1. Die Polizei erwischt einen Drogendealer auf frischer Tat
Derzeit, erklärt Haslinger, können Polizeibeamte das Handy des Dealers sofort an sich nehmen und (sofern es sich entsperren lässt) noch vor Ort gezielt nach Chats mit Hintermännern, Lieferanten und Abnehmern suchen. Es reicht ein kurzer Anruf beim Journaldienst der Staatsanwaltschaft, der die Sicherstellung anordnet.
„Wenn beispielsweise am selben Tag noch Treffen zur Übergabe vereinbart sind, kann die Polizei die Täter abpassen.“ Laut vorliegendem Entwurf wäre das nicht mehr möglich.
In das Handy hineinschauen dürfte nur ein Datenforensiker, der nicht im Ermittlerteam ist. Dieser soll eine Kopie des gesamten Datenbestands erstellen und diesen auf jene Kriterien einschränken, die in der Anordnung angeführt sind (siehe Infokasten unten).
Das kann – je nach Datenumfang – Stunden, Tage oder sogar Wochen dauern, sagt Haslinger: „Es besteht die Gefahr, dass wichtige Ermittlungsansätze zu spät bekannt werden und in der Zwischenzeit schon andere Beweismittel vernichtet wurden.“ Etwa, wenn größere Mengen an Drogen gebunkert wurden.
Gerade wenn nur ganz bestimmte, wenige Daten von Interesse sind, sei die Sicherung des Gesamtbestands überschießend: „Ein Ermittler, der mit dem Fall betraut ist, kann gezielt nach den letzten Nachrichten, Telefonaten und Kalendereinträgen suchen.“
Das treffe auch auf den nächsten Fall zu:
2. Eine Frau wird tot aufgefunden, es gibt Anzeichen von Gewalt
In so einem Fall könnte man im Handy nachschauen, mit wem sich das Opfer zuletzt getroffen, mit wem es kommuniziert hat, erklärt Haslinger. So werde etwa rasch geprüft, ob es ein Betretungsverbot gibt: „Wenn man im Handy dann liest, dass sich die Frau mit ihrem Ex-Partner zu einer Aussprache getroffen hat, dann ist er der Erste, nach dem man fahndet.“
Gerade bei Delikten gegen Leib und Leben seien die ersten 24 Stunden entscheidend, sagt die Staatsanwältin: „Die Zeit ist unser Feind.“
Sollte das Gesetz so beschlossen werden, wie es der Entwurf vorsieht, dann brauche es zumindest „mobile Teams“ mit Datenforensikern, die binnen kürzester Zeit kommen können.
3. Ein Terrorist kann von der Polizei ausgeschaltet werden
So geschehen im November 2021 in Wien: Damals gab es etliche Meldungen, dass mehr als nur ein Terrorist in Wien unterwegs ist. Die Polizei, sagt Haslinger, könne, sobald sie einen Täter ausgeschaltet hat, im Handy nachschauen, ob es Kommunikation mit möglichen Mittätern gibt, ob er sich in Gruppen mit anderen über seine Pläne ausgetauscht hat.
Das Handy spiele auch eine zentrale Rolle, wenn Sprengstoff oder Geiseln vermutet werden: Man könne nachschauen, ob der Täter eine bestimmte Adresse besonders oft aufgesucht hat.
Zwar gibt es im Sicherheitspolizeigesetz Regelungen zur akuten Gefahrenabwehr – Haslinger würde aber dafür plädieren, in der Strafprozessordnung eine möglichst klare, praktikable Regelung zu schaffen. Die vorliegende sei das jedenfalls nicht.
4. Ein Schlepper wird auf der Autobahn angehalten
Der Begriff „Daten“ im Gesetzesentwurf umfasst ja nicht nur Handys und externe Speichergeräte. Beinahe alle „smarten“ Geräte sind Datenträger, so auch der Bordcomputer von Autos.
Bei einem mutmaßlichen Schlepper prüft die Polizei das Navigationsgerät und sieht, welche Route er gefahren ist. Nach dem jetzigen Entwurf müsste aber auch hier das Auto erst zu einem Datenforensiker gebracht werden.
Und auch hier verstreicht „wertvolle Zeit“, sagt Haslinger. Wenn die bis dahin gesammelten Beweise nicht reichen, um einen dringenden Tatverdacht zu begründen und einen Schlepper in U-Haft zu nehmen, wäre dieser wohl über alle Berge, bis die Auswertung erledigt ist.
"Weiter effektiv Verbrechen bekämpfen"
Die Vereinigung der Staatsanwälte hält eine Sonderregelung für „Gefahr im Verzug“ für unabdingbar. Am besten aber wäre es aus Sicht von Präsidentin Haslinger, wenn die Trennung zwischen Datenforensik und Ermittlern wegfällt.
Diese sei vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) auch gar nicht verlangt worden, als er die geltenden Regeln gekippt hat, betont sie. Im Erkenntnis hieß es nur, dass es eine richterliche Bewilligung der Maßnahme, eine stärkere Eingrenzung von Datenbeständen, mehr Transparenz und besseren Rechtsschutz braucht.
Haslinger: „Uns ist klar, dass es Regeln braucht, damit die Beschuldigten zu ihren Rechten kommen. Aber es muss gewährleistet bleiben, dass wir weiter effektiv Verbrechen bekämpfen können.“
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