Staatsanwältin über neues Handyabnahme-Gesetz: "Misstrauen finde ich befremdlich"

Staatsanwältin über neues Handyabnahme-Gesetz: "Misstrauen finde ich befremdlich"
Regierung regelt Sicherstellungen neu. Details im Entwurf erinnern an die Kritik von Promi-Beschuldigten in der Ibiza- bzw. Casag-Causa. Was Fachleute dazu sagen.

Türkis und Grün haben am Donnerstag überraschend ihren Gesetzesentwurf zur Handyabnahme mitsamt einigen anderen Änderungen der Strafprozessordnung im Nationalrat eingebracht. Die Regierungsparteien erfüllen damit ihre Pflicht, ein Gesetz zu reparieren, das der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor einem halben Jahr gekippt hat (siehe Infobox unten) – und sie gehen darüber hinaus. 

Einige Details klingen wie eine Reaktion auf die Kritik von Promi-Beschuldigten im Rahmen des Ibiza- bzw. Casag-Verfahrenskomplex. Oder, wie es Elena Haslinger, neue Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte im KURIER-Gespräch ausdrückt: „Es kommt ein Misstrauen gegenüber uns und der Polizei zum Ausdruck, das ich äußerst befremdlich finde.“

Einblick verwehrt

Staatsanwaltschaften brauchen für eine Sicherstellung künftig eine richterliche Bewilligung. Bei Datenträgern wie Handys muss festgelegt werden, welche Art von Daten aus welchem Zeitraum zu welchem Zweck ausgewertet werden dürfen. So weit, so gut – das hat der VfGH auch eingefordert.

Im Gesetze ist nun vorgesehen, dass eine forensische Abteilung der Kriminalpolizei die Daten vorab aufbereiten soll. Laut Erläuterungen sollen „die für die Führung des Ermittlungsverfahrens zuständigen Organisationseinheiten der Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaften keinen Zugang zum gesamten Datenbestand haben“.

Haslinger sieht einen Paradigmenwechsel: „Das Prinzip, dass die Staatsanwaltschaft die Leiterin des Verfahrens ist, wird aufgeweicht. Man entzieht uns den Einblick. Wir müssen uns künftig darauf verlassen, dass eine forensische Abteilung die Daten sorgfältig und vollständig aufbereitet. Bei Beschwerden von Beschuldigten oder Opfern können wir nur anregen, dass der Rechtsschutzbeauftragte der Sache nachgeht.“

Wenige Promi-Fälle im Blick

Die Regierung habe offenbar die „wenigen, öffentlich bekannten Großverfahren“ im Blick gehabt, sagt die Standesvertreterin. „Das Gesetz muss aber auch für die anderen 95 Prozent der Strafverfahren, die wir tagtäglich führen, praktikabel sein.“ 

Auch, dass Beschuldigte künftig selbst beantragen dürfen, dass nach bestimmten Stichworten gesucht wird, dürfte eine Reaktion auf die Vorwürfe einiger Promi-Beschuldigter sein. So hieß es etwa, dass sich die WKStA auf Belastendes fokussieren und Entlastendes ausklammern würde.

Beweise könnten durchrutschen

Das Misstrauen findet auch Robert Kert, Wirtschaftsstrafrechtler an der WU Wien, auffällig. „Das Konzept, die Aufbereitung der Daten von den ermittelnden Stellen zu trennen, wurde vom VfGH nicht gefordert. Sondern, dass eine unabhängige Aufsicht überprüfen soll, ob die gerichtliche Bewilligung eingehalten wurde.“

Aus Sicht des Strafrechtlers besteht die Gefahr, dass relevante Beweismittel von den Datenforensikern nicht erkannt werden und durchrutschen: „Jemand, der selbst ermittelt, weiß sicher besser, worauf es ankommt.“

Zufallsfunde

Derzeit wertet die WKStA Handydaten selbst aus. Stößt sie auf einen Zufallsfund, dann kann sie dem unkompliziert weiter nachgehen. Ein Umstand, der einigen ÖVP-Politikern und Unternehmern bekanntlich zum Verhängnis geworden ist. Ein Großteil des Casag-Akts geht auf Zufallsfunde am Handy von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid zurück (mehr dazu). 

Künftig brauchen Staatsanwaltschaften eine neue richterliche Bewilligung, wenn sie im Gesamtdatenbestand weitersuchen wollen.

Noch ein spannendes Detail: Ein Akt muss künftig getrennt werden, wenn es „der Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen“ dient. Beim Ibiza-Akt gab es mehr als 40 Beschuldigte (plus Verteidiger) die jeweils die Vorwürfe gegen andere mitlesen konnten, ohne dass ihr eigener Fall etwas damit zu tun hätte.

Kritik üben die Standesvertretungen der Staatsanwälte und der Richter auch an der Eile, die die Regierung jetzt an den Tag legt: Schon am 3. oder 4. Juli soll das Gesetz im Nationalrat beschlossen werden. Für Einwände bleiben nur knapp drei Wochen Zeit.

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