Dass sich Edtstadler nun nach Salzburg zurückzieht, ist kein gutes Zeichen für die ÖVP. Immerhin stand die Verfassungsministerin unter den derzeitigen türkis-schwarzen Protagonisten für juristische Brillanz – etwas, das ansonsten in der Partei eher rar gesät ist; die zweite große Schwachstelle neben der Wirtschaftskompetenz. Beides gerade für eine bürgerliche Partei ein massives Problem.
Für Ersteres hat Sebastian Kurz indirekt ja selbst den politischen Preis gezahlt. Indem er dem grünen Koalitionspartner das Justizressort überließ, erleichterte er der (parteiübergreifenden) „Kurz muss weg“-Bewegung ihr Spiel enorm. Dass das keine Verschwörungstheorie ist, hat dieser Tage der ehemalige Grün-Mandatar Michel Reimon in erfrischender Offenheit deutlich gemacht: Er habe „Sebastian Kurz für so gefährlich wie Viktor Orbán gehalten“, schrieb Reimon auf der Plattform X, weswegen er für die Koalition mit der VP gewesen sei, um Kurz kontrollieren zu können. „Dass wir ihn politisch ganz wegbekommen, schien da noch unvorstellbar. Langfristig halte ich das für das wichtigste Ergebnis der Koalition.“ Noch Fragen?
Es gibt einigen Grund für die Annahme, dass die ÖVP gut beraten gewesen wäre, nach dem endgültigen Abgang von Kurz im Dezember 2021 Karoline Edtstadler zur Nachfolgerin an der Spitze und im Kanzleramt zu küren. Vermutlich stünde die Partei heute deutlich besser da. Dass Edtstadler nun auch nicht einer künftigen Regierung angehören wird, passt eigentümlich ins Gesamtbild einer Redimensionierung der ÖVP auf das über Jahre gepflegte großkoalitionäre Mittelmaß, das aufzubrechen in der jüngeren innenpolitischen Geschichte des Landes nur zweimal – 2000 ff. und 2017 ff. – gelang. Dafür könnte die ÖVP, wenn sie denn in einer erwartbaren Dreier-Regierung mit SPÖ und Neos nicht allzu viele „Schwierigkeiten“ macht, endlich wieder die „gute alte, christlich-soziale Partei“ werden, nach der sich bemerkenswerterweise die Wohlmeinenden aller Schattierungen stets so sehr sehnen …
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