ÖVP-Gedränge auf den Landeslisten: Totschnig auf Platz 1 in Tirol
Die ÖVP-Landesparteien in Salzburg und in Oberösterreich haben am Montag ihre Landeslisten für die Nationalratswahl beschlossen, am Dienstag folgte Tirol – kurz vor der Fixierung der Bundesliste, die am Freitag geplant ist. Dem Vernehmen nach aber nur per Umlaufbeschluss, eine Sitzung des Parteivorstands findet nicht statt.
Die Tiroler Liste führt - wie erwartet - Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig an. Der Osttiroler folgte Elisabeth Köstinger nach, als diese sich im Mai 2022 überraschend aus der Politik zurückgezogen hatte. In dieser Zeit habe er bewiesen, so der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle, "dass er ein durchsetzungsstarker Umsetzer ist" und Tirols Interessen "immer im Fokus" habe. Mattle sieht seinen Landsmann aber nicht unbedingt im Nationalrat, wie er am Dienstag erklärte: "Bei einer Regierungsbeteiligung der Volkspartei wird das Landwirtschaftsressort eine zentrale Forderung sein."
Unter den 32 Namen auf der Tiroler Landesliste findet sich kein Franz Hörl. Diese Woche meinte dieser noch, er "vetraue" auf Landesparteichef Mattle, dass er doch noch einen guten Platz bekommt. Jetzt muss der 67-jährige Seilbahnunternehmer, der parteiintern nicht nur einmal angeeckt ist, auf einen Platz auf der Bundesliste hoffen.
Neue Nummer 1
Turbulent verlief die Listenerstellung auch in Salzburg. Am Montag wurde bekanntgegeben: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die aus dem Salzburger Flachgau kommt, führt die Liste an.
Auf Platz 2 der Landesliste folgt Peter Haubner, Wirtschaftssprecher und stellvertretender Klubchef im Parlament.
Eigentlich war Haubner auf Platz 1, als die Landesliste im Herbst in Grundzügen beschlossen wurde, berichten die Salzburger Nachrichten. Laut Mayer habe es sich damals aber nur um die Regionalwahlkreise gehandelt.
Hoffnungen auf Platz 1 hat sich dem Vernehmen nach auch Tanja Graf, derzeit Energiesprecherin im Parlament, gemacht. Sie hat jetzt den dritten Platz - dürfte aber am Ende diejenige sein, die das Landesmandat bekommt. Und zwar, wenn Edtstadler wieder Ministerin wird oder über die Bundesliste einzieht und Haubner das Regionalmandat erhält.
Salzburger "Draht nach Wien"
Platz vier geht an Carina Reiter, Jugendsprecherin im Parlament, Platz fünf an Sandra Hasenauer, Vizebürgermeisterin in Saalbach-Hinterglemm.
Landeshauptmann Wilfried Haslauer nennt sie sein "Team echter Entscheidungsträger" und "verlässliche Partner, wenn es um Salzburger Interessen geht". Salzburg habe eine Reihe von Zukunftsprojekten in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, die nur gemeinsam mit dem Bund umgesetzt werden können. Daher sei der „Draht nach Wien“ ein entscheidender.
Getrübtes Verhältnis zwischen Edtstadler und Nehammer
Dass Verfassungsmininisterin Edtstadler den ersten Listenplatz bekommt, sichert sie für die nächste Legislaturperiode ab. Das war zuletzt nicht selbstverständlich, denn wie man hört, ist das Verhältnis zwischen ihr und Parteichef Karl Nehammer etwas getrübt.
Edtstadler wird seit Längerem nachgesagt, sie hätte Ambitionen, Nehammer zu beerben, sollte er aufgrund schlechter Wahlergebnisse zurücktreten müssen.
OÖ mit Wöginger und Plakolm an der Spitze
Auch die ÖVP Oberösterreich hat heute ihre Landesliste beschlossen: Sie zieht wie schon 2017 und 2019 wieder mit Klubchef August Wöginger an der Spitze und mit Staatssekretärin Claudia Plakolm, die am Samstag auch als JVP-Bundesparteiobfrau wiedergewählt wurde, als Nummer zwei der Landesliste in die Nationalratswahl.
Statt elf könnten es nur mehr zwischen sieben und neun Mandaten aus Oberösterreich in der kommenden Legislaturperiode werden, wobei das Führungsduo Wöginger/Plakolm voraussichtlich auch über die Bundesliste abgesichert werden dürfte.
Es ist anzunehmen, dass zwei Kandidaten der Landesliste den Einzug ins Parlament schaffen, sowie je eine Person über die Wahlkreislisten. Eng für den Wiedereinzug wird es voraussichtlich für die Abgeordneten Manfred Hofinger, Platz fünf der Landesliste und Platz drei auf der Wahlkreisliste Innviertel mit Wöginger an der Spitze, sowie für Werner Saxinger, Landeslistenplatz sieben und Platz drei der Wahlkreisliste Linz und Umgebung.
Auch der Verbleib im Nationalrat von Kandidatin Johanna Jachs auf dem sechsten Landeslistenplatz und Platz drei der Wahlkreisliste Mühlviertel, die Plakolm als erste anführt, ist noch nicht abgesichert.
Wöginger zeigte sich optimistisch, dass bei der Wahl die "ÖVP als Erste durch die Ziellinie gehen" werde. Und Plakolm meinte, dass ihre Partei sich für jene stark mache, "die nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern die Füße in die Hand nehmen", hieß es in der Unterlagen zur Pressekonferenz.
Landeshauptmann Thomas Stelzer mahnte den Koalitionspartner im Bund, dass nach den von Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) ausgelösten "jüngsten Turbulenzen", die Regierung über den Sommer arbeitsfähig bleiben müsse: "Die Menschen wollen keinen Streit."
Vorrang für Minister und Parteispitze
Angeblich gibt es eine Direktive aus der Bundespartei, Mitglieder aus Regierungsteam und Parteispitze jeweils in ihrem Heimatbundesland auf Platz 1 zu setzen. In Salzburg ist das eben Verfassungsministerin Edtstadler, in Oberösterreich sind es Klubchef Wöginger und Staatssekretärin Plakolm. In Vorarlberg wurde Finanzminister Magnus Brunner bereits als Listenerster bestätigt.
Lage in der Steiermark noch unklar
Unklar ist die Lage in der Steiermark: Vergangene Woche wurde der Beschluss der Landesliste vertagt. Man will auf die Bundesliste warten, heißt es da. Die steirische ÖVP soll sich gegen die Vorgabe aus Wien wehren, Bildungsminister Martin Polaschek als Listenersten zu setzen. Demnach hofft man, dass Polaschek auf der Bundesliste einen „guten Platz“ bekommt, damit man stattdessen mit Ex-Ministerin Juliane Bogner-Strauß oder Wirtschaftsbündler Kurt Egger in die Wahl gehen kann.
In Niederösterreich soll eine „Doppelspitze“ aus Innenminister Gerhard Karner und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner kandidieren. Der Beschluss fällt am Freitag.
In Wien wurde die Landesliste bereits Mitte Mai beschlossen. Angeführt wird diese von Romana Deckenbacher, Vizepräsidentin des ÖGB. Auf Platz 2 liegt Nico Marchetti, der seit 2017 im Nationalrat sitzt.
Im Burgenland und in Kärnten tut man sich leichter: Kein Regierungsmitglied kommt aus diesen Bundesländern, deshalb kann man hier auf bewährte Kräfte im Nationalrat setzen: Im Burgenland kandidiert Christoph Zarits, ÖAAB-Generalsekretär und Sportsprecher, als Listenerster; in Kärnten Budgetsprecher Gabriel Obernosterer.
Nationalratswahl
Am 29. September werden die 183 Abgeordneten des Nationalrats gewählt.
Die Parteien geben in der Regel eine Bundesliste und neun Landeslisten (plus Regionalwahllisten) ab. Nach der Wahl werden die Mandate nach der Platzierung auf den Listen verteilt – je weiter vorne ein Kandidat, desto besser seine Chancen. Vorzugsstimmen können eine Vorreihung ermöglichen.
Zweistelliges Minus
Die Listenerstellung ist bei der ÖVP diesmal eine besonders heikle Angelegenheit: Erstens, weil die Partei intern von einem zweistelligen Minus im Wahlergebnis ausgeht – und entsprechend viele Mandate wegfallen.
Zweitens ist offen, ob es heuer einen „Vorzugsstimmenwahlkampf“ gibt. Aus der Parteizentrale heißt es, dass es dazu einen Beschluss bräuchte, diese Entscheidung sei noch ausstehend. Fällt kein Beschluss, dann gelten die gesetzlichen Vorgaben, wonach ein Kandidat vorgereiht wird, wenn er mit Vorzugsstimmen auf sieben bzw. zehn Prozent (Bund bzw. Land) kommt.
Unter dem früheren Parteichef Sebastian Kurz wurden die Hürden parteiintern gesenkt – was zu einer starken Mobilisierung, aber auch zu einem Konkurrenzkampf und hohen Kosten führte, weil viele Kandidaten sich selbst in den Fokus rückten.
Hinweis: Dieser Artikel wurde am Dienstag, 2. Juli, nach der Bekanntgabe der Tiroler Landesliste ergänzt.
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