Auf einmal muss es schnell gehen: Die ÖVP plant, morgen, Mittwoch, im Nationalrat einen Initiativantrag für die Neuregelung der Datensicherstellung einzubringen. Wie genau dieser aussieht, ist mit Stand Dienstagmittag noch offen. "Wir sind noch nicht fertig", heißt es aus dem ÖVP-Klub, "es wird noch intensiv verhandelt".
Eilig ist es deshalb, weil Fristen einzuhalten sind: Mit Jahresende muss die neue Regelung in Kraft treten, das heißt, sie muss spätestens im Dezember im Nationalrat (Sitzungen am 11. und 12.12.) und dann im Bundesrat (17. und 19. 12.) beschlossen werden. Vorher muss der Antrag aber noch in den Justizausschuss - deshalb ist dieser Mittwoch der letztmögliche Termin für die Einbringung.
Der Fristenlauf ist eigentlich weithin bekannt, trotzdem sorgte ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gestern, Montag, bei einer Podiumsdiskussion im Parlament zum Thema "Sicherstellung von Datenträgern - neue strafprozessuale Regeln" für Irritation - und überrumpelte damit offenbar auch ihren eigenen Klub.
Vor der versammelten Juristen-Prominenz des Landes nannte Edtstadler einige Details aus der heftig umstrittenen Neuregelung - darunter ein Punkt, der besonders heikel ist. Es geht um die Frage, wer die sichergestellten Daten aufbereitet, welche Befugnisse die Staatsanwaltschaft dabei hat und inwieweit Zufallsfunde dann noch möglich sein werden.
Worum es geht
Edtstadler skizzierte den künftigen Ablauf so:
- Die Staatsanwaltschaft schreibt eine Anordnung auf Beschlagnahme und definiert darin, worum es geht, welche Art der Daten (SMS, Fotos etc.) zur Aufklärung der Straftat benötigt werden sowie den für die Ermittlungen relevanten Zeitraum.
- Diese Anordnung muss dann von einem Richter genehmigt werden.
- Die Kriminalpolizei stellt den Datenträger sicher.
- Eine forensische Einheit erstellt dann eine Sicherungskopie und bereitet die Daten im vorgegebenen Rahmen - etwa mittels Stichwort-Suche - auf.
- Die ermittelnde Staatsanwaltschaft erhält dann nur den aufbereiteten Teil und wertet diesen strafrechtlich aus.
Der Haken daran: Zwar war genau diese Vorgehensweise im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, den das Justizministerium vor dem Sommer ausgearbeitet und mit der ÖVP paktiert hat. Nach viel Kritik wurde dieser aber zurückgezogen. Das ist auch der Grund, warum es bis heute kein Gesetz gibt. ÖVP und Grüne wurden sich vor der Nationalratswahl nicht mehr einig.
"Von Macht kann keine Rede sein"
Dass Edtstadler jetzt trotzdem auf dieser "personellen Trennung" beharrt, sorgte zwar für Beifall in Strafverteidiger-Kreisen, da endet die Zustimmung aber auch schon wieder.
Edtstadler erklärte, dass ein Ausgleich der Interessen nötig sei: das Recht eines jeden auf Datenschutz und Privatsphäre auf der einen und das Recht auf eine effiziente Strafverfolgung auf der anderen Seite. "Zufallsfunde dürfen nicht grenzenlos ermöglicht werden", betonte die Ministerin. Und das wäre eben der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft Einblick in den gesamten Datenschatz hat.
Wenn die Staatsanwaltschaften nun eine "Entmachtung" befürchten, so gelte es laut der ÖVP-Ministerin klarzustellen: "Von Macht kann hier keine Rede sein."
"VfGH hat keine Trennung verlangt"
Fritz Zeder, Sektionschef im Justizministerium, der Ministerin Alma Zadic bei der Veranstaltung vertreten hat, betonte dann als nächster Redner, dass der Verfassungsgerichtshof, als er die jetzige Regelung aufgehoben hat, diese "Trennung" nicht verlangt habe.
Er verstehe die Kritik der Standesvertretungen, dass es dabei zu Verlusten an Materie und an Zeit kommen würde und Ermittlungen erschwert würden. In dem ihm vorliegenden Entwurf werde deutlich gemacht, "dass die Leitungsbefugnisse weiterhin bei der Staatsanwaltschaft liegen", betonte er.
Cornelia Koller, Vereinigung der Staatsanwälte, sagte zum Thema Zufallsfunde: "Kein Staatsanwalt hat Lust darauf, Daten zu lesen, die er nicht lesen muss." Wenn Zufallsfunde eingeschränkt werden, käme das ihren Standeskollegen entgegen - sie hätten eh genügend Verfahren zu bearbeiten. (Worauf Rechtsanwalt Michael Rohregger später konterte: "Wenn dem so wäre, dann hätten wir 90 Prozent des Ibiza-Akts nicht.")
Aber, so Koller: "Opfer kommen dann nicht mehr zu ihrem Recht." Aus Erfahrung wisse man beispielsweise, dass Kinderpornografie häufig ein Zufallsfund seien. Jener Mann in Frankreich, der jahrelang seine Frau betäubt und von Männern hat vergewaltigen lassen, wurde nur deshalb geschnappt, weil man sein Handy wegen eines vergleichsweise harmlosen Upskirting-Vorwurfes sichergestellt hat.
Daten aus dem Jahr 1900
Auch Stephan Faulhammer, Richtervereinigung, sagte: "Es ist nicht sinnvoll, ein Regime zu schaffen, wo die Staatsanwaltschaften keine Befugnisse mehr haben." Und er erklärte ein Beispiel: Wenn künftig festzulegen ist, aus welchem Zeitraum Daten herausgefiltert werden, könnten Kriminelle schlicht das Datum auf ihrem Handy ändern - etwa auf das Jahr 1900. Datenforensiker, die den Auftrag bekommen, Nachrichten aus dem Jahr 2024 herauszufiltern, würden dann nichts finden. Deshalb sei es so wichtig, dass Ermittler eingebunden sind, die Kenntnis über den Fall haben - und auch die Tricks kennen, so Faulhammer.
Lisa Pühringer, Innenministerium, konnte zwischen Fronten ein wenig kalmieren: In dem Entwurf, den sie kennt, sei die "tatsächliche Vorgehensweise" verankert, dies schaffe auch Rechtssicherheit für die Ermittler, die mit den Daten befasst sind. Klarerweise würde aber die Aufbereitung der Daten nach bestimmten Kriterien und die anschließende Auswertung dazu führen, "dass Zufallsfunde in der Praxis reduziert werden", so die Kriminalistin.
"Gefahr im Verzug"-Regel
Pühringer ging noch ein weiteres Detail ein: Im Regelfall ist für die Sicherstellung von Daten künftig eine richterliche Genehmigung nötig. Zusätzlich gibt es aber auch die Möglichkeit von "punktuellen Zugriffen", also wenn nur ein bestimmtes Video (z.B. von einer Überwachungskamera) oder nur ein bestimmtes Dokument benötigt wird und nicht der gesamte Server.
Zudem ist eine "Gefahr im Verzug"-Regel geplant - wenn es schnell gehen muss, etwa, wenn die Polizei noch nach Komplizen sucht oder ein Beschuldigter "verschwindende Nachrichten" eingestellt hat.
Nach der Podiumsdiskussion herrschte jedenfalls Verwirrung: Offensichtlich sprachen die Teilnehmer nicht vom selben Entwurf, es dürfte mehrere Versionen geben.
Was wird nun also verhandelt - und wer verhandelt mit wem?
Laut KURIER-Informationen haben haben die Klubs von ÖVP und Grünen bis zum Wochenende intensive Gespräche geführt - man sah sich bereits den letzten Metern. Heute Früh hat der ÖVP-Klub dann den Klubs von SPÖ und Neos (mit denen man sich gestern auch in Koalitionsverhandlungen begeben hat) ein rund 90-seitiges Papier übermittelt - mitsamt der Bitte nach Übermittlung eigener Positionen.
Bereits vergangene Woche dürfte sich herauskristallisiert haben, dass die von ÖVP-Ministerin Edtstadler geforderte "personelle Trennung" und Quasi-Entmachtung der Staatsanwaltschaften nicht durchzubringen ist. Die ÖVP würde für diese Variante keine Verbündeten finden - außer vielleicht bei der FPÖ. Mit denen hat mit Stand Dienstagvormittag aber niemand geredet, wie es im blauen Klub heißt.
SPÖ will Befugnisse bei Staatsanwälten lassen
Die SPÖ ist jedenfalls strikt gegen die Trennung. In ihrem Positionspapier ist die Staatsanwaltschaft immer noch "Herrin des Verfahrens" und kann Datenträger auch selbst aufbereiten. Zwar werden in der Praxis in 95 Prozent der Fälle Daten ohnehin von Forensikern bei der Polizei aufbereitet, die Staatsanwaltschaften hat aber jederzeit das Recht, die Aufbereitung an sich zu ziehen bzw. korrigierend einzugreifen. Und so soll es bleiben. Neu wäre nach Vorstellung der SPÖ nur, dass es eben die richterliche Genehmigung braucht.
Die Neos hatten zuletzt keine abschließende Meinung - sie pochen nur darauf, dass die Vorgaben des VfGH eingehalten werden.
Nur eine "Trägerrakete" ohne Inhalt?
Ob sich ÖVP, SPÖ und Neos als mögliche künftige Koalitionspartner bei diesem Thema noch einigen können und was genau dann morgen im Nationalrat eingebracht wird, ist zur Stunde offen.
Als denkbare Variante gilt, dass es nur eine sogenannte "Trägerrakete" gibt. So nennt man es, wenn ein de facto leeres Blatt Papier als Initiativantrag eingebracht wird - nur, damit man das Thema einmal einem Ausschuss zuweisen kann. Bis zur Ausschuss-Sitzung wird der Antrag dann mit Inhalt gefüllt und beschlossen. So kauft man sich Zeit und kann weiterverhandeln, ohne eine Frist zu verletzen.
Denn, wie gesagt: Jetzt muss es schnell gehen.
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