Rot-Blaues "Kampfkuscheln" könnte Hofer nützen

Kern und Strache: Überraschend freundschaftlicher Auftritt im ORF
Politikberater sieht durch den amikalen ORF-Auftritt von Christian Kern und Heinz-Christian Strache Auswirkungen auf die nahende Bundespräsidenten-Wahl.

Der Radiosender Ö1 bot den Chefs von SPÖ und FPÖ gestern Abend die Bühne, um erstmals außerhalb eines Wahlkampfs öffentlich miteinander zu diskutieren. Ungewöhnlich amikal verlief das auch im Fernsehen (ORF III) übertragene "Klartext"-Gespräch zwischen Bundeskanzler Christian Kern und FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache. Auch am Morgen danach war im ORF-Sender Ö1 die rot-blaue Annäherung Thema Nummer eins.

Politikberater Thomas Hofer sah, wie andere Beobachter, eher ein bemerkenswertes "Kampfkuscheln" als ein Streitgespräch. Er zitiert den zentralen Satz von Kern, "dass es Herrn Strache natürlich auch darum geht, unser Land voranzubringen."

Massive Abkehr von SPÖ-Linie

"Das ist schon eine massive Abkehr von der bisherigen Linie", sagte Hofer im Ö1-"Morgenjournal". "Aber Kern muss wissen, was er damit auslöst. Es wird jetzt heftig los gehen in der Partei", weil der linke SPÖ-Flügel dazu nun klarerweise etwas sagen müsse.

Im kommenden Nationalratswahlkampf müsste Kern aber als Anti-Strache antreten, diese Wahlkampf-Botschaft falle nun weg. "In erster Konsequenz stiftet man damit Verwirrung", meint Hofer. Er hätte Kern zu einem behutsameren, langsameren Weg geraten.

"Problem" für Van der Bellen

Der Politikberater sieht auch deutliche Auswirkungen auf das Finale im Bundespräsidenten-Wahlkampf: "Es kommt für Alexander Van der Bellen, der ja von Christian Kern unterstützt wird, zu einem Zeitpunkt, wo die generelle Haupt-Wahlkampfbotschaft ist: Mit Norbert Hofer an der Spitze droht ein partieller Weltuntergang. Das wird natürlich durch so einen Auftritt massiv unterlaufen."

Das habe, so knapp vor der Wahl "ganz klar" dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer genützt, meint Hofer (zufällige Namensgleichheit) und sieht "jetzt schon ein Problem" für Van der Bellen.

Der eine ist mit seiner Partei Nummer 1 und Kanzler, der andere will mit seiner Partei Nummer 1 und selbst Kanzler werden. Das scheint möglich: In allen Umfragen ist die FPÖ derzeit an der Spitze – und vor der SPÖ. Und so wird das kommende Wahlkampf-Match zwischen Christian Kern, der die Roten seit Mai führt, und Heinz-Christian Strache, der den Blauen seit zehn Jahren vorsteht, ein heftiges werden.

Einen Vorgeschmack sollte es Mittwochabend geben. Kern und Strache im ORF-Radio-Kulturhaus – „Klartext“ war gefragt. Eine ungewöhnliche Konstellation: Normalerweise duellieren sich ein Kanzler und ein Oppositionsführer nur vor einer Wahl; und da in einem TV-Studio.

Wortgewalt

Bisher haben Kern (50) und Strache (47) einander nichts geschenkt. Von „Luftblasen“ (Strache über Kerns „New Deal“) über Kerns Attest, Strache sei kein Patriot bis hin zum Befund des blauen Frontmanns, der Kanzler sei in der CETA-Frage „umgefallen und im Liegewagen zurück nach Wien gefahren“, reichte bis dato das Spektrum an Verbalattacken. Gestern sah es zu Beginn nachgerade nach einem Nichtangriffspakt aus. Die Kontrahenten ließen einander ausreden. Strache lobte gar „die neue Qualität“ seit Kern Kanzler ist: „Ich habe mehr Gespräche mit ihm geführt als mit Werner Faymann zuvor.“

Als die Sprache im vollbesetzen Saal auf Populismus- und Nationalismusdefinitionen kam, sorgte der Kanzler mit einer Pointe für einen Lacher. Auf die Frage, ob er ein Linkspopulist sei, konterte Kern mit einer Metapher und versteckter Medienkritik: „Welcher Pudel die Nase beim Hunderennen vorn hat?“ Das sei irrelevant. „Davon können sich die Leute nichts kaufen.“ Es folgten die bekannten Positionen zur Flüchtlingspolitik und zur EU (Strache: „Ich bin für ein föderales Europa“, Kern: „Europa ist ein Werteprojekt“).

Für Amüsement im Publikum sorgte Straches Aussage, dass ein Bundespräsident Norbert Hofer als „Mediator zwischen den USA und Russland“ fungieren würde – nach dem Vorbild von Bruno Kreisky. Als der FPÖ-Chef zu einem Wortspiel mit des Kanzlers Nachnamen ansetzte („Kernschmelze“, „Kernkraft“), replizierte der SPÖ-Chef: „Diese Namenswitze kenne ich seit der Kindheit. Da bin ich schmerzbefreit.“ Trotz Kuschelboxens konnte sich Strache die ein oder andere Spitze nicht verkneifen: „Sie sind ein Meister der schön gekleideten, leeren Worthülsen.“

Pelinka zu Rot-Blau: "Wahl zwischen Pest und Cholera"

Nicht so gerne will Kanzler Kern über eine etwaige Koalition mit der FPÖ im Bund sprechen. Einmal mehr redete er über „Kriterien“, die die SPÖ für Regierungspartner formulieren werde. „Eine große, stolze Partei kann sich nicht über das definieren, was wir nicht tun, sondern wofür wir stehen.“ Strache blieb bei seiner Meinung: „Ich grenze grundsätzlich niemanden aus. Eine marxistische Umverteilungspolitik ist aber nicht unser Weg.“

Kein Bier

Überschneidungen mit der SPÖ sieht Strache bei der Infrastruktur-, Gesundheits- und Sozialpolitik, wobei er die 100 Euro zusätzlich für Pensionisten, die soeben von der Regierung beschlossen wurden, als „Almosen“ qualifizierte. „Trotz der mittleren Welten, die uns inhaltlich trennen“ ortete der SPÖ-Chef eine „gute Gesprächsbasis“.

Aus dem Bier, „das wir noch nie getrunken haben“ (Kern), wurde nach dem einstündigen Abtasten dann aber doch nichts. Strache ist aber „erleichtert“, dass der Kanzler auch zu Alkoholischem greift: „Wenigstens trinken Sie nicht nur Kaffee.“

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