Präsident des Höchstgerichts: "Moral ist nicht unser Maßstab"

Grabenwarter wurde aus drei Bewerbern ausgewählt
Christoph Grabenwarter erklärt, warum auch bei heiklen Fällen nur die Verfassung zählt, ein Richter keine Maschine ist – und warum wir froh sein können, nicht in den USA zu leben.

Bundestrojaner, Mindestsicherung, Rauchverbot, Kopftuch und zuletzt die Sterbehilfe – eine Frage von Leben oder Tod. In vielen gesellschaftspolitischen Fragen schafft der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Fakten. Und doch geben sich seine 14 Richter und Richterinnen zurückhaltend, direkt bescheiden. Eine wurde sogar Bundeskanzlerin – Brigitte Bierlein. Nachfolger Christoph Grabenwarter lebt seine Rolle ähnlich, wie er in einem seiner seltenen Interviews deutlich macht.

KURIER: Sie sind seit 15 Jahren beim VfGH und seit Februar dessen Präsident. Was hat diese Rolle aus Ihnen als Mensch gemacht?

Christoph Grabenwarter: Das müssen andere beurteilen. Ich kann nur hoffen, dass ich vieles richtig gemacht habe. Man muss versuchen, geerdet zu bleiben.

Anders gefragt: Haben Sie zu Hause auch immer recht?

Nein. Aber warum „auch“? Ich habe auch hier nicht immer recht.

Aber der Verfassungsgerichtshof hat in vielen Fällen das letzte Wort.

Es geht weniger um das letzte Wort, als darum, überzeugend zu argumentieren. Wir sind auch oft eingebettet in laufende Verfahren. Menschen, die unzufrieden sind mit unseren Entscheidungen, können den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen. „Höchstgericht“ ist relativ. Macht, auch die des Richters, ist immer begrenzt – davon lebt der liberale Rechtsstaat.

Wie oft wurden Ihre Entscheidungen schon vom EGMR revidiert?

Ganz, ganz selten.

Mehr als 90 Prozent der Entscheidungen des Richter-Gremiums sind einstimmig. Was spielt sich beim Rest ab?

Unterschiedlich – bei 13 Stimmführern (der Präsident ist nicht stimmberechtigt) gibt es von zwölf zu einer Stimme bis hin zu sieben zu sechs Stimmen alles. Auch bei einstimmigen Ergebnissen haben wir schon einmal heftigste Debatten gehabt.

Zwölf zu eins? Worum ging es da?

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