Polit-Urgestein Erhard Busek: "Wiener ÖVP soll nicht regieren"
Bei der Wien-Wahl am Sonntag erhielt die ÖVP mit Spitzenkandidat Gernot Blümel 18,7 Prozent der Stimmen und eroberte Platz 2.
KURIER: Als Gernot Blümel 2015 die ÖVP übernommen hat, haben Sie im KURIER gesagt: Das ist ein Himmelfahrtskommando. Sehen Sie das noch immer so?
Erhard Busek: Ja, natürlich.
Blümel hat einen schönen Fortschritt erreicht, dass es die Türkisen, oder die ÖVP, wieder in einer nennenswerten Größe gibt. Aber von dem – jetzt bin ich ein bisserl egoistisch – was ich gehabt habe, 34,7 Prozent und 37 Mandate, sind sie weit entfernt.
Die Identität der Wiener ÖVP hat sich mehrfach gewandelt. Sie haben sie mit den „bunten Vögeln“ liberal geführt, unter Christine Marek gab es einen Law-and-Order-Kurs, Manfred Juraczka wollte die ÖVP wieder als „liberale Stadtpartei“ positionieren. Ist die ÖVP mit ihrem rechten Kurs jetzt so, wie sie sein soll?
Ich möchte Ihnen widersprechen. Der rechte Kurs war Sache der FPÖ, in einigen Fragen war die ÖVP rechts, aber das war die Wiener SPÖ auch. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich sehr engagiert hätte für die Frage der Flüchtlinge. Wenn Sie sagen, man weiß nicht genau, welchen Kurs die Türkisen im Allgemeinen fahren, dann gebe ich Ihnen recht. Das ist sicher das Problem.
Die ÖVP hat Worte gebraucht wie „Ghetto“, sie fordert eine Deutschpflicht im Gemeindebau. Da konnte man sie nicht von der FPÖ unterscheiden.
Das mit der Deutschpflicht sagen in Wirklichkeit alle.
Und die ÖVP ist die einzige, die sich das zu sagen traut?
So ungefähr.
Laut Wählerstromanalyse gingen 43.000 Stimmen von der FPÖ an die ÖVP, bei der SPÖ waren es 32.000. War dieser Kurs da notwendig?
Der Kurs war notwendig, um das, was von der FPÖ zu holen war, zu kriegen. Die Herausforderung ist jetzt, diese Leute inhaltlich wieder in Richtung Mitte zu bringen. Die große Aufgabe wird sein, sich nicht von denen, die jetzt ÖVP und früher FPÖ gewählt haben, den Kurs auf Dauer bestimmen zu lassen. Stimmen zu kriegen, ist ein berechtigter Versuch. Aber auf diese Weise den Kurs zu ändern, ist eine Konzession an die FPÖ.
Sie sind mit Ihrer ÖVP einen ganz anderen, liberaleren Kurs gefahren und haben jetzt doch Gernot Blümel unterstützt. Wie passt das zusammen?
Das kann ich Ihnen sagen. Das war bei mir eine wahltaktische Überlegung, weil es dringend notwendig ist, gegen die nun erstarkte SPÖ ein Gegengewicht zu bilden.
Sie haben Gernot Blümel also nur aus taktischen Gründen aber nicht aus Überzeugung unterstützt?
Nein, das ist eine demokratiepolitische Überlegung: Ich bin sehr dafür, dass der Bürgermeister gut abgeschnitten hat, weil ich nicht will, dass das ganze Land – da bin ich ein alter Großkoalitionär – in eine Richtung kippt. Es muss einen Ausgleich geben. Das war der Grund, warum ich für den Blümel eingetreten bin und nichts anderes.
In Wien gibt es schon eine rot-schwarze Achse – zwischen Bürgermeister Michael Ludwig und Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck. Wozu braucht es da die ÖVP in der Regierung?
Das haben die Roten immer gehabt, und es ist gut, dass es diese Achse gibt. Das wird dem Blümel in der Frage der jetzigen Wirtschaftssituation helfen.
Blümel hat schon Sonntagabend auf die hohe „finanzpolitische Kompetenz“ der ÖVP hingewiesen. Ludwig wird aber kaum das wichtigste Ressort – die Finanzen – an seinen Juniorpartner abgeben.
Wenn Sie mich fragen, ist das das Ausstiegsszenario aus den Verhandlungen. Auf beiden Seiten.
Werden die Koalitionsverhandlungen daran scheitern?
Ja, und ich bin auch dafür, dass sie scheitern. Denn mit dieser starken Mehrheit in Wien werden die Roten ihren Minderheitspartner ÖVP, der in der Regierung eine Mehrheit hat, dazu verpflichten wollen, im Bund dieses und jenes durchzubringen. Das würde die Sache in jeder Hinsicht schwieriger machen. Da wünsch ich den Grünen, die meiner Ansicht nach mit Sicherheit in der Regierung verbleiben, viel Vergnügen.
Die ÖVP soll also nicht mit der SPÖ regieren?
Nein. Die ÖVP muss wieder stärker werden, und das kann sie nur aus der Opposition heraus.
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