Ministerin: Po-Grapschen strafrechtlich verfolgen

Ministerin: Po-Grapschen strafrechtlich verfolgen
Gabriele Heinisch-Hosek geht nach der deutschen Herrenwitz-Debatte in die Offensive.

Nach Bekanntwerden der „Dirndl-Affäre“ des deutschen FDP-Kanzlerkandidaten Rainer Brüderle im stern geht ein Sturm der Entrüstung durch die Öffentlichkeit (siehe Storify hier). Auslöser ist eine bekannte Spezies: der Herrenwitz. Brüderle habe einer jungen Journalistin beschieden, sie würde „ein Dirndl auch gut ausfüllen“. Selten so gelacht.

Die Zeiten haben sich geändert. Die Social-Media-Unternehmerin Judith Denkmayr, 35 auf Facebook bringt’s auf den Punkt: „Was manche Männer nicht verstehen – Frauen verlieren jeglichen Respekt, Wertschätzung, Interesse an Männern, die sexistische Aussagen tätigen.“ Jetzt rufen Seiten wie www.alltagssexismus.de Frauen auf, sich zu wehren. Auf Twitter findet man unter dem Hashtag #Aufschrei mittlerweile tausende Tweets zu dem Thema.

Warum überlebt der Herrenwitz? „Sexismus ist die effektive Möglichkeit, andere auf ihren Platz zu verweisen, Hierarchien herzustellen. Das können junge wie alte Männer, das ist keine Generationenfrage“, erklärt Psychoanalytiker Erich Lehner. „Sie sollten von sich aus sagen, Sexismus widerspricht der Menschenwürde.“

Kein Kavaliersdelikt

Ministerin: Po-Grapschen strafrechtlich verfolgen
"Ich mische die Karten neu und werde alle Verordnungen zurücknehmen." - Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek kürzt doch nicht in den Schulen.
Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit: „Grenzüberschreitungen müssen geächtet werden“, sagt die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger. Die Gesellschaft – beide Geschlechter – muss klarmachen: „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern sehr schlechtes Benehmen.“ In dieselbe Kerbe schlägt Fauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. „In erster Linie braucht es einen gesellschaftlichen Diskurs. Es ist gut, wenn endlich breit darüber diskutiert wird.“ Sie fordert: „Sexuelle Belästigung wie Po-Grapschen sollte endlich auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Es ist höchste Zeit, dass hier etwas geschieht.“

Wo verläuft die Grenze zwischen Flirt und Belästigung? Klar, dass dies individuell verschieden ist, meint Karin Gutierrez-Lobos, Vizerektorin und Gender-Verantwortliche der MedUni Wien. „Aber wenn man sich belästigt fühlt, ist das zu respektieren.“ Anzügliche Witze und scheinbar zufällige Berührungen haben für sie mit Herabwürdigung zu tun. Solche Signale sollte sich jeder – Mann und Frau – gut überlegen. „In unserer Kultur braucht man nicht hinterherpfeifen oder ähnliches. Da gibt es andere Wege.“

Herabwürdigendes wie „Mäuschen“ oder „ Ich bin mir sicher, dein Französisch is’ perfekt“, kann man bei der Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt melden – was immer mehr Frauen auch tun.

2011 wurden 44 Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz untersucht, die Dunkelziffer ist ungleich größer. Immerhin drei Viertel aller österreichischen Frauen wurden schon einmal sexuell belästigt, zeigt eine Statistik des Familienministeriums.

Früher war’s anders

Die ehemalige ÖVP-Volksanwältin Ingrid Korosec begann ihre Laufbahn 1983. Zu einer Zeit, als Frauen in der Politik selten waren. Ihr Motto: „Wehret den Anfängen. Ich hab’ immer rasch reagiert, wenn jemand geglaubt hat, er muss blöde Witze machen. Ich hab’ demjenigen meine Meinung gesagt, und klargemacht, wenn so was wieder vorkommt, dann melde ich ihn“.

Wegen eines „Dirndl“-Sagers hätte es vor 20, 30 Jahren keinen Aufschrei gegeben, meint Karin Strobl vom Frauennetzwerk Medien: „Früher mussten sich Journalistinnen noch vor diversen Grapschern in Politik oder Wirtschaft in Acht nehmen. Das ist heute kein Thema mehr.“ Der schlechte alte Sauna- und Herrenwitz hat leider immer noch Saison. „Das betrifft aber mehr die ältere Generation“.

Das Frauennetzwerk Medien vergibt alljährlich das „Handtaschl“, eine Negativ-Auszeichnung für frauenfeindliche Darstellung in den Medien. So wurde vor Jahren der damalige ORF-Chef Werner Mück nominiert, weil er eine Redakteurin aufgrund ihres Körperbaus nicht vor der Kamera einsetzen wollte. „Bei männlichen Kollegen schien dies damals ja kein Problem zu sein, wenn man etwa an Elmar Oberhauser denkt.“

„Sie können uns beschimpfen und mit Dreck bewerfen, aber nicht unsere Überzeugung und Selbstachtung nehmen“, rief am Sonntag Rainer Brüderle, 67, in einer Rede bei der FDP Nordrhein-Westfalen. Es war die erste öffentliche Reaktion des FDP-Spitzenmannes im Bundestagswahlkampf, nachdem ihn am Mittwoch der stern des Sexismus bezichtigt hatte: Brüderle habe vor über einem Jahr in einer mitternächtlichen Runde einer 28-jährigen Reporterin anzüglich geantwortet, die ihn nach seinem Alter gefragt hatte: „Ich würde Ihre Tanzkarte nehmen“, und: „Sie würden jedes Dirndl füllen.“

Brüderle will den stern-Artikel konkreter nicht kommentieren. Das tut die FDP-Spitze geschlossen: Dass das linke Magazin den Vorwurf erst nach über einem Jahr, aber nur zwei Tage nach der Nominierung Brüderles, zum Spitzenkandidaten gebracht habe, sei „bewusst persönlich und politisch intoniert“, so Generalsekretär Patrick Döring. Die Reporterin habe sich noch kürzlich um die Begleitung Brüderles im Wahlkampf bemüht, sie sei bei der FDP weiter willkommen.

SPD und Grüne griffen das Thema willig auf: Brüderles Verhalten sei „ein Beispiel für alltäglichen Sexismus“ und „fehlende Gleichberechtigung“, so Manuela Schwesig und Andrea Nahles von der SPD. In den Medien reichten die Reaktionen von der Erinnerung einer Welt-Journalistin an das Begrapschen durch SPD-Kanzler Willy Brandt bis zu der im Spiegel an zahllose höchst ordinäre Mails von männlichen an und über weibliche Piraten – die keine Diskussion wie jetzt auslösten. Bild ließ 500 Deutsche repräsentativ befragen, von denen 90 Prozent eine Entschuldigung Brüderles erwarteten und 45 Prozent sogar seinen Rücktritt. Twitter registrierte bis Montag über 60.000 „tweets“ zum Thema.

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