Die Frage, wie es weitergeht, ist also noch nicht beantwortet. Die Grünen kalkulieren nach wie vor damit, dass der Kanzler ob der Ereignisse zurücktritt. „Die ÖVP hat jetzt vier Tage Zeit, den ersten Schock zu verarbeiten und sich anzuschauen, was da eigentlich am Tisch liegt. Fest steht: Dieser Bundeskanzler ist momentan nicht mehr amtsfähig“, sagt Stefan Kaineder, grüner OÖ-Landes-chef dem KURIER. Wie verhärtet die Fronten sind, das zeigt sich am Freitagabend.
Der Kanzler signalisiert in einem spontan einberufenen Pressestatement kein Interesse, für einen anderen aus der ÖVP-Riege Platz zu machen. Er wiederholt, er und die ÖVP seien „handlungsfähig und handlungswillig“. Die ÖVP-Spitze, Bund wie Landeshauptleute, steht offiziell hinter Kurz. Grünen-Chef Werner Kogler hält in einem spontanen Statement kurz nach dem Kanzler erneut und mit Nachdruck fest: „Kurz ist nicht mehr amtsfähig.“
Aber: „Offensichtlich weigert sich die ÖVP, eine untadelige Person bereitzustellen, deswegen reden wir mit den anderen Parteien“, sagt Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer. Wie angekündigt, führen die Grünen am Freitag mit SPÖ, ÖVP und Neos Gespräche. Ohne gewichtige Erkenntnisse. SPÖ-Parteichefin Rendi-Wagner: „Es liegt an den Grünen zu entscheiden, ob sie das System Kurz weiter stützen und unterstützen wollen.“ Sollten sich in den kommenden Tagen keine ÖVP-internen „Königsmörder“ formieren, liegt es an den Grünen, dem Misstrauensantrag eine Mehrheit zu verschaffen. Noch möchte das kein hochrangiger Grüner klar aussprechen, aber: Als Partei, die sich jahrzehntelang über den Kampf gegen Korruption definiert hat, werden sie kaum gegen den Misstrauensantrag stimmen können. Was passiert, wenn der Nationalrat Kurz zum zweiten das Vertrauen entzieht?
Gespräche mit anderen Parteien seien bisher nicht aufschlussreich gewesen, sagt FPÖ-Chef Herbert Kickl. Sein Signal: Die FPÖ wird eine Koalition nur dann unterstützen, wenn sie sich inhaltlich einbringen kann – angesichts der blauen Krawallpolitik in Corona-Fragen ein kompliziertes Unterfangen. Dennoch ist eine Viererkoalition nicht völlig vom Tisch. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wollte das in der ZIB2 nicht ausschließen. Sie geht davon aus, dass die ÖVP sich von Kurz abwenden wird – und Türkis-Grün damit weitergeführt werden könnte.
Zwei Varianten scheiden eher aus: Ein vom Nationalrat gestütztes Expertenkabinett lehnt Kickl nach den Erfahrungen mit dem „Kabinett Bierlein“ ab, Rendi-Wagner sieht diese angesichts der aktuellen Situation auch kritisch. Eine Minderheitsregierung aus SPÖ, Grünen und Neos werde die FPÖ nicht dulden.
Bliebe noch die Neuwahl-Option. SPÖ und Neos lehnen vorerst ab. Kickl: „Die derzeitige Zusammensetzung des Nationalrats ist das Ergebnis von zwei Wahlgängen, wo wesentlich hineinmanipuliert wurde.“ Es sei sehr wohl eine Option, die Wähler zu fragen, ob sie „ihr Vertrauen und Misstrauen nicht neu aufteilen wollen“.
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