OMV will den Gas-Schatz im Schwarzen Meer heben
Der Ukraine-Krieg führt Europa die Risiken der übergroßen Abhängigkeit von Russlands Gas drastisch vor Augen. Putin spielt mit Gas als Waffe und schürt gezielt im Westen Ängste, dass sein Staatskonzern Gazprom die Energie abdrehen könnte. Europa sucht hektisch technologische Alternativen, Regierungschefs stellen sich demütig bei Lieferanten im arabischen Raum an.
Die EU hat zwar nicht mehr viel Potenzial. Doch im Schwarzen Meer gibt es auf dem Gebiet des NATO-Staates Rumänien ein riesiges Gasfeld. Rund 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas insgesamt lagern laut Schätzungen 170 Kilometer weit vor Rumäniens Küste, in 100 bis 1.000 Metern Tiefe. Das ist immerhin so viel, wie Russland in einem Jahr in die EU liefert.
Der Schatz im Schwarzen Meer könnte schon längst erschlossen sein, wenn nicht politische Interessen bisher eine Ausbeutung verhindert hätten. Jetzt aber dürfte der Ukraine-Krieg die Exploration beschleunigen. Wobei: Gasfelder können nicht von heute auf morgen angezapft werden, 2027 könnte das erste Gas fließen – frühestens.
Mit dabei ist die teilstaatliche OMV, die mit ihrem rumänischen Tochterkonzern Petrom die Lizenzen für Neptun Deep hält, einen Gasblock über eine Fläche von rund 7.500 Quadratkilometern (siehe Grafik). Die Erschließung von Neptun solle ein „Kernprojekt“ werden, kündigte OMV-Chef Alfred Stern bei der Präsentation der Konzern-Strategie an. Er rechnet mit einer Plateau-Produktion (Fördermenge auf Höchstniveau) von bis zu 70.000 Barrel Öläquivalent pro Tag, über einen Zeitraum von zehn Jahren.
Rumänien statt Russland heißt also die künftige Devise. In Putins Reich, das keine „Kernregion“ mehr ist, investiert die OMV nicht mehr weiter und steigt aus Förderprojekten ebenso aus wie aus der Finanzierung von Nord Stream 2. Die Neubewertung des Russland-Engagements unter Ex-Chef Rainer Seele erfordert Wertberichtigungen von 1,5 bis 1,8 Mrd. Euro.
Nummer eins in Europa
Zur Klarstellung: Das Neptun-Gas würde nicht direkt nach Österreich fließen, weil die Pipelines dafür fehlen. Es gab zwar Pläne, Gas vom Schwarzen Meer nach Mitteleuropa zu bringen (Nabucco, South Stream), aber die Pipelines wurden wegen der Konzentration auf russisches Gas nicht gebaut. Doch jede zusätzliche Gasmenge im europäischen Netz verringert die Abhängigkeit der EU von Russland, wovon auch Österreich profitiert.
Bis zu zwei Milliarden Euro würde die OMV nochmals in Neptun Deep investieren. Die Entscheidung darüber soll aber erst 2023 fallen. Zuerst muss das rumänische Parlament das 2018 beschlossene Offshore-Gesetz ändern.
Laut einer Studie hat Rumänien mit 23 Prozent in der EU den höchsten Steuersatz auf Offshore-Gas, vier Mal höher als der europäische Durchschnitt. Da rentiert sich die Exploration nicht.
Das rohstoffreiche Rumänien ist der zweitgrößte Gas-Produzent in der EU, importiert aber trotzdem rund 20 Prozent aus Russland. Mit Neptun könnte Rumänien Europas Gasproduzent Nummer eins werden. Rumänische Medien machen Druck auf die Regierung, das Land könne Gazproms Dominanz in Mittel- und Osteuropa herausfordern. „Jetzt oder nie“, worauf warten wir, trommelte etwa das Online-Portal truestoryprojekt.ro.
Jetzt scheint tatsächlich Bewegung in die Regierung zu kommen. PSD-Präsident Marcel Ciolacu (Sozialdemokraten) kündigte dieser Tage an, die Regierungskoalition werde den Gesetzesentwurf bis Ende nächster Woche finalisieren.
Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird es freilich noch dauern. Angekündigt wurde von den wechselnden Regierungen schon viel. Die ständige Verzögerung könnte auch mit dem starken Einfluss von US-Interessen in Rumänien zu tun haben, vermuten Insider. Die Amerikaner hätten womöglich eine rasche Ausbeute von Neptun verhindern wollen, um ihr teures Flüssigerdgas (LNG) zu verkaufen.
Der Schatz im Schwarzen Meer wurde bereis 2012 entdeckt, die Bohrinsel „Deepwater Champion“ war in 1.000 Meter Tiefe auf Gas gestoßen. 2008 schlossen OMV-Petrom und der US-Ölkonzern ExxonMobil eine 50:50-Partnerschaft zur Erschließung. Petrom hat mit Offshore-Förderung im Schwarzen Meer seit 40 Jahren Erfahrung.
Lukoil-Verhandlungen
Im Vorjahr stieg ExxonMobil, genervt vom Lavieren der Politik, aus. Ursprünglich verhandelte man mit der russischen Lukoil, der Deal scheiterte aber am Protest der rumänischen Regierung. Ausgerechnet in einem Projekt, das die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren soll, wollten die Rumänen nicht Lukoil als Investor haben. Stattdessen stieg die staatliche Romgaz als Hälftepartner ein, Betreiber des Blocks ist OMV-Petrom. Romgaz legte ExxonMobil rund 1.07 Milliarden Dollar hin. Petrom und ExxonMobil hatten bereits 1,5 Milliarden Dollar in die Exploration investiert.
Lukoil ist mit Romgaz jedoch noch in einem kleineren Gasfeld aktiv.
US-Investoren sind ebenfalls im Schwarzen Meer unterwegs. Black Sea Oil & Gas (BSOG) will im zweiten Quartal mit der Gas-Förderung beginnen. BSOG ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Carlyle International Energy Partner und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der EBRD.
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