SPÖ-Chef Babler will bei Nationalratswahl Nummer 1 und Kanzler werden

Austria's Social Democrats new party leader Babler attends a news conference in Vienna
Babler will Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel aussetzen und Preiskontrollen für Handelsketten. Kürzere Arbeitszeit würde Frauen nützen.

SPÖ-Chef Andreas Babler war am Sonntag erstmals in der ORF-Pressestunde zu Gast. Anfangs ging es um die SPÖ. "Ich habe die besten Köpfe für die Sozialdemokratie gesucht", das Team bestehend aus Philip Kucher, Julia Herr, Eva-Maria Holzleitner und den Neuen in der Parteizentrale entspringe nicht dem Lagerdenken innerhalb der Partei, sagt Babler.

Wird der SPÖ-Chef künftig immer per Mitgliederentscheid gewählt? Babler: Die 72-Prozent-Beteiligung bei der vergangenen Mitgliederbefragung sei weit höher gewesen als in den europäischen Schwesterparteien üblich, "die Mitglieder der SPÖ sind gewillt, Verantwortung zu übernehmen". Daher werde die Mitgliedermitbestimmung ausgebaut. Dafür brauche man aber eine Zweidrittelmehrheit auf dem Parteitag, und es gelte, einige Bedenken auszuräumen. "Grundkonsens" sei jedoch, über den Parteivorsitz künftig abzustimmen.

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Habe nicht auch Babler den Wunsch der Mitglieder ignoriert, weil er als Zweitplatzierter der Mitgliederbefragung auf dem Parteitag angetreten ist? Nein, sagt Babler, denn das Ergebnis der Mitgliederbefragung habe keine Klarheit gebracht. Es ging dann nur um die Frage, wie man diese Klarheit schaffe, ob über eine Mitglieder-Stichwahl oder eben auf dem Parteitag. Für Hans Peter Doskozil und für ihn selbst seien das sehr emotionale Tage gewesen.

Zu seiner früheren Kritik an der SPÖ-Führung, dass die SPÖ abgehoben sei und interne Kritik nicht zulasse, sagt Babler, genau das sei der Grund für die nun geplante "Demokratisierung der SPÖ": Mitglieder und Funktionärinnen und Funktionäre sollen leichter mit Meinungen und Kritik durchkommen. "Kritik und interne Diskussionen müssen möglich werden", sagt Babler.

U-Ausschuss zu Kika/Leiner sei möglich

Zur Kika/Leiner-Insolvenz sagt Babler, an erster Stelle solle Hilfe für die Beschäftigten stehen. Darüber hinaus gehe es auch um Aufklärung. Die Aussage von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian ("Es stinkt") sei richtig. Im gegebenen Fall müsse man Immobilien sicherstellen, auch die Strafverfolgungsbehörden seien gefordert. Ein U-Ausschuss sei möglich, auch in Kooperation mit der FPÖ, aber der Zeitpunkt, darüber zu entscheiden, sei noch nicht gekommen. Die Rolle von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer in Benkos Signa-Holding sei kein Grund für einen Parteiausschluss, denn Gusenbauer spiele in der Sozialdemokratie "keine Rolle".

Arbeitszeitverkürzung macht Pflegejobs attraktiver und bringt Frauen zu Vollerwerb

Zur Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden sagt Babler: Die Sozialpartner sollten das über einen Generalkollektivvertrag über einen größeren Zeitraum, möglicherweise wie in den 1970er-Jahren über fünf Jahre, umsetzen. Die Arbeitszeitverkürzung würde die Arbeitsbedingungen massiv verbessern, dadurch würden Arbeitnehmer auch Jobs wie in der Pflege wieder annehmen, die derzeit von den Arbeitsbedingungen her nicht attraktiv genug seien. Ein paar Stunden mehr für Regeneration zum Beispiel auch in psychisch belastenden Berufen wie in der Pflege würden helfen.

Arbeitsverkürzung würde auch bedeuten, mehr Frauen an die Vollerwerbsgrenze zu bekommen, denn Teilzeit verringere nicht nur das Gehalt, sondern auch später die Pension.

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"Preiskontrolle für Handelsketten"

Thema Teuerung: Kurzfristig will Babler die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel aussetzen, man müsse aber schauen, dass sich die Steuersenkung auch in Preissenkungen niederschlage. Flankierend zu einer Mehrwertsteueraussetzung brauche es daher eine Preiskontrolle. In Österreich gebe es eine hohe Konzentration im Lebensmittelhandel, in Deutschland, wo mehr Wettbewerb herrsche, seien die Lebensmittel um 13 Prozent billiger.

"Vermögensschere zerstört das Herz der Demokratie"

Vermögenssteuern: Die EU und die OECD empfehlen Österreich eine Vermögensbesteuerung, denn es gebe bei uns keine, sagt Babler. 96 Prozent der Haushalte wären von einer solchen Vermögensbesteuerung ab einer Million Euro gar nicht betroffen. In den kommenden Jahren würden in Österreich 700 Milliarden vererbt. Sieben von zehn Menschen in Österreich erben jedoch gar nichts. Die Befürchtungen vieler Häuslbauer, dass die Freigrenze von einer Million zu niedrig angesetzt sei, kontert Babler so: "Wir sind die Partei der Häuslbauerinnen und Häuslbauer. Und es stimmt, mit der Inflation muss man die Million evaluieren. Auf 1,1 Millionen."

Die SPÖ sei für Vermögenssteuern aus der Sorge heraus, "dass die Schere, die immer weiter aufgeht, das Herz unserer Demokratie zerstört. Reiche müssen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt etwas beitragen."

"Gegen Lobau-Tunnel, für Tempo 100"

Tempo 100: Durch die Temporeduktion auf 100 km/h würden 100 Menschen im Jahr weniger auf Österreichs Straßen sterben. Auch aus diesem Grund sage er "ja zu Tempo 100". Babler ist auch gegen den Lobau-Tunnel, "denn mehr Verkehr kann man nicht mit neuen Straßen bekämpfen". Klimakleber verdienten Solidarität, man könne aber streiten, ob das die beste Protestform sei. "Aber es ist dramatisch, was bei der Erderhitzung gerade passiert. Es ist auch eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, da geht es um Zugang zu Trinkwasser zum Beispiel." Auch in Österreich gebe es bereits weniger Wasser.

Handelsabkommen wie Mercosur: Die Zustimmung der SPÖ hänge von sozialen und ökologischen Bedingungen ab.

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"UN-Migrationspakt wieder beitreten"

Migration: "Ich mag mich nicht an schreckliche Bilder gewöhnen", sagt Babler. Die EU wolle irreguläre Migration stoppen, ohne Wege für reguläre Migration aufzuzeigen. "Ich würde sofort wieder dem UN-Migrationspakt beitreten, um zu diskutieren, was sichere Fluchtrouten sein können. Ich würde eine geordnete Struktur schaffen, wo man andocken kann. Geben Sie mir ein paar Wochen Zeit, um etwas konkret vorzulegen", sagt Babler. Mehr Hilfe vor Ort, damit sich die Menschen gar nicht auf den Weg machen, sei ebenfalls enorm wichtig.

"EU hat Wohlstandsversprechen gebrochen"

Position zur EU: Die EU sei ein großer Hebel, alles andere wäre ein Rückfall in Kleinstaaterei. Daher sei er nicht gegen die EU. Die Sozialdemokraten wollen jedoch die EU-Verträge um ein "soziales Fortschrittsprotokoll" ergänzen. Zwar sei einiges in letzter Zeit weitergegangen, zum Beispiel das Lieferkettengesetz, das Vorgaben mache, unter welchen Bedingungen Konzerne produzieren. "Aber die EU hat das Wohlstandsversprechen gebrochen, da müssen wir nachschärfen", sagt Babler.

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Ukraine: Dass die SPÖ-Abgeordneten in so großer Zahl vor einigen Wochen die Selenski-Rede schwänzten, war "ein Fehler".

Wahlziel: Babler: "Ich war immer für Überraschungen gut. Klar Nummer 1 zu werden, ist der Auftrag." Ziel sei, Kanzler zu werden, denn Gestalten sei der Anspruch der SPÖ.

Reaktionen: "Babler macht SPÖ zu Filiale der grünen Weltuntergangssekte"

„Sehr viel heiße Luft“ ortet der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker im Auftritt Bablers. Inhaltlich sieht er beim neuen SPÖ-Chef eine Nähe zu den Grünen: „Mit seinem Ja zu Tempo 100 auf Autobahnen und einem Grundverständnis für die Klimakleber macht er seine Partei zu einer Filiale der Grünen Weltuntergangssekte.“

In puncto Lobau-Tunnel rät Hafenecker Babler, sich die Materie von Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig erklären zu lassen, dann wüsste er, dass Wien diesen Tunnel brauche.

"Linksruck geht weiter"

Ein „Wunschkonzert“ Bablers, das wohl innerhalb seiner Partei wieder zu massivem Widerstand führen wird, sieht ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker: „Der massive Linksruck unter Vorsitzendem Babler geht jedenfalls weiter.“ Die ORF-Pressestunde habe mehr die Spaltung innerhalb der größten Oppositionspartei ans Tageslicht gebracht als Klarheit in die Positionierung der SPÖ, meint Stocker.

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