Strache-Kern und die Folgen für die Hofburg-Wahl

Kern und Strache: Überraschend freundschaftlicher Auftritt im ORF
Politikexperten sind uneinig, inwieweit sich das Gespräch zwischen SPÖ-Kanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf die Hofburg-Wahl auswirkt.
  • Parteichefs von SPÖ und FPÖ diskutierten außerhalb eines Wahlkampfs öffentlich miteinander
  • Betont amikaler Stil wird von Kommentatoren als Annäherung zwischen Rot und Blau gedeutet
  • Durch den speziellen Zeitpunkt sind auch Auswirkungen auf die Hofburg-Wahl möglich
  • Meinung von Experten reicht von: 'Problem für Van der Bellen' bis: Keinerlei Auswirkungen
  • Noch rund 9 Prozent Unentschlossene laut Institut Unique Research

Hat die überraschend amikale Diskussion zwischen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Auswirkungen auf die Hofburg-Wahl, wie Politikberater Thomas Hofer im Ö1-"Morgenjournal" sagte? Nützt oder schadet die Debatte dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer oder Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen? Oder hat das rot-blaue Tête-à-Tête keinen Einfluss auf das Wahlverhalten? Die Meinungen gehen auf KURIER-Nachfrage auseinander.

Glück: SPÖ-Wähler tun sich leichter mit Hofer

"Wenn es jemandem nützt, dann natürlich Norbert Hofer, weil es unentschlossenen SPÖ-Wählern erleichtert, Hofer anzukreuzen. Sie sehen, dass es nicht mehr verpönt ist, sich Vertretern der FPÖ anzunähern", analysiert die Politik-Expertin und frühere Schüssel-Sprecherin Heidi Glück. Blau-affine Rote würden sich mangels eines SPÖ-Kandidaten im Hofburg-Rennen jetzt wohl sagen: "Wenn sich selbst der Bundeskanzler eineinhalb Wochen vor der Wahl gemeinsam mit dem FPÖ-Chef hinstellt und ein durchaus harmonisches Gespräch führt, dann muss ich mich als SPÖ-Wähler auch nicht genieren, wenn ich Hofer wähle. Noch dazu, wo Hofer viel weniger aggressiv als Strache auftritt."

Hajek: "Keine Seligsprechung für FPÖ"

Meinungsforscher Peter Hajek von Unique Research sieht diesen direkten Konnex hingegen nicht: "Das war ja insgesamt keine Seligsprechung freiheitlicher Politik. Die Überschneidungen waren nicht neu, dass man sich bei gewissen Gesundheitsthemen einig ist, wusste man schon vorher." In den Umfragedaten scheinen noch rund neun Prozent Unentschlossene auf, nicht alle seien aber tatsächlich unentschlossen. Hajek: "Wir sprechen vielleicht noch von ein paar Zehntausenden, vor allem bürgerlichen ÖVP- oder Neos-Wählern. Warum sollten sich diese durch ein Gespräch Kern-Strache beeinflussen lassen? Ich sehe auch nicht, warum sich die jetzt leichter damit tun könnten, Hofer zu wählen. Mag sein, dass es den einen oder anderen gibt, aber sicher nicht 30.000." Um ungefähr diese Stimmenanzahl lag Van der Bellen bei der ersten Stichwahl vor Norbert Hofer.

Glück: Überraschender Zeitpunkt

Heidi Glück kann sich zwar vorstellen, was Kern längerfristig mit dem sanfteren Umgang mit Strache bezwecken will, der Zeitpunkt so knapp vor der Hofburg-Wahl ist für die professionelle Beobachterin aus taktischen Gründen aber nicht nachvollziehbar. "Ich bin nicht sicher, wie viel Strategie dahintersteckt, was das Timing betrifft." Denn damit würde Kern, der ja für Van der Bellen wirbt, - wie erwähnt – "Hofer Wähler zutreiben".

Strache-Kern und die Folgen für die Hofburg-Wahl
Politikberaterin Heidi Glück und Meinungsforscher Peter Hajek
Grundsätzlich sei die Strategie des SPÖ-Chefs aber wohl, "sich eine zusätzliche Koalitionsoption aufzumachen". Die langsame Annäherung sei nicht ganz neu. Durch den Kriterienkatalog, der derzeit erstellt wird, werde die FPÖ als Regierungspartner nicht mehr generell ausgeschlossen. Die nahezu freundschaftliche Auseinandersetzung mit Strache – just knapp vor der Präsidentschaftenwahl – werde aber wohl linke Kreise in der Partei verärgern.

Hajek: "Noch lange kein Kuschelkurs"

"Wenn Teile der Sozialdemokratie das als Annäherung wahrnehmen, dann kann das natürlich Spannungen auslösen", räumt Hajek ein. "Die Frage ist: Wie kommuniziert Kern das nach innen?" Der Meinungsforscher sieht in dem Ö1-"Klartext"-Gespräch allerdings keine Annäherung. "Nur weil man sich einmal gepflegt miteinander unterhält, ist das noch lange kein Kuschelkurs. Wenn man das sagt, schaut man nur auf die Tonalität und nicht auf die Inhalte."

Strache-Kern und die Folgen für die Hofburg-Wahl
Kern und Strache: Überraschend freundschaftlicher Auftritt im ORF
Beiden sei bewusst gewesen, dass aufÖ1undORF IIIeher ein gehobenes, tendenziell bürgerliches Publikum angeprochen wird. "Speziell Strache weiß, dass er hier nicht den oppositionellen, aggressiven Herausforderer geben kann, damit würde er den eigenen Spitzenkandidaten für die Bundespräsidentenwahl konterkarieren", sagt Hajek.

Kern wiederum habe "dem Gegenkandidaten keine Angriffsfläche für den Infight gegeben" findet Hajek. "Außerdem kann er selbst nicht wie ein Oppositionskandidat auftreten, das muss Kanzler-like bleiben. Er ist vielen Fragen ausgewichen, hat versucht, die Koalitions-Themen wegzudrücken. Immer wieder hat er die Themen Arbeitsplätze und Wirtschaft angesprochen." Kern habe auf starke emotionale, soziale Bilder gesetzt, etwa mit der Erzählung von einem Gruft-Besuch. "Strache kann auf solche emotionalen Botschaften gar nicht mit Schärfe reagieren", erklärt Hajek.

Annäherung an freiheitliche Wähler

Wenn man nach diesem Gespräch von einer Annäherung sprechen könne, dann war es eine an die freiheitliche Wählerschaft", sagt Hajek. "Es war das Signal: 'Liebe Freunde, eure Entscheidung ist nicht falsch, wir verstehen euch, werten euch nicht ab und machen die Tür wieder auf.'"

Zum Artikel: "Wie hält es die SPÖ mit der FPÖ? Eine Chronologie"

Der eine ist mit seiner Partei Nummer 1 und Kanzler, der andere will mit seiner Partei Nummer 1 und selbst Kanzler werden. Das scheint möglich: In allen Umfragen ist die FPÖ derzeit an der Spitze – und vor der SPÖ. Und so wird das kommende Wahlkampf-Match zwischen Christian Kern, der die Roten seit Mai führt, und Heinz-Christian Strache, der den Blauen seit zehn Jahren vorsteht, ein heftiges werden.

Einen Vorgeschmack sollte es Mittwochabend geben. Kern und Strache im ORF-Radio-Kulturhaus – „Klartext“ war gefragt. Eine ungewöhnliche Konstellation: Normalerweise duellieren sich ein Kanzler und ein Oppositionsführer nur vor einer Wahl; und da in einem TV-Studio.

Wortgewalt

Bisher haben Kern (50) und Strache (47) einander nichts geschenkt. Von „Luftblasen“ (Strache über Kerns „New Deal“) über Kerns Attest, Strache sei kein Patriot bis hin zum Befund des blauen Frontmanns, der Kanzler sei in der CETA-Frage „umgefallen und im Liegewagen zurück nach Wien gefahren“, reichte bis dato das Spektrum an Verbalattacken. Gestern sah es zu Beginn nachgerade nach einem Nichtangriffspakt aus. Die Kontrahenten ließen einander ausreden. Strache lobte gar „die neue Qualität“ seit Kern Kanzler ist: „Ich habe mehr Gespräche mit ihm geführt als mit Werner Faymann zuvor.“

Als die Sprache im vollbesetzen Saal auf Populismus- und Nationalismusdefinitionen kam, sorgte der Kanzler mit einer Pointe für einen Lacher. Auf die Frage, ob er ein Linkspopulist sei, konterte Kern mit einer Metapher und versteckter Medienkritik: „Welcher Pudel die Nase beim Hunderennen vorn hat?“ Das sei irrelevant. „Davon können sich die Leute nichts kaufen.“ Es folgten die bekannten Positionen zur Flüchtlingspolitik und zur EU (Strache: „Ich bin für ein föderales Europa“, Kern: „Europa ist ein Werteprojekt“).

Für Amüsement im Publikum sorgte Straches Aussage, dass ein Bundespräsident Norbert Hofer als „Mediator zwischen den USA und Russland“ fungieren würde – nach dem Vorbild von Bruno Kreisky. Als der FPÖ-Chef zu einem Wortspiel mit des Kanzlers Nachnamen ansetzte („Kernschmelze“, „Kernkraft“), replizierte der SPÖ-Chef: „Diese Namenswitze kenne ich seit der Kindheit. Da bin ich schmerzbefreit.“ Trotz Kuschelboxens konnte sich Strache die ein oder andere Spitze nicht verkneifen: „Sie sind ein Meister der schön gekleideten, leeren Worthülsen.“

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Nicht so gerne will Kanzler Kern über eine etwaige Koalition mit der FPÖ im Bund sprechen. Einmal mehr redete er über „Kriterien“, die die SPÖ für Regierungspartner formulieren werde. „Eine große, stolze Partei kann sich nicht über das definieren, was wir nicht tun, sondern wofür wir stehen.“ Strache blieb bei seiner Meinung: „Ich grenze grundsätzlich niemanden aus. Eine marxistische Umverteilungspolitik ist aber nicht unser Weg.“

Kein Bier

Überschneidungen mit der SPÖ sieht Strache bei der Infrastruktur-, Gesundheits- und Sozialpolitik, wobei er die 100 Euro zusätzlich für Pensionisten, die soeben von der Regierung beschlossen wurden, als „Almosen“ qualifizierte. „Trotz der mittleren Welten, die uns inhaltlich trennen“ ortete der SPÖ-Chef eine „gute Gesprächsbasis“.

Aus dem Bier, „das wir noch nie getrunken haben“ (Kern), wurde nach dem einstündigen Abtasten dann aber doch nichts. Strache ist aber „erleichtert“, dass der Kanzler auch zu Alkoholischem greift: „Wenigstens trinken Sie nicht nur Kaffee.“

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