Alt-Präsident Heinz Fischer über SPÖ-Debatte: "Babler sitzt fest im Sattel"
Heinz Fischer (86) zählt zu den Granden in der SPÖ. Er will, dass seine Partei eine Regierungsbeteiligung anstrebt.
KURIER: In Ihrer Zeit als Bundespräsident war die Erteilung eines Regierungsauftrags noch einfach. Da erhielt die SPÖ als Wahlsieger sofort den Zuspruch. Diesmal ist es mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl als Sieger schwieriger. Denken Sie manchmal darüber nach, wie Sie aktuell als Präsident handeln würden?
Heinz Fischer: Natürlich denkt man mit und überlegt Optionen, die es gibt. Aber ich möchte nicht als ehemaliger Bundespräsident den Anschein erwecken, dass ich da öffentlich Ratschläge gebe. Es ist eine spannende Zeit und der Bundespräsident ist da sehr gefordert. Ich freue mich, dass er in dieser Situation sehr rational vorgeht.
Es bleibt die Frage, ob er der nun stärksten Kraft, der FPÖ, den Auftrag erteilt. Ob er sich damit an die bisherigen Usancen hält.
Es sind zwei Fixpunkte in der Verfassung verankert: Niemand kann Bundeskanzler werden, der nicht vom Bundespräsidenten ernannt wird. Also braucht er sein Vertrauen. Der zweite Fixpunkt ist: Niemand kann sinnvollerweise Bundeskanzler werden, der keine Mehrheit im Nationalrat hinter sich hat. Deswegen muss ein Bundespräsident überlegen, was er allenfalls beitragen kann, einen Kandidaten zu finden, der sein Vertrauen hat und wo der Nationalrat kein Misstrauensvotum durchbringt. Damit ist der Personenkreis natürlich nicht unendlich groß. Und eines noch: Im Jahr 2000 hatte die FPÖ nicht das Geringste einzuwenden, als die zweitstärkste Partei mit der drittstärksten eine Koalition bildete (Anm.: Schüssel – Haider).
Schwierig wird es, wenn dem Bundespräsidenten parteipolitische Präferenzen unterstellt werden, weil er verschiedene Varianten prüft.
Ein Bundespräsident, der sagen würde, mit einer bestimmten Partei rede ich nicht einmal, der handelt wahrscheinlich nicht optimal. Aber ein Bundespräsident, der mit allen Parteivorsitzenden redet und allenfalls sagen kann, er habe von zwei Parlamentsfraktionen erfahren, dass sie bereit und in der Lage wären, eine Mehrheit im Nationalrat zu bilden, ist damit einer erfolgreichen Regierungsbildung ein gutes Stück näher gerückt.
Hätten Sie in ihrer langen politischen Laufbahn jemals geglaubt, dass einmal nicht SPÖ oder ÖVP nach einer Wahl den ersten Platz einnimmt, sondern die FPÖ?
Geglaubt hätte ich es eigentlich nicht. Aber ich versuche, Realist zu sein, und weiß, dass die Politik heute viel volatiler ist, als sie früher war. Es ist eine Entwicklung, die man schon in Deutschland und Frankreich beobachten konnte. Das Europa von heute ist politisch viel zersplitterter als das Europa in der Zeit von Willy Brandt und Bruno Kreisky.
Alt-Bundespräsident zu Gast in der KURIER TV-Sendung "bei Gebhart"
Zur Regierungsbildung: Ihnen wäre eine schwarz-rot-pinke Koalition am liebsten, ist zu hören. Stimmt das?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber ich glaube, dass die Sozialdemokraten und die Volkspartei, wenn ich es gesamthaft betrachte, Parteien sind, die sich wirklich um das Staatswohl bemühen. Ich würde aber Sorge haben, wenn im Parlament einer Regierungsmehrheit von nur 92 Abgeordneten 91 Abgeordnete als Opposition gegenüberstehen.
Das heißt, wenn es nur eine schwarz-rote Koalition gibt.
Richtig, daher könnte eine dritte Partei dazukommen. Dabei schätze ich die Chemie zwischen den Grünen und der ÖVP so ein, dass die Neos bessere Chancen haben. Obwohl ich nichts gegen die Grünen einzuwenden hätte. Ich bin nicht nur Rapidler, ich kann auch auf politischer Ebene mit den Grünen.
Das Wichtigste wäre natürlich, dass diese Parteien in sich geschlossen sind. Da ist jetzt in Ihrer SPÖ die Debatte um den Parteivorsitz aufgebrochen, weil Rudolf Fußi mit einer Direktwahl den Parteivorsitz übernehmen will. Das macht die Verhandlungen natürlich schwieriger.
Das glaube ich nicht. Ich schätze Herrn Fußi, den ich kaum kenne, so ein, dass er jemand ist, der sich in der Öffentlichkeit in Szene setzen will und von manchen Journalisten hochgeschrieben wird. Mich regt das nicht sehr auf, dass Herr Fußi Parteiobmann werden will, weil es irreal ist. Der war schon bei verschiedenen Parteien. Ich betrachte das mit großer Gelassenheit.
Parteiobmann Andreas Babler sitzt Ihrer Meinung nach fest im Sattel, trotz des Wahlergebnisses.
Ja. Die Kandidatur des Herrn Fußi ändert nichts an der Führungsaufgabe des Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler.
Ihrer Meinung nach sollte die SPÖ Regierungsaufgaben übernehmen? Es gibt in der Partei ja auch Stimmen, die für ein Verbleiben in der Opposition sind.
Meiner Meinung nach sollte sie das auf jeden Fall versuchen. Ich sage, auf jeden Fall, aber nicht um jeden Preis. Es wird die SPÖ nicht in einer Regierung sein und dort Dinge vertreten, die sie nicht vertreten kann. Es wird auch nicht die ÖVP um jeden Preis in eine Regierung gehen. Das heißt, dass die beiden größeren Parteien, aber natürlich auch ein dritter Koalitionspartner, ihre Grundsätze und das, was ihnen wichtig ist, in ein Regierungsprogramm einbringen, dabei aber immer auch auf die Sichtweise und die Interessen der anderen Seite bedacht nehmen. Da sind Fairness und die Fähigkeit zur Teamarbeit wichtig, um das Ganze wirklich ins Laufen zu bringen.
Gibt es dafür überhaupt das notwendige Gesprächsklima? Abseits des Wahlkampfs hat es in den vergangenen Jahren viele Verwundungen gegeben. Vom Platzen der Koalition unter Kanzler Christian Kern bis zu den U-Ausschüssen gegen die ÖVP.
Worauf Sie anspielen, da ist schon was dran. Es hat auch in der Vergangenheit zwischen SPÖ und ÖVP sehr harte Auseinandersetzungen gegeben. Gleichgültig, ob man sich als Regierung und Opposition oder in einer Koalitionsregierung gegenübergestanden ist; trotzdem habe ich das Gefühl – vielleicht täusche ich mich –, dass damals der menschliche Faktor des gegenseitigen Verständnisses größer war als heute.
Das ist jetzt nicht mehr so vorhanden?
Richtig, aber daran müssen wir arbeiten. Ich glaube, dass das nicht als Packelei abgetan werden kann. Aber wenn sich politische Gegner trotz aller Meinungsverschiedenheiten als Mensch, als gleichwertiger Partner und als jemand, mit dem man Projekte gemeinsam über die Hürden bringt, sehen, dann wäre das sehr wertvoll. Das ist heutzutage ein wenig verloren gegangen.
Da gibt es also noch sehr viel Gesprächsbedarf?
Gesprächsbedarf und die wirkliche Bereitschaft, ehrlich miteinander umzugehen.
Es gibt auch die Diskussion, dass so eine Dreierkoalition eine Art Allianz gegen Herbert Kickl wäre, die ihn und die FPÖ politisch noch stärker machen würde.
Ich kenne dieses Argument und daran ist nicht alles falsch. Aber letztlich muss man genug Selbstbewusstsein und genug Selbstvertrauen haben. Wenn sich Parteien wie die SPÖ und die ÖVP mit einer dritten Kraft zusammensetzen und sagen, wir wollen gemeinsam vernünftige Dinge für das Land machen und wir haben dafür fünf Jahre Zeit, dann muss man diese Chance wahrnehmen. Und man kann nicht sagen, ich habe Angst, dass wir uns streiten werden und dass wir nichts zusammenbringen, daher soll gleich die FPÖ die Führungsrolle in der Republik übernehmen.
Die drei Parteien sollten es wagen?
Es ist ein Risiko, es ist schwierig. Aber Politik ist nun einmal das Bohren harter Bretter. Gefragt sind Augenmaß, Geduld, das Überwinden von Hürden und ein langer Atem. Wenn man das akzeptiert, wird es zwar nicht leicht, aber es ist meiner Meinung nach die beste Option.
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