Erhard Busek: "Eine politische Leich’ muss her"
Erhard Busek entschuldigt sich zwei Mal: Ein Mal, da hat das Interview gerade erst begonnen. Ein zweites Mal am Ende. Weil er beim Thema Verwaltung „so emotional“ sei. „Aber ich finde eben, Österreich hat eine gute Verwaltung verdient!“, setzt er eilig nach – mit einem herzlichen Lachen.
Der ehemalige Vizekanzler und ÖVP-Chef ist 1995 aus dem Dienst der Republik ausgeschieden. „Wurscht“ ist sie ihm nicht. So viel steht fest.
KURIER: Werden Sie sich am Covid-Massentest beteiligen?
Erhard Busek: Nicht in der ersten Runde, aber dann sicher.
Und werden Sie sich auch impfen lassen?
Auch da möchte ich ein bisschen warten. Das geht alles ein bisschen schnell.
Ich frage, weil mich interessiert, ob Sie den Behörden vertrauen. Kriegen die das hin?
Es ist nicht wahrscheinlich, dass sie es fehlerlos hinkriegen. Das heißt aber nicht, dass ich ihre Qualität kritisiere. Ich glaube, diese großen Vorhaben sind eine Überforderung. Schwierig macht es auch die öffentliche Meinung. Die lebt ja momentan davon, dass jeder alles besser weiß.
Wenn wir zurückblicken, was bisher in der Corona-Krise schiefgegangen ist: Wo sehen Sie Schwächen in unserer Verwaltung?
Da müssen wir von Covid weggehen, die Probleme gehen tiefer. Erstens zweifle ich an der Qualität der Gesetzgebung. Mich regen die geschätzten, emeritierten Verfassungs- und Verwaltungsprofessoren auf, die sich da immer zu den Verordnungen äußern. Die Leute, die in den Rechtsabteilungen sitzen, sind von diesen Herren ausgebildet worden. Es gibt offensichtlich gravierende Mängel in der Lehre.
Guter Punkt. Und zweitens?
Es gibt keine klaren Strukturen mehr, natürlich sind die Rechtsabteilungen in den Ministerien überfordert. Früher gab es ein Ministerium für Land, Wasser und Forst – da war alles klar. Schauen Sie sich an, wie dieses Ministerium jetzt heißt. Immer wieder wurden in den Koalitionen Kompetenzen verschoben, weil ein Minister oder eine Partei sie halt haben wollte – ich nehme da keine Partei aus. Es ist zu viel herumgeschustert worden.
Haben Sie das schon mit dem Bundeskanzler besprochen?
Ich hatte besseren Kontakt mit ihm, als er die Koalition mit der FPÖ verlassen hat. Zu seiner Verteidigung: Jetzt ist er mit dem Krisenmanagement überbeschäftigt.
Die Schwächen sind ja besonders jetzt, in der Krise, offenkundig geworden ...
Es ist eine alte Klage: Jede Regierung hat in ihr Programm eine Verwaltungsreform geschrieben. Nur wurde nie eine Verwaltungsreform gemacht. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, ist es hoch an der Zeit, sich anzuschauen, welche Fehler passiert sind. Das ist aber keine politische Untersuchung, sondern eine Aufgabe für den Rechnungshof oder die Wissenschaft. Man sollte sie fragen, ob sie eigentlich bisher Fehleranalysen gemacht haben.
Was ist mit der Opposition?
Die Opposition stellt nicht die richtigen Fragen. Nehmen Sie den Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Causa her: Das Ziel der von mir sehr geschätzten Stephanie Krisper (Neos, Anm.) ist: „Es muss dringend eine politische Leich’ her.“ Es werden aber nicht die Vorgänge in der Verwaltung untersucht. Mit so etwas kommt man ja in der Zeitung nicht unter.
Korruption ist eben das spannendere Thema ...
Natürlich, die gab es auch – da darf man nicht naiv sein.
Haben Sie da Erfahrungen?
Wir haben damals, als ich in Wien Oppositionschef war, in der ÖVP die Bauaufträge für den U-Bahn-Bau untersucht, und sind draufgekommen: Die Aufträge sind reihum von Bauunternehmen vergeben worden. Deren Vertreter haben die Beantwortungen der Ausschreibung miteinander abgestimmt. Ich werde nie vergessen, als ich dann eine Runde an Vorständen eingeladen und sie damit konfrontiert habe. Einer ist aufgestanden, hat gesagt: „Ah, sind’s auch schon draufgekommen?“, und sich schiefgelacht.
Glauben Sie, kommt beim U-Ausschuss etwas heraus?
In der Art und Weise: nein.
Die Opposition fordert im Rahmen der BVT-Reform stärkere Kontrollrechte ...
Quatsch – das sind die Nächsten, die sich blamieren. Das Parlament kann das nicht, es hat keine Sachkenntnis. Es braucht ein entsprechendes Berichtswesen. Der Rechnungshof oder der Verfassungsgerichtshof soll sich das anschauen.
Zum Stichwort „politische Leich’“: Nach den Pannen rund um das Attentat in Wien hat die Opposition den Rücktritt von Innenminister Karl Nehammer gefordert ...
Das halte ich für einen Fehler. Ein Minister kann nicht jedes Papier abzeichnen, bei der Fülle der Verwaltungsvorgänge ist das unmöglich. Warum das bei den Beamten nicht funktioniert? Aus Unwissenheit, Faulheit, einer gewissen Überforderung? Es gehört jedenfalls eine Qualitätskontrolle her.
Aber ein Minister trägt doch eine Verantwortung dafür, dass das Werkl funktioniert?
Ich war sechs Jahre lang Minister. Das schafft man nicht. Man muss sich auf seine Beamten verlassen können. Möglicherweise ist das Vertrauen in die Beamten gesunken – und damit ihre Motivation und ihr Wille.
Wie sehen Sie den politischen Einfluss auf die Behörden? Bei manchen sagt man, sie seien schwarz, die anderen rot. Stimmt das?
Nein! Das ist falsch. Ich würde dem Gros der österreichischen Beamten vertrauen. Ich selbst habe ein rotes Ministerium übernommen und ich bin glänzend ausgekommen, weil es gute Beamte waren und sie vernünftig behandelt wurden. Ob das heute noch so der Fall ist, traue ich mir nicht sagen. Diejenigen, die mir etwas erzählen, sind auch schon pensioniert.
Es rutschen aber immer wieder Mitarbeiter von politischen Kabinetten in fixe Posten in der Verwaltung.
Ja, und das ohne eine Praxis, die man von unten lernt. Das ist auch ein Manko.
Angenommen, ich bin eine top-ausgebildete Juristin. Brauche ich ein Parteibuch, wenn ich einmal Sektionschefin werden will?
Das kann ich nur aus meiner Zeit beantworten: Nein.
Um das abzurunden: Eine gute Verwaltung bedeutet ja nicht nur Effizienz, sondern auch Sicherheit. Fühlen Sie sich in Österreich sicher?
Mehrheitlich ja. Allerdings würde ich mir mehr Widerstand wünschen, wo die Verwaltung nicht auf dem Punkt ist. Mein Sicherheitsgefühl ist so gesehen leider abnehmend.
Kommentare