Raus aus Öl und Gas kommt Bürger teuer
Österreich, so hatte es Anfang Jänner 2020 ÖVP-Chef Sebastian Kurz erklärt, soll bis 2040 klimaneutral werden. Langsam dämmert es Volksvertretern und Bürgern, dass das bedeutet, dass keine fossilen Energieträger wie Erdgas oder Erdöl mehr verwendet werden dürfen.
Wie groß diese Herausforderung ist, zeigen die soeben begonnene Debatte über den Ausstieg aus Öl und Gas bei der Heizung und der Entwurf für das Klimagesetz.
Das Regierungsprogramm, die Bibel für alle Koalitionsverhandlungen, sagt klar: "Um die Erreichung der Klimaschutzziele Österreichs bis 2040 zu gewährleisten, muss auf die Verbrennung von Heizöl, Kohle und fossilem Gas für die Bereitstellung von Wärme und Kälte weitestgehend verzichtet werden." Konkrete Deadlines sind nur für Erdöl-Heizungen vermerkt: bis 2035 sollen alle Ölkessel verschwunden sein.
Aber welche Folgen hat das für die Bürger? Der KURIER hat bei Entscheidungsträgern, Experten und Fachkräften nachgefragt.
Müssen auch die privaten Haushalte raus aus Öl- und Gasheizungen?
Gesetzlich fixiert ist noch nichts. Beim Öl ist ein Ausstieg bis 2035 so gut wie fix, beim Gas ist das nicht so klar, als Zieldatum gilt 2040. Grundsätzlich ergibt es keinen Sinn, Gasheizungen zu betreiben, wenn der Staat klimaneutral werden will.
Sehen das die Länder, die dafür eigentlich zuständig sind, auch so?
Niederösterreichs Umweltlandesrat und stellvertretende Landeshauptmann Stephan Pernkopf sagt klar: "Wie das im Regierungsprogramm steht, soll das auch umgesetzt werden." Die Länder würden aber genau schauen, wie praxistauglich das Vorhaben ist und ob das für die Bürger auch leistbar ist. Er setze auf Anreize in Form von Förderungen: "Da kann ich mir vorstellen, dass wir anfangs eine volle Förderung ausschütten, die dann jedes Jahr weniger wird." Das müsse jedenfalls sozial und wirtschaftlich abgefedert werden.
Warum soll man nicht mehr mit Öl oder Gas heizen?
Einerseits weil dabei viel Kohlendioxid produziert wird (auch wenn das Gas-Brennwertgerät schon sehr effizient ist). Andererseits, weil Öl und Gas unter hohen Temperaturen verbrennen (Gas bis zu 2.000 Grad), wir damit aber nur Wasser auf 50 °C und den Wohnraum auf 20 °C heizen.
Was sind die Heiz-Alternativen zu Öl und Gas?
Luft-Wärmepumpen, Erdwärmepumpen, Pelletsheizungen, Fernwärme oder reine Stromheizungen – je nachdem, was für das Wohngebäude möglich ist.
Was kostet der Tausch des Heizungssystems?
Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Eine Luft-Wärmepumpe, sagt Richard Freimüller vom Fachverband Wärmepumpe Austria, kostet zwischen 7.000 und 15.000 Euro, je nach benötigter Wärmeleistung, plus Arbeitszeit. 80 Prozent aller neuen Öko-Anlagen seien Luft-Wärmepumpen. Der immense Nachteil ist, dass bei sehr kalten Außentemperaturen (weit im Minus-Bereich) die Wärmepumpen aus der Umgebungsluft keine Energie ziehen können, und die Wärmepumpe damit zu einer reinen Stromheizung wird.
Eine Erdwärmepumpe mit Tiefenbohrung, die vor allem im Winter viel effizienter ist, kostet entsprechend mehr, Freimüller nennt Kosten von rund 60 Euro pro Meter Bohrung. Für ein Haus mit 150 Quadratmetern müsse man zumindest 80 bis 100 Meter tief graben, sofern der Platz vorhanden ist.
Ein Fernwärme-Anschluss wäre eine gute Alternative, doch sind die Fernwärme-Netze bei Weitem nicht überall verfügbar. Neben einer Anschlussgebühr zahlt man die verbrauchte Energiemenge. Fernwärme hat noch das Problem, in vielen Städten – etwa in Wien – keineswegs klimaneutral zu sein, der Anteil an fossilen Brennstoffen in der Fernwärme kann bis zu 75 Prozent betragen.
Pellets-Heizungen (Biomasse) erfordern Investitionskosten von mindestens. 15.000 Euro, dazu kommt der jährliche Verbrauch, der mit Lkw angeliefert werden muss.
Was wird gefördert?
Weil es nicht nur eine Bundesförderung (Raus-aus-Öl-Bonus, 5.000 Euro), sondern auch neun unterschiedliche Landesförderungen gibt, ist das sehr breit gefächert (Link zu den Förderungen). Der Bundesinnungsmeister der Installateure, Michael Mattes, erklärt, dass etwa der Raus-aus-dem-Öl-Bonus des Bundes gerade einmal dafür reicht, den Abbau des alten Ölkessels zu finanzieren – denn diesen müssen Profis abpumpen, reinigen und dann zerlegen.
Ich lebe in einer Stadt in einer Mietwohnung – wie kann ich ökologischer heizen?
Vorerst müssen weder Mieter noch Wohnungseigentümer tätig werden. Innerhalb der nächsten zwei Jahre wird ein Konzept für den schrittweisen Umstieg von fossilen Heizsystemen bis 2040 erarbeitet. Wohnungseigentümer können jetzt schon aktiv werden, wenn sich die Eigentümer geschlossen für einen Umstieg auf erneuerbare Energien einigen. Energieplaner können hier weiterhelfen, in Wien z. B. "Hauskunft" (LINK).
Muss man sein Eigenheim nicht zuerst thermisch sanieren, bevor man die Heizung tauscht?
Das kann sehr viel Sinn ergeben, und die Energiekosten enorm senken, ist aber entsprechend teuer. Am meisten Energie geht in der Regel beim Dach und bei den Fenstern verloren. Ist ein Haus völlig unsaniert, kann es sein, dass die Wärmepumpe gar nicht ausreicht, um alles zu heizen.
Der Staat fördert eine Sanierung bei Häusern, die vor 2001 gebaut wurden. Voraussetzung ist eine Reduktion des Heizwärmebedarfs von mindestens 40 Prozent, die Förderung beträgt je nach Sanierungsart zwischen 4.000 Euro und 6.000 Euro. Bei Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zusätzlich bis zu 3.000 Euro. Es können maximal 30 Prozent der Kosten gefördert werden.
Ist der Tausch des Heizungssystem wirklich der Weisheit letzter Schluss?
Umweltökonom Stefan Schleicher von der Uni Graz sieht das kritisch, da seien in Österreich bisher viele technische Lösungen verschlafen worden. "Da beginnt damit, dass mir Energiefirmen Strom oder Wärme verkaufen wollen, Installateure Wärmepumpen, aber eigentlich sollten Gesamtlösungen angeboten werden, damit es warm daheim ist und ich Licht und Strom habe. Da fehlen innovative Anbieter."
Technisch ist viel mehr möglich: Neben einer Wärmepumpe, möglichst mit Erdwärme, sind Solarpanele am Dach sinnvoll, dazu ein Wärmespeicher und ein batterieelektrischer Speicher, und das möglichst in einem top-sanierten Haus. Die Kosten für Private sind jedenfalls erheblich.
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