ÖVP selbst betroffen
Dass der VfGH bei dem Thema ein Machtwort gesprochen hat, war der Beschwerde eines Kärntner Unternehmers geschuldet (siehe Box unten). Politisch kämpft die ÖVP – in Person von Karoline Edtstadler – aber schon seit Februar 2021 für eine Änderung. Damals hat gerade eine Hausdurchsuchung beim damaligen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel stattgefunden und die WKStA werkelte schon länger mit dem Handy von Thomas Schmid, was bekanntlich eine Lawine an Ermittlungen im ÖVP-Umfeld ausgelöst hat.
➤ Der KURIER berichtete damals: Ein Handy ist keine Tatwaffe: ÖVP will mehr Schutz für Beschuldigte
Die Unkenrufe, dass die Türkisen das Thema nur aus eigener Betroffenheit verfolgen, verstummten aber rasch: Immer mehr Experten – Strafverteidiger, aber auch Richter – haben sich der Argumentation angeschlossen. Und die lautet: Die Regeln zur Sicherstellung von Beweismitteln sind Anfang der 2000er geschaffen worden, als Handys nur zum Telefonieren und gelegentlichen SMS-Schreiben verwendet wurden.
Heute, 20 Jahre später, befindet sich auf so einem Gerät – und externen Speichern, die damit gekoppelt sind – aber quasi das halbe Leben eines Menschen. Es brauche andere, strengere Regeln als bei der Abnahme eines Messers oder eines Aktenordners.
➤ Lesen Sie dazu auch: Chatprotokolle und ein Mega-Akt: „Ein Wettbewerb der Bloßstellung“
Richter muss prüfen
Dem schließt sich der VfGH jetzt an: Eine so weitgehende Maßnahme wie eine Sicherstellung eines Datenträgers erfordere eine richterliche Bewilligung, heißt es in dem Erkenntnis. Nur so könne überprüft werden, „ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung und Auswertung vorliegen und ob die Sicherheitsbehörden ihre Befugnisse nicht überschreiten“.
Es geht dem Höchstgericht dabei nicht nur um die Wegnahme des Handys (die Hausdurchsuchung ist jetzt schon bewilligungspflichtig), sondern auch darum, was mit den sichergestellten Daten passiert. Und da wird es spannend – siehe Zufallsfunde und Transparenz.
Einschränkungen
So schlägt der VfGH dem Gesetzgeber in Hinblick auf eine Neuregelung vor: „Das Gericht hat auch festzulegen, welche Datenkategorien und Dateninhalte aus welchem Zeitraum zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen.“
Die Staatsanwaltschaft soll also nicht mehr – so wie jetzt – das gesamte Handy und alle verknüpften Daten datenforensisch aufbereiten dürfen. „Gerade die Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum würde bedeuten, dass man alles Weitere nicht anschauen darf“, bestätigt Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes.
Nun drängt sich die Frage auf: Die aktuellen Korruptionsermittlungen rund um die ÖVP basieren ja zum Großteil auf Zufallsfunden auf Schmids Handy – wäre so etwas künftig nicht mehr möglich?
Ein Knackpunkt sei sicher die Einschränkung des Zeitraums, sagt Zerbes, wobei bei „struktureller Korruption“ ohnehin ein größerer Zeitraum untersucht werden müsse.
Ansonsten sieht die Expertin keine Hürden: Zufallsfunde müssten weiterhin zulässig sein, wenn der Tatverdacht, auf den man zufällig gestoßen ist, auch für sich genommen die Kriterien für eine Sicherstellung erfüllt hätte.
Unterschied bei Straftaten
Der VfGH merkt außerdem (wenn auch etwas vorsichtiger) an, dass es bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen einen Unterschied machen könnte, ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder nur bei bestimmten Straftaten – etwa nur bei schweren Straftaten oder nur bei Cyberkriminalität – vorgesehen wird.
Ein wichtiger Punkt ist noch Transparenz: Der VfGH merkt an, dass – je nachdem, wie intensiv der Grundrechtseingriff ist – auch zu gewährleisten sei, dass der Betroffene nach der Sicherstellung Informationen bekommt, die zur Wahrung seiner Rechte notwendig sind. Heißt: Er muss wissen, was sichergestellt wurde, damit er sich wehren kann.
Zerbes schlägt vor, dass sich eine neue Regelung an der derzeit geltenden zur Nachrichtenüberwachung orientieren könnte: Da muss der Überwachte im Nachhinein die Möglichkeit bekommen, sich die gesamte Aufnahme anzuhören bzw. alles Sichergestellte anzuschauen.
Kommentare