Regierungskrise 2021: Neue Chats zu Mitterlehner und IHS
Aus den Korruptionsermittlungen rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sind am Freitag weitere Details an die Öffentlichkeit gedrungen. Mehrere Medien veröffentlichten neuerlich Chats des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium Thomas Schmid. Darin spricht dieser etwa davon, im Wahlkampf 2017 Druck auf die Wirtschaftsforschungsinstitute IHS und WIFO oder den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling ausüben zu wollen, weil diese nicht auf Kurz' Linie waren.
Die Chatverläufe zwischen Schmid und Kurz, bei denen etwa der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner alles andere als gut wegkommt, lassen laut Staatsanwaltschaft auf eine langjährige Freundschaft schließen. Der Kontakt zwischen Kurz und Schmid sei seit 2014 nie abgerissen. Den Ermittlungen zufolge soll Schmid im Finanzministerium in der Causa um mutmaßlich geschönte Umfragen, die - so der Verdacht der Anklagebehörde - mit Scheinrechnungen bezahlt wurden, eine zentrale Rolle gespielt haben.
Mitterlehner kommt nicht gut weg
Immer wieder hätten die beiden angeregt über Kurz' Vorgänger als Parteichef Mitterlehner diskutiert, berichteten die Salzburger Nachrichten und die Kleine Zeitung. Als Mitterlehner 2019 sein Buch "Haltung" veröffentlichte, tauschten sich Schmid und Kurz darüber aus. Schmid schrieb demnach: "Diese alten Deppen sind so unerträglich! Keiner musste sich jemals einer Bundeswahl stellen und den Schwachsinn der Vorgänger erklären! Du hast das alles erfolgreich geschafft und wir durften Dabei mitarbeiten Mitterlehner ist ein Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn Bussi Thomas". Und Kurz, damals Kanzler der türkis-blauen Regierung, antwortet: "Danke Thomas Super war dass Spindi heute ausgerückt ist. Das stört den Arsch sicher am meisten..."
Zudem habe Kurz Mitterlehner auch keinen Erfolg gönnen wollen. Wie das Ö1-Mittagsjournal berichtete, schrieb Kurz etwa an Schmid im Zusammenhang mit Verhandlungen von Mitterlehner mit dem damaligen SPÖ-Kanzler Christian Kern rund um eine Lösung für Banken und 1,2 Milliarden Euro für Nachmittagsbetreuung für Kinder: "Gar nicht gut. Wie kannst Du das aufhalten?". Unmittelbar danach schickte er an Schmid: "Bitte, kann ich ein Bundesland aufhetzen?"
Und als Schelling in einer wichtigen Steuerfrage einen Kompromiss mit der SPÖ eingehen habe wollen, schrieb Schmid laut Ö1 an Mitarbeiter im Finanzministerium über den damaligen Finanzminister: "Habe mit Kurz geredet. Kurz war ganz klar. Kurz sagte, er will keinen Kompromiss und keine Lösung. Wenn er es macht, ist er draußen."
Druck auf das IHS
In den Berichten der Korruptionsstaatsanwaltschaft gebe es auch Hinweise darauf, dass Schmid Druck auf das Institut für Höhere Studien (IHS), dessen damaliger Leiter der derzeitige Arbeitsminister Martin Kocher war, ausüben wollte, weil es in einzelnen Fragen nicht auf Kurz' Linie war. Etwa schrieb Schmid: "Mit den Wirtschaftsforschern habe ich telefoniert, wegen der zwölf Milliarden Entlastung. Schellhorn voll auf Linie, der braucht ein bisschen Pflege. Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS von BMF finanziert. Badelt - Wendehals." Kocher und WIFO-Chef Christoph Badelt wollte Schmid auf Linie bringen. Druckmittel war offenbar ein Fördervertrag mit dem IHS.
Kocher meldete sich zu den veröffentlichten Chats am Freitag via Twitter zu Wort: "Es liegt in der Natur der Sache und ist immer wieder vorgekommen, dass Institutionen und Personen Wünsche, Meinungen und Kritik zu Forschungsergebnissen und Interpretation derselben an mich herangetragen haben." Er habe diese als Direktor aber immer "sehr deutlich" zurückgewiesen. Das IHS habe in seiner Zeit "immer völlig partei- und regierungsunabhängig und wissenschaftlich integer agiert", so Kocher.
Der im Chat angesprochene Franz Schellhorn, Leiter des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, meinte in einer Reaktion gegenüber der APA: "Dass ich nicht pflegeleicht bin, mag sein. Aber dass ich pflegebedürftig wäre, ist mir neu." Was immer Schmid damit gemeint haben kann, sei "ein Rätsel", zudem habe man nie miteinander gesprochen. Tatsache sei, dass die Agenda Austria als einziges Institut weder Aufträge noch Geld von Staat, Parteien, Interessenvertretungen oder Vorfeldorganisationen nehme.
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