat. Das Institut für Höhere Studien geht von 3,88 Prozent Inflation aus. Beide Institute rechnen mit zeitnahen Steigerungen auf rund 5 Prozent.
Das Auswärtsessen und -nächtigen war in Österreich schon immer ein Preistreiber. Im Februar stiegen die Preise um 6,8 Prozent (IHS) bzw. 6,7 Prozent (Wifo) weiter gehörig an. Das liegt vornehmlich an dem Aufheben der Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie, die an Kunden weitergegeben wird. Die Inflation im Gastro-Bereich ist in Österreich deutlich höher als im Rest des Euro-Raums.
Haupttreiber der höheren Preise sind die Energiekosten. Diese waren schon vor dem Ukraine-Krieg erhöht. Der Krieg aber verschärft die volatile Preissituation. Im Februar zahlte man für Energie 26,8 Prozent (IHS) bzw.
27,6 Prozent (Wifo) mehr als im Februar 2021. Laut Statistik Austria zahlte man im Februar für Heizöl 48,9 Prozent mehr, für Gas 63,3 Prozent mehr und 29,3 Prozent mehr für Sprit.
Die Inflation bei Mieten ist gesunken, laut Wifo-Daten im Februar um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das liegt an einem Mehrangebot an Wohnraum in Wien. Aber: Am 1. April wurde der Mietrichtwert um 5,85 Prozent angehoben, nachdem die Indexanpassung 2021 coronabedingt ausgesetzt wurde. Die Mieterhöhung kann bei rechtzeitiger Information der Mieter ab Mai schlagend werden.
Wie sich der Krieg auf die Wirtschaft auswirkt
Mit Prognosen, wie sich der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine auf das Wirtschaftswachstum Österreichs auswirken wird, sind Experten zurückhaltend.
Am 25. März haben Wirtschaftsforscher eine mittelfristige Konjunkturprognose vorgestellt, in der die ersten Wochen des Ukraine-Kriegs Eingang finden. Auswirkungen sind spürbar. Das WIFO hat seine Wachstumsprognose um 1,5 Prozent gegenüber Dezember 2021 runterrevidiert.
"Und das bei einem Szenario, bei dem russisches Öl und Gas weiter nach Europa fließt", sagt WIFO-Ökonom Josef Baumgartner. Sollte Öl und Gas nicht mehr in Österreich ankommen oder durch erweiterte EU-Sanktionen nicht mehr abgenommen werden, wird eine Rezession befürchtet. Die gesamte Wirtschaft würde schrumpfen. Das IHS hat errechnet, dass ein einjähriger Exportstopp nach Russland, Belarus und der Ukraine zu einem Wertschöpfungsverlust von circa 4 Milliarden Euro führt.
Welche Hilfen die Regierung auszahlt
Die Regierung hat zum Jahreswechsel ein erstes Anti-Teuerungspaket von 1,7 Milliarden Euro geschnürt und Ende März ein zweites im Ausmaß von 2,1 Milliarden Euro. Darin enthalten ist der Teuerungsausgleich von 300 Euro für Haushalte mit niedrigem Einkommen, der Energiekostenausgleich von 150 Euro sowie das Aussetzen der Ökostrompauschale. Bis Juni 2023 wird die Elektrizitätsabgabe gesenkt. Zusätzlich gibt es Preissenkungen beim Klimaticket, Erhöhungen der Pendlerpauschale und des Pendlereuros sowie Entlastungen für Landwirte und eine „Investitionsoffensiven“ von 520 Millionen Euro.
Laut der österreichischen Energieagentur dürften der Ökostromkostenentfall sowie die Senkung der Elektrizitätsabgabe sogar zu Überkompensationen der Teuerungen führen. Kunden in Oberösterreich dürften mit 17 Prozent mehr aussteigen. In Salzburg sei man pari. Wiener und Burgenländer zahlen fünf Prozent drauf.
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