Diese Passage des Entwurfs wird nun heftig kritisiert. „Soll wirklicheine Bestätigung von irgendeinem Arzt reichen? Es gibt bekanntlich Ärzte, die der Impfung sehr skeptisch gegenüberstehen. Dieses Ausnahmeregime ist nicht ausgereift“, erklärt Meinhard Lukas, Rektor der Linzer Kepler-Uni.
Die Sorge ist nicht unbegründet. Ein Allgemeinmediziner in Bad Aussee stellte 2020 etwa Online-Atteste aus, die Maskenverweigerer von der Maskenpflicht „befreiten“.
Wenn es Ärzte gibt, die vermehrt Atteste ausstellen, die Personen von der Impfpflicht befreien, müsse man sich das genau ansehen, hatte die Ärztekammer bereits vor dem Vorliegen des Gesetzesentwurfs auf KURIER-Anfrage erklärt. Sollte diese Prüfung ergeben, dass der Arzt wider besseres Wissen gehandelt hat, kann das zu einem Berufsverbot führen.
Um einen möglichen Missbrauch zu verhindern, soll auch zur Debatte gestanden sein, ob nur Amtsärzte von der Impfpflicht befreien können sollen. Dem Vernehmen nach wurde das verworfen, weil es in einigen Bundesländern schlicht zu wenige Amtsärzte gibt. Außerdem soll besprochen worden sein, die Diagnosen, die eine Befreiung von der Impfpflicht rechtfertigen, explizit im Gesetz aufzulisten. Im ersten Entwurf ist das aber nicht enthalten.
Obwohl auch er die Gefahr von „Scheinattesten“ sieht, zieht Verfassungsrechtsexperte Christoph Bezemek von der Uni Graz ein positives Fazit zum vorliegenden Entwurf. Das Gesetz sei „relativ detailliert und engmaschig“. Die Impfpflicht habe, wenn sie im Parlament tatsächlich eine breite Mehrheit findet, eine höhere demokratiepolitische Legitimation. Dem Gesundheitsminister bleibe nur wenig Spielraum, um später im Alleingang noch weitere Details zu verordnen.
Das Gesetz dürfte im Grunde verfassungsrechtlich halten, sagt Bezemek: „Entlang der Erläuterungen ist erkennbar, dass man gerade die Abwägung der Grundrechte sehr feingliedrig ins Kalkül gezogen hat. Das ist gut gemacht.“
Geplant ist, dass jeder, der zum Stichtag 15. März nicht geimpft ist, per Strafverfügung bis zu 600 Euro zahlen muss. Diese Strafe wird alle drei Monate fällig, bis derjenige geimpft ist. Wie aber der Rechtsweg genau funktioniert, wenn jemand Einspruch erhebt, sei nicht ganz klar, sagt der Verfassungsrechtler. Hier wird es im Entwurf noch Nachbesserungen geben müssen.
Auch, wie schnell es zu Strafen kommt, sollte laut Experten überdacht werden. Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien spricht sich für ein Stufenverfahren aus. Die Idee: Ungeimpfte sollten zu einem verpflichtenden Beratungsgespräch in einer Impfstraße, beim Amtsarzt oder der Krankenversicherung eingeladen werden. Denn eine objektive Beratung würde noch viele Unsicherheiten bei den Menschen ausräumen. Eine Impfung soll dann Ort und Stelle angeboten werden, spätestens soll sie aber drei Wochen nach dem Gespräch erfolgen müssen. "Wenn Menschen eine Pflicht erfüllen müssen, hilft es ihnen, wenn ein Rest an Freiheit verbleibt", erklärt Czypionka.
Darüber hinaus tritt Czypionka für einen medizinisch abgesicherten Kriterienkatalog zur Feststellung einer Ausnahme von der Impfpflicht ein. Denn: "Zweifellos gibt es Menschen, die der Impfpflicht nicht nachkommen können." Ob diese Kriterien erfüllt sind, müsste aber vom medizinischen Dienst der Krankenversicherungsträger oder einem Amtsarzt beurteilt werden, damit es zu keinen Gefälligkeitsgutachten kommt.
Kommentare