Meinungsforscher: "FPÖ verschiebt wieder Grenzen des Sagbaren"
Die FPÖ hat es in den vergangenen Tage geschafft, die Debatten über weite Teile zu dominieren. Aussagen von freiheitlichen Funktionären, wie dem FPÖ-Asyl-Landesrat in Niederösterreich, Gottfried Waldhäusl, Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer, FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl und jüngst die Junge FPÖ-Kärnten sorgten für Aufregung - und Entrüstung.
"Die Grenzen des Sagbaren werden wieder nach außen geschoben", sagt Meinungsforscher Peter Hajek im KURIER-Gespräch.
"Wenn das schon geschehen wäre, dann wäre Wien noch Wien"
Waldhäusl sorgt Anfang Februar in einer Puls24-Sendung für Schlagzeilen. Er sagt zu einer Schülerin, dass Wien ohne Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund noch Wien wäre.
SPÖ, Grüne und NGOs zeigen sich daraufhin entrüstet und attestierten ihm "menschenverachtende Hetze“. Wenig später veranstalteten Rechtsextreme eine Plakat-Aktion vor jener Schule, deren Schülerin Waldhäusl in der TV-Sendung angesprochen hatte.
Für Peter Hajek ist die Aussage von Waldhäusl eine "bewusste Aktion, um sich innerhalb der Partei nach der Niederösterreich-Wahl und neben dem erstarkten Landbauer zu positionieren". Diese Strategie sei man von Waldhäusl gewohnt.
"Schluss mit Millionengeschenken an das Ausland"
Aufsehenerregender sei Udo Landbauers Statement in den sozialen Netzen. Der FPÖ-Spitzenkandidat kritisiert Anfang letzter Woche auf Facebook die finanzielle Hilfe für die Opfer des verheerenden Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet.
"Es ist unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit gerade grüne Politiker immer wieder unser Steuergeld an das Ausland verschenken. 5 Millionen für die Ukraine von Frau Gewessler, 3 Millionen von Herrn Kogler für die Türkei", schreibt Landbauer in einem Posting.
Wenig später rudern andere FPÖ-Funktionäre (Dominik Nepp und Manfred Haimbuchner) zurück. Landbauer habe damit gemeint, dass die Hilfsgelder nicht „versickern“ dürften, sondern dort ankommen sollten, wo sie gebraucht würden.
"Wie sooft bei den Freiheitlichen spricht Landbauer mit dieser Aussage nur einen kleinen Kern an", sagt Hajek. Mit dem Zusatz, man wolle nur, dass das Geld ankomme, "erreicht die FPÖ aber eine größere Gruppe. Eine klassische Strategie".
"Van der Bellen den Schädel gerade richten“
FPÖ-Bundesparteichef Kickl richtete beim Wahlkampfauftaktes in Kärnten dem Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen aus, er sei "der wahre Staatsgefährder“. Kickl wolle Bundeskanzler werden und werde dem „Bundespräsidenten den Schädel gerade richten“. Zuvor hatte Van der Bellen in einem TV-Interview eine etwaige Angelobung Kickls verklausuliert ausgeschlossen.
Die Aussage Kickls "ist indiskutabel und einem Parteichef nicht würdig", sagt Hajek. Gleichzeitig aber habe Kickl nichts zu verlieren, weil er wisse, dass er in Van der Bellen einen erbitterten Gegner habe. Damit versuche er also jene in der Bevölkerung einzufangen, die Van der Bellens Aussage, Kickl nicht angeloben zu wollen, kritisch sehen, sagt der Meinungsforscher.
"SPÖ abwählen, Slowenisierung Kärntens stoppen!"
Ein slowenenfeindliches Posting der Freiheitlichen Jugend Kärntens sorgt jüngst für diplomatische Verstimmung zwischen Ljubljana und Wien. Die FPÖ-Jugend hatte im Kärntner Landtagswahlkampf mit dem Aufruf "SPÖ abwählen, Slowenisierung Kärntens stoppen!" polarisiert. Bernard Sadovnik, ein Vertreter der Kärntner Slowenen, beklagte ebenfalls online "menschenunwürdige Hetze" und erstattete Anzeige.
Das Thema der Slowenen in Kärnten sei ein klassisch freiheitliches und sei schon fast "FPÖ Tradition".
Grundsätzlich sehe man an der aktuellen FPÖ-Kommunikation die "alt bekannte Strategie der Freiheitlichen, mit sehr, sehr kontroversiellen Aussagen hinauszugehen und damit die gesellschaftlichen Grenzen zu ihren Gunsten verschieben", sagt Hajek.
Taktik oder Stil?
Ob das zum jetzigen Zeitpunkt intuitiv passiere oder eine Strategie dahinter stecke, kann Meinungsforscher Hajek nicht sagen. "Es könnte Taktik sein, weil die FPÖ meint, die Themenlage auf ihrer Seite zu haben und sie versuchen, den politischen Druck zu erhöhen", sagt Hajek. "Die andere Möglichkeit ist, dass der FPÖ der Kamm schwillt."
Soll heißen: Die Freiheitlichen hätten wegen ihrer guten Umfragewerte und Wahlergebnisse (Niederösterreich-Wahl), mehr Selbstvertrauen, nun Aussagen öffentlich zu tätigen, die "sie früher wohl auch gedacht haben, aber nur im stillen Kämmerchen geäußert haben", sagt Hajek.
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